Fulltimejob statt Wartezyklen

09.01.2003
Speziell für den Einsatz in Embedded-Prozessoren hat Infineon eine neue Chip-Technologie entwickelt, die eine zehnfache Leistungssteigerung verspricht. Vom Prinzip her ist sie mit dem Hyper-Threading-Verfahren von Intel zu vergleichen.

Bisher resultierten höhere Prozessorgeschwindigkeiten und höhere Rechenleistungen der CPUs aus immer kleiner werdenden Transistorstrukturen und damit einhergehenden höheren Taktfrequenzen. Was Infineon jetzt unter dem Begriff "My VP" (My Virtual Processor) vermarktet, basiert auf einem anderen Ansatz: Bei diesen Chips ergibt sich die Leistungssteigerung nicht durch eine Änderung der Produktionstechnik, sondern durch die Art und Weise, wie der Prozessor arbeitet.

Heutige Computersysteme leiden unter einem Hemmschuh: dem Speicher. Während Intels schnellster Prozessor mittlerweile bei einer Taktfrequenz von 3,06 GHz angekommen ist, besitzt der schnellste Speicher eine Taktrate von 400 MHz. Oder am realistischen Beispiel eines Embedded-Systems ausgedrückt: Ein 400 MHz schneller Prozessor muss mit einem 40-MHz-Flashspeicher zusammenarbeiten. Was nichts anderes bedeutet, als dass der Prozessor 90 Prozent der Zeit durch Wartezyklen - bedingt durch den um 90 Prozent langsameren Speicher - verschwendet. Ein System kann also nicht schneller laufen als der Speicher, aus dem der Prozessor seine Befehle und Daten bezieht.

Und für die Zukunft ist mit derherkömmlichen Technologie auch kein Staat zu machen. Irgendwann in den nächsten Jahren werden die ersten Prozessoren mit 10 GHz Taktrate auftauchen. Die Speicher können da nicht mithalten. Die Alternative, Cache-Speicher auf dem Prozessor zu integrieren, ist nach Meinung von Infineon nicht die richtige Lösung. Cache sei teuer, für batteriebetriebene Elektronikgeräte für Privatanwender ungeeignet und brauche viel Platz.

Arbeit auf mehrere Schultern verteilen

Infineons My-VP-Technologie erinnert an Intels Hyper-Threading-Verfahren. Dort liegen innerhalb eines Prozessors zwei Kerne vor, sodass das System zwei Anweisungen gleichzeitig verarbeiten kann. Mit My VP würde der Embedded-Prozessor wie mehrere separate "virtuelle" Prozessoren arbeiten. Wenn einer dieser Prozessoren bei einer Aufgabe vorläufig nicht weiterkommt, weil der Speicher mal wieder nicht genügend "Material" liefert, gibt er diese Aufgabe an einen anderen virtuellen Prozessor weiter. Dadurch ist er in der Lage, sich der nächsten Aufgabe zu widmen. Auf diese Weise wird verhindert, dass der Prozessor nicht untätig "herumsitzt und Däumchen dreht", sondern zu 100 Prozent genutzt wird. Im obigen Beispiel könnte der Embedded-Prozessor dann seine gesamten 400 MHz ausnutzen und nicht nur die 40 MHz des Speichers - eine Leistungsverbesserung um das Zehnfache.

Weitergedacht bedeutet die My-VP-Technologie aber auch, dass sich die bisherige Leistung eines Prozessors künftig mit einer viel niedrigeren Taktfrequenz erzielen ließe. Dadurch würde das System weniger Strom verbrauchen, was gleichbedeutend mit einer längeren Batterielebensdauer beziehungsweise einem längeren Akkueinsatz wäre.

Infineon will die My-VP-Technologie erstmals Mitte dieses Jahres in einem neuen 32-Bit-Chip implementieren. Die Lizenz dafür soll aber auch anderen Chipherstellern zugänglich gemacht werden.

www.infineon.com

ComputerPartner-Meinung:

Wenn nicht ganz schnell in der Speichertechnologie ein Riesensprung geschafft wird - wonach es derzeit aber nicht aussieht -, ist Infineons My-VP-Entwicklung der richtige Ansatz, um die Prozessorleistung in den nächsten Jahren komplett nutzen zu können. (tö)

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