Garantie: Nicht der Kunde nervt, sondern die sturen Hersteller

14.02.2002
Seit anderthalb Monaten gilt die verlängerte Gewährleistungspflicht von 24 Monaten. ComputerPartner fragte nach, ob dies Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Kunden zum Jahreswechsel hatte.

Seit dem 1. Januar 2002 ist die Gewährleistungspflicht auf technische Produkte EU-weit auf 24 Monate ausgedehnt worden. Der Marktforscher Push-it befragte nun im Januar 107 IT-Fachhändler, inwieweit diese Gesetzesänderung Einfluss auf den Kaufzeitpunkt ihrer Kunden genommen hat. Das Ergebnis ist beruhigend: Nur ein Fünftel der befragten Fachhändler gab an, das es zu Verschiebungen des Kaufs ins neue Jahr gekommen sei. Mit mehr als 77 Prozent das Gros der Befragten sagte aus, die Neuregelung hätte keinerlei Einfluss auf das Kaufverhalten der Kunden gehabt.

Wer sich wie das Augsburger Systemhaus Sahl Computer schon seit Jahren ganz auf Business-Kunden konzentriert, hat von der Neuregelung überhaupt nichts mitbekommen. "Unsere Firmenkunden haben tendenziell sogar größere Volumen im Dezember gekauft als üblich", berichtet Vertriebsleiter Andreas Herch. "Wir verkaufen jedoch nur Brands wie Compaq oder IBM. Der dazugehörige Drei-Jahres-Vor-Ort-Service wird sowieso von uns selbst angeboten und geleistet. Darum betrifft die Verlängerung der Garantie weder uns noch unsere Kunden."

Etwas anders sah die Situation bei Sandata noch im Dezember aus. Das Nürnberger Systemhaus hatte noch bis Ende vergangenen Jahres, wenn auch nur im geringen Umfang, Privatkundengeschäfte. Diese haben der neuen "Verbrauchsgüterrichtlinie" zufolge, wie es im Juristendeutsch heißt, deutlich mehr Rechte als zuvor. Geschäftsführer Hermann Straub machte deshalb Nägel mit Köpfen und stoppte aus Selbstschutz den Verkauf an Privatkunden zum Jahreswechsel.

"Den Kunden scheint das neue Recht so was von egal zu sein", resümiert hingegen Frank Roebers, Vorstandssprecher von PC-Spezialist. "Unsere Kundschaft besteht zu jeweils 50 Prozent aus Business- und aus Privatkunden. Aber keiner hat sich einen Deut um die verlängerte Garantiezeit geschert. Ganz im Gegenteil: Wir haben im vierten Quartal 2001 sogar noch ein besseres Geschäft als im Vorjahr gemacht." Roebers gibt zu, dass sich der Kunde viel vernünftiger verhalte, als er noch im Oktober bei der Podiumsdiskussion "Wer soll das bezahlen?" von ComputerPartner auf der Systems befürchtet hatte.

Ähnliche Erfahrungen hat Andreas Pohlmann, Geschäftsführer der Sotec GmbH in Laudenbach, gemacht. Das Systemhaus ist fast ein reinrassiger IBM-Händler. "Das neue Gewährleistungsgesetz hat keinen spürbaren Einfluss auf den Kaufzeitpunkt gehabt", berichtet Pohlmann. "Die meisten IBM-Produkte werden ja sowieso mit einer Drei-Jahres-Garantie ausgestattet." Allein Top-Seller-Notebooks wie beispielsweise die Thinkpads der A- oder R-Serie verfügen nur über eine Ein-Jahres-Garantie. Ausgerechnet die werden aber bevorzugt bei größeren Projekten eingesetzt, und hier liegt das eigentliche Problem.

Enormer Erklärungsdruck lastet auf Händlern

"Die Qualität der IBM-Produkte ist immer sehr gut, egal ob sie ein Jahr oder drei Jahre Garantie haben", stellt Pohlmann klar. "Schwierigkeiten macht vielmehr die veränderte Erwartungshaltung der Kunden. Ich musste meine ganze Überzeugungskraft einsetzen, um einem Geschäftskunden klar zu machen, dass er wie im Jahr zuvor denselben Preis für unseren Drei-Jahres-Vor-Ort-Service zahlen muss. Vergangenes Jahr klaffte zwischen der Herstellergarantie und unserem Angebot eine Zeitlücke von zwei Jahren. Dieses Jahr ging er davon aus, dass es ja nur ein Jahr sei, und deshalb forderte er einen Preisnachlass."

IBM sieht keinen Handlungsbedarf, da dieses Problem nur wenige Produkte betrifft. Andere Hersteller sind da viel zuvorkommender. So bot etwa Fujitsu Siemens Computers von sich aus eine Verlängerung der Garantiezeit auf zwei Jahre an. Auch der Distributor Also ABC wird von den Systemhäusern gern als lobendes Beispiel für echte Partnerschaft genannt. Er hatte ebenfalls freiwillig die Garantie verlängert.

Roebers sieht aber noch richtig dicke Probleme gerade auf kleinere Händler zukommen und entwickelt ein Horrorszenario: "Ich habe von einigen Fachhändlern gehört, dass die Hersteller sehr dreist werden. Wer tatsächlich mal bei Herstellern Regresspflicht einklagt, dem drohen sie mit Rausschmiss. Wenn er weiterhin darauf bestehe, dann sollte er besser woanders kaufen."

Derartige Probleme sieht Herch nicht auf Sahl Computer zukommen. "Wir verkaufen nur Brands", berichtet er. "Da sind wir auf der sicheren Seite. Firmen wie IBM oder Compaq verbauen wohl ähnliche Komponenten wie Billiganbieter, sie legen aber viel mehr Wert auf die Produktionsqualität. Somit werden die Ausfallquoten sehr gering gehalten."

ComputerPartner-Meinung:

Die Händler fühlen sich von den meisten Herstellern allein gelassen. Nun müssen sie sich den Kundenwünschen nach Rabatt stellen und den gleichbleibenden Preis für einen scheinbar verringerten Serviceaufwand erklären. Aber gerade darin zeigt sich die Chance für den Fachhandel, die Eigenleistung unabhängig von der Hardware zu zeigen und Transparenz in seine Kalkulation zu bringen. Spätestens bei der nächsten Problemlösung durch den Händler zu nachtschlafender Zeit wird der Kunde den Wert dieses Services zu schätzen wissen. (go)

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