Sparen am richtigen Ende

Gebraucht-Software auf dem Vormarsch



Michael Helms ist Vorstand der 2014 von ihm gegründeten Soft & Cloud AG, die sich auf den Handel mit Gebrauchtsoftware spezialisiert hat. Zuvor war er in verschiedenen verantwortlichen Positionen in der Softwarebranche tätig, seit 2008 im Gebrauchtsoftwarehandel. Hier eignete sich der Diplom-Kaufmann Expertenwissen zu Themen wie IT-Recht und Lizenzmanagement an.
Gebrauchtsoftware bietet große Vorteile. In Einzelfällen lassen sich bis zu 70 Prozent an Lizenzkonsten einsparen.
Sparen am richtigen Ende - mit "gebrauchten" Software-Lizenzen.
Sparen am richtigen Ende - mit "gebrauchten" Software-Lizenzen.
Foto: Syda Productions - shutterstock.com

In den vergangenen sieben Jahren hat sich der Gesamtmarkt für Gebrauchtsoftware rasant entwickelt. Was hat diese Entwicklung angetrieben? Wie können Unternehmen möglichst viel Geld mit Gebrauchtsoftware einsparen und was passiert eigentlich bei einem Hersteller-Audit? Eine Bestandsaufnahme.

Gebrauchtsoftware ist en vogue

Noch vor wenigen Jahren haftete der Zweitverwertung von Software-Lizenzen ein eher zweifelhaftes Image an. Die Begriffe Gebrauchtsoftware und Raubkopie wurden häufig miteinander in Verbindung gebracht. Die damit verbundenen Bedenken vieler IT-Verantwortlicher in Bezug auf die Rechtssicherheit waren der Grund dafür, dass die Nutzung von Second-Hand-Lizenzen nur geringe Verbreitung fand. Seriöse Anbieter, die die Legalität der von ihnen angebotenen Ware garantieren konnten, waren zudem noch rar gesät.

Eine komfortable Situation für Software-Hersteller, die infolge dessen die Preise und Nutzungskonditionen für ihre Produkte nach Belieben diktieren konnten. Noch immer wird seitens großer Player auf dem Software-Markt zumindest der Anschein erweckt, dass sich der Handel von Zweitlizenzen in einer Grauzone abspielt. Das ist schlichtweg falsch, wie mehrere Gerichtsurteile zugunsten des Gebrauchtsoftware-Handels bestätigen.

Diese Urteile zeigen inzwischen Wirkung: Betrug das geschätzte Volumen des Gesamtmarktes für Second-Hand-Software in Europa vor sieben Jahren noch rund 15 Millionen Euro (zwölf davon in Deutschland), ist es bis 2019 auf rund 60 Millionen Euro gewachsen, wobei 45 Millionen davon auf dem deutschen Markt umgesetzt werden.

Führende Anbieter stehen beratend zur Seite

Die Rechtslage ist also einwandfrei geklärt und mittlerweile auch den meisten Entscheidern bekannt. Das alleine reicht aber noch nicht: Viele wünschen sich eine umfassende Beratung. Ein nachvollziehbarer Wunsch, denn in den meisten Unternehmen ist die IT-Infrastruktur ein hochkomplexes Gebilde. Führende Anbieter verfügen deshalb über spezialisierte Lizenzexperten, die etwa hybride Serverkonzepte oder Core-Lizenzierung in all ihren möglichen Ausprägungen kennen und dementsprechend kompetent zur Seite stehen können.

Diese Lizenzexperten unterstützen auch bei der Analyse des Soll-Ist-Zustandes der im Unternehmen genutzten Lizenzen. Bei dieser werden häufig Über- oder Unterlizenzierungen entdeckt, die jeweils unnötige Kosten verursachen können. Die Analyse ist außerdem nützlich, um den genauen Bedarf eines Unternehmens zu definieren. Sind zu wenige Lizenzen vorhanden, kann diese Lücke durch gebrauchte Lizenzen ausgefüllt werden. Doch was, wenn die Analyse überflüssige Lizenzen zu Tage fördert? Eine Möglichkeit ist, sie zu veräußern. Gebrauchtsoftware-Händler haben meist noch Verwendung für die nicht mehr genutzten Lizenzen und kaufen diese daher auf.

Auch alte Lizenzen besitzen noch Wert

Eine der häufigsten Ursachen dafür, dass Unternehmen im Besitz von ungenutzter Software sind, ist die Migration von einer zur nächsten Version einer Lösung. Soll beispielsweise das MS Office-Paket in aktuellerer Version angeschafft werden, wird die vorherige Variante nicht mehr benötigt. An dieser Stelle entstehen gleich mehrere Chancen, Geld einzusparen. Denn: Nicht immer macht es Sinn, die allerneueste Office-Version einzukaufen. Im Normalfall werden die darin enthaltenden neuen Funktionen gar nicht benötigt. Der Kauf von Gebrauchtsoftware in Kombination mit dem Verkauf der nicht mehr genutzten Lizenzen ist ein gutes Geschäft, wie das folgende Beispiel zeigt:

Ein Unternehmen möchte von Office 2013 auf eine neuere Version umsteigen. Durch den Einkauf von gebrauchten 2016er-Lizenzen werden bis zu 70 Prozent gegenüber dem Preis für Office 2019 eingespart. Zur Ersparnis kommt nun der Erlös, der durch die Inzahlungnahme der 2013er-Lizenzen durch den Gebrauchtsoftware-Händler entstanden ist. Das gleiche Verfahren wird einige Jahre später, wenn die nächste Migration ansteht, einfach erneut angewendet.

