Geforce raus - All-In-Wonder rein

24.01.2002
Der erfolgsverwöhnte Grafikchip-Hersteller Nvidia musste in den letzten Tagen eine Schlappe hinnehmen. Das Unternehmen Guillemot, das unter dem Handelsnamen Hercules Grafikkarten mit Nvidia