Gastkommentare

25.04.1997
Stolz war ich auf den Kanzler, der das Gespür und die Nerven hatte, die beiden so unterschiedlichen Deutschlands zu vereinigen und dabei die Stärke zeigte, wie sie notwendig war, um die Kritik von kleinkarierten Bürgern und Politikern ungerührt aufzunehmen und zu verarbeiten.Diesen Respekt ringt er mir mit seinem Durchhaltevermögen und seiner Fähigkeit zum Management seiner Koalition ab, und großes Lob habe ich auch für seine gelungene internationale Wertschätzung.

Stolz war ich auf den Kanzler, der das Gespür und die Nerven hatte, die beiden so unterschiedlichen Deutschlands zu vereinigen und dabei die Stärke zeigte, wie sie notwendig war, um die Kritik von kleinkarierten Bürgern und Politikern ungerührt aufzunehmen und zu verarbeiten.Diesen Respekt ringt er mir mit seinem Durchhaltevermögen und seiner Fähigkeit zum Management seiner Koalition ab, und großes Lob habe ich auch für seine gelungene internationale Wertschätzung.

Jetzt aber entwickeln sich bei mir doch erhebliche Zweifel an seinem Verständnis für die Nation beziehungsweise für deren gesamt-wirtschaftliche Veränderungen. Er macht sich heute keine Sorgen über 4,6 Millionen Arbeitslose oder über die Gründe für die standortbedingte Investitionsscheu der internationalen oder nationalen Industrie, oder über die erpresserische Mißnutzung der gewerkschaftlichen Macht.

Mit großer Selbstzufriedenheit äußert er, daß er über die Art der Problemlösungen, wie sie durch Frau Thatcher vor einigen Jahren in UK praktiziert wurde, nicht einverstanden ist, bietet aber gleichzeitig nicht die Spur einer wirksamen Alternative an. Es wäre schon schön für investitionswillige Unternehmen im In- und Ausland, wenn von der Politik verstanden würde, daß Investitionen an Standorten sehr viel mehr Spaß machen,

- an denen das investierte Geld eine faire Chance hat, das Investitionsziel zu erreichen,

- wo die Mitarbeiter, weil sie nicht von irgendwelchen Klassenkämpfen verhetzt sind, dankbar für die gegebene Arbeit sind und nicht durch immer noch vollkommen realitätsferne, maßlose Gewerkschaften ständig mehr fordern lassen,

- wo sich Spitzenpolitiker wirklich Sorge um die Wirtschaft machen und nicht ständig an denen, die ihr Geld und ihr persönliches Engagement unter Übernahme von Risiken in die Wirtschaft einbringen, rummeckern.

Die negative Veränderung der deutschen Wirtschaft ist nicht in einem Wechsel des unternehmerischen Vorwärtsdrangs zu sehen.

Investitionslust und Innovationskraft sind absolut identisch mit der in den besten Tagen. Verändert haben sich, erzwungen durch gewerkschaftlichen Machtmißbrauch, die politisch geschaffenen gesamtwirtschaftlichen Rahmenkonditionen. Ausschließlich diese negative Veränderung nimmt jetzt volkswirtschaftliche und soziologische Rache.

Es wäre gut für alle Menschen in Deutschland, wenn sich der Kanzler doch mehr Sorge um die wirtschaftlichen Hintergründe machen würde.

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