Bestätigung der Konformität durch Externe

Die wichtigste Frage, die sich Käufer von Gebrauchtsoftware stellen, ist aber natürlich die nach dem Nachweis der Legalität der gehandelten Lizenzen. Nur wenn sie innerhalb der EU vom Urheberrechtsinhaber als Originallizenz und zur zeitlich unbeschränkten Nutzung erworben wurde, ist der Handel konform. Außerdem muss verbrieft sein, dass mit dem Verkauf der Software deren Nutzung auf Seiten des Vorbesitzers eingestellt wird. Idealerweise wird dies durch eine unabhängige externe Stelle bestätigt.

Eine große Sicherheit bietet ein TÜV-IT-zertifizierter Lizenztransfer. Mit der Blockchain ist eine weitere Möglichkeit für die Zertifizierung des Lizenztransfers entstanden, die alternativ oder zusätzlich zum Nachweis des TÜV-IT herangeführt werden kann. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass es nicht ausreicht, als Anbieter lediglich vor und während des Kaufs von zweitverwerteter Software präsent zu sein. Ein Großteil der Käufer wünscht sich einen Service, der über die Anschaffung hinausgeht. Dazu gehört auch die Betreuung bei einem Hersteller-Audit

Was passiert beim Hersteller-Audit?

Doch wie läuft ein solches Audit ab? Meist beschicken Hersteller wie Microsoft Unternehmen mit einer Tabelle und fordern das Ausfüllen des Dokumentes. In dieser Tabelle soll eingetragen werden, wie viele PC-Arbeitsplätze vorhanden sind und wie viele Mitarbeiter an diesen arbeiten. Auf diese Weise möchten Hersteller Unterlizenzierungen aufdecken, denn aus dem eigenen Datenbestand wissen sie ja, wie viele Lizenzen sie diesem Unternehmen verkauft haben.

Besteht eine Differenz zwischen der angegebenen und der angenommenen Zahl, wird eine Nachlizenzierung gefordert. Aus Angst vor ernsten juristischen Konsequenzen wählt so mancher das vermeintlich kleinere Übel und kommt der Aufforderung nach. Ist aber gebrauchte Software im Einsatz, ist es nur logisch, dass sich die Zahlen von Hersteller und Unternehmen unterscheiden. Die Nachlizenzierung ist hier also ein Fall von unnötigem vorauseilendem Gehorsam. Geben die Software-Nutzer aber an, dass sie gebrauchten Lizenzen einsetzen, führt dies meist dazu, dass Hersteller die entsprechenden Nachweise einfordern.

Was ist also zu tun? Manchen mag es überraschen, doch meistens ist ein erfolgsversprechender Lösungsweg die Verweigerung der Auskunft. Denn: Es gibt normalerweise schlicht keine Rechtsgrundlage dafür, dass Software-Hersteller diese Art der Prüfung durchführen. Es sei denn, die Auskunftspflicht wurde vertraglich festgelegt. Häufig jedoch - das zeigt die Erfahrung - ziehen sich Hersteller bereits zurück, wenn das Ausfüllen der Tabelle verweigert wird. Aus dem einfachen Grund, dass sie nicht berechtigt sind, die entsprechenden Informationen einzufordern.

Auch im zweiten Fall, wenn also die Tabelle ausgefüllt wird, das Unternehmen darin aber angibt, zweitverwertete Lizenzen zu nutzen und die entsprechenden Nachweise angefordert werden, ist Verweigerung ein probates Mittel. Denn bei den angefragten Informationen handelt es sich um Geschäftsgeheimnisse, die nicht weitergegeben werden müssen. Dennoch lohnt sich der Einschüchterungsversuch für Hersteller häufig, weil vielen nicht bewusst ist, dass die rechtliche Grundlage fehlt.

Cloud-Angebote bedrohen Gebrauchtsoftware-Markt nicht

Rechtssicherheit, umfassender Service und das gesteigerte Bewusstsein für die Existenz eines legalen Marktes für Gebrauchtsoftware haben dafür gesorgt, dass der Handel mit Zweitlizenzen an Fahrt gewonnen hat. Die positive Entwicklung des Marktes wird sich weiter fortsetzen. Denn das volle Marktpotenzial ist heute noch nicht erschlossen: In Europa beträgt das geschätzte Volumen etwa 1,4 Milliarden Euro, wobei 380 Millionen davon auf Deutschland entfallen. Es gibt also noch Luft nach oben. Daran ändern auch die vermehrten Cloud-Angebote der großen Software-Hersteller nichts.

Denn: Software On-Premise zu betreiben, bietet für viele Unternehmen nach wie vor Vorteile gegenüber "angemieteter" Software aus der Cloud. So handelt es sich bei den Gebühren für die Lizenznutzung in der Cloud um laufende Kosten, die regelmäßig anfallen. Die Anschaffung eine On-Premise-Lösung ist dagegen ein einmaliges Investment. Wird an dieser Stelle auf gebrauchte Software gesetzt, lassen sich große Einsparpotenziale erschließen.

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