Fürchtet Euch nicht - oder doch?

07.03.2002

Microsoft steigt in das Anwendungsgeschäft für Customer-Relationship-Management ein. Na und? Diese Einstellung spiegelt zumindest die Stimmung wider, welche die Hersteller von Best-Practice-Applications für dieses Business nach außen vermitteln wollen. "Der Eintritt des Softwaregiganten bestätigt die Bedeutung und das Umsatzpotenzial des Wachstumsmarktes", war von ihnen zu hören. Oder auch: "Das Volumen ist riesig, und es ist genug für alle da."

Recht haben sie: Der Marktforscher Gartner Dataquest rechnet mit einem weltweiten CRM-Software-Umsatz von vier Milliarden Dollar im Jahr 2003. In Deutschland taxiert IDC den Dienstleistungsumsatz im CRM-Geschäft für das Jahr 2005 auf etwas mehr als 8,12 Milliarden Dollar.

Das ist gewiss ein großer Batzen, wenn die Prognosen eintreffen. Aber welcher Karpfen heißt den Hecht willkommen, nur weil der Teich groß genug ist? Bei einem Marktführer wie Siebel Systems klingt das ja noch einigermaßen glaubhaft. Dessen Manager haben, mit Ausnahme der wenig verbreiteten "Midmarket-Edition", andere Sorgen. Sie heißen SAP, Peoplesoft, Oracle und J. D. Edwards. Für Hersteller wie Frontrange, Interact, Onyx und Pivotal aber sieht das schon anders aus.

Natürlich kommt für sie der Einstieg der Redmonder in das CRM-Geschäft nicht überraschend. "Von ERP-Herstellern wird künftig erwartet, CRM-Funktionalität als Teil ihres Kernprodukts anzubieten", prognostiziert Jim Sheperd, Senior Vice President beim amerikanischen IT-Analysten AMR, schon seit langem.

Daran besteht kein Zweifel. Das wussten auch die CRM-Hersteller für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Und sie wissen auch, dass sich die Redmonder keine Marktchance entgehen lassen. Anbieter von Dokumentenmanagement- und Worflow-Lösungen haben das schon zu spüren bekommen. Die Entwickler von Unternehmenssoftware sind spätestens seit der Übernahme von Great Plains durch Microsoft desillusioniert.

Dementsprechend haben die von den Begehrlichkeiten des Softwaregiganten unmittelbar Betroffenen bereits Überlebensstrategien entwickelt. Frontrange öffnet sich gegenüber anderen Datenbank-Plattformen als dem SQL-Server von Microsoft, und Interact bindet sich in Deutschland mit einer Schnittstelle zwischen Act und der "Classic-Line" sowie dem "PC-Kaufmann" enger an den ERP-Hersteller Sage KHK.

Doch auch die zunächst nur mittelbar Betroffenen sollten sich nicht über den Appetit des Softwareriesen täuschen. Onyx, Pivotal und Siebel mit ihrer Midmarket-Edition bieten zwar einen Funktionsumfang, der zumindest nach dem, was bislang bekannt wurde, weit größer ist als das, was Microsoft Anfang nächsten Jahres in Deutschland anbieten möchte. Langfristig gesehen sind aber auch sie vom Aussterben bedroht. Die ComputerPartner-Schwesterzeitschrift Infoworld berichtete davon bereits Anfang Januar: Sie zitierte einen Bericht von RCW Mirus, einer Investmentbank aus Boston, wonach von 24 CRM-Unternehmen, deren Entwicklung sie verfolgen, nur noch fünf bis sieben unabhängige Hersteller Ende 2002 von Bedeutung sein werden. Und die renommierten Analysten von AMR sehen die Redmonder bei den Total Cost of Ownership (TCO), beispielsweise im Vergleich zur Mittelstandslösung von Siebel, im Vorteil.

Wer also abwartet und darauf hofft, im Kielwasser von Microsoft zu überleben, könnte bald deren Zähnen zu spüren bekommen, denn der fette Fisch schmeckt bekanntlich besser.

Eberhard Heins

eheins@computerpartner.de

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