ChannelPartner-Redakteurin Beate Wöhe sprach mit IDC-Analyst Nicholas McQuire über das sich verändernde Kundenverhalten im Mobilfunkmarkt und über die neuen Geschäftsmodelle, die vor allem die Softwarelieferanten und Provider entwickeln müssen, um bestehen zu können.
Herr McQuire, die Branche trifft sich auf dem Mobile World Congress und blickt in Richtung Horizont. Wo liegen in den kommenden Jahren die Herausforderungen für die Hard- und Softwareindustrie sowie für die Provider im Mobilfunkmarkt?
Nicholas McQuire: Immer mehr Unternehmen richten ihre IT strategisch auf die mobile Nutzung aus. Im Zuge dessen zeichnet sich in den vergangenen zwei Jahren eine steigende Bereitschaft der Anwender ab, auch in Software zu investieren, die von kleineren, sehr spezialisierten Anbietern entwickelt wurde. Bislang wurden hier traditionelle, gesetzte Player wie beispielsweise Microsoft bevorzugt. Gegenüber jungen Start-up-Firmen verhielten sich Anwender in der Vergangenheit eher reserviert. Diese Skepsis weicht zunehmend. Deshalb wird sich der Softwaremarkt radikal verändern.
Überlagert wird diese Entwicklung von einem komplett veränderten Einkaufsverhalten: Software wird zunehmend von den Usern selbst gekauft werden statt von der IT-Abteilung, auch wenn es sich um Anwendungen handelt, die im Unternehmen eingesetzt werden. Softwareanbieter sind deshalb massiv gefordert, diesem veränderten Einkaufsverhalten mit entsprechenden Bereitstellungsmodellen Rechnung zu tragen.
Sehen Sie auch ähnlich gravierende Veränderungen auf die Hardwarehersteller zukommen?
McQuire: Auch die Hardwareindustrie unterliegt einem massiven Wandel, weil das größte Wachstum im gesamten IT-Markt nur im Bereich Mobile Devices zu verzeichnen ist beziehungsweise Mobile Devices die wirklich nennenswerten Wachstumstreiber sind. Im Bereich End-User-Computing werden mobile Formfaktoren die Hauptrolle spielen - und hier wird sich der Markt weiter ausdifferenzieren. Es wird Endgeräte unterschiedlichster Formfaktoren für den Bereich mobile Kommunikation geben, aber auch zahlreiche neue Entwicklungen im Bereich Maschine-zu-Maschine-Technologie. Die Anforderung, Anwendern mehr Flexibilität zu ermöglichen, wird sich konsequenterweise auch auf die Hardwaretechnologien im Rechenzentrum auswirken.
Welche Folgen haben diese Entwicklungen für die TK-Provider?
McQuire: Provider stehen vor enormen Herausforderungen. Sie müssen ihre Geschäftsmodelle komplett neu aufstellen und entscheiden, welche Rolle sie in der gesamten Wertschöpfungskette künftig übernehmen wollen. Die zentrale Frage für sie lautet, welchen Mehrwert sie den Unternehmen künftig - über die bloße Bereitstellung des Netzes hinaus - bieten können und inwieweit sie imstande sind, Teile des Mehrwerts wieder zurückzuerobern, den ihnen beispielsweise Apple oder Microsoft abgejagt haben. Sicherlich aber werden Provider unter anderem die massiv steigende Nachfrage nach mehr Connectivity und Bandbreite bedienen müssen. Jedoch: Allein diese Nachfrage zu bedienen wird künftig nicht ausreichen, um als Provider erfolgreich zu sein.
Sind die Provider in Europa vorbereitet, schnell genug darauf zu reagieren?
McQuire: Das ist die große Frage. Einige nehmen bereits mehr Cloud-basierte Services in ihr Portfolio auf, beispielsweise Softwaremarktplätze oder Platform-as-a-Service. Manche gehen auch dazu über, Softwareentwickler-Communities einzubinden, um auf Basis der Provider-Infrastruktur netzwerkzentrierte Applikationen für Unternehmen und den Privatkundenmarkt zu entwickeln. Provider, die in diese Richtung gehen, haben verstanden, dass ihr Netzwerkgeschäft künftig nur mit zusätzlichen Angeboten profitabel betrieben werden kann. Neben dieser weitreichenden strategischen Neuausrichtung kommen für Provider in Europa noch erschwerend die rechtlichen Regularien und das insgesamt instabile gesamtwirtschaftlich Klima hinzu.
Werden die mobilen Angebote für Privatkunden günstiger werden?
McQuire: Alle Indikatoren weisen aktuell darauf hin, dass die Preise nicht fallen werden. Allerdings muss man unterscheiden: Voice- und TK-Commodity-Angebote werden sicherlich günstiger werden. Dazu werden der stärker werdende Wettbewerb und auch die Regularien der Netzaufsichtsbehörden beitragen. Ein Teil der höheren Kosten wird sicherlich zunehmend den höherwertigen Value-Angeboten im Bereich Daten-Services zugeschlagen werden. Beim Blick auf 4G: Das ist noch immer ein Premium-Service, da ist noch Raum nach unten, um es auch als Value-Dienst für Privatkunden zu positionieren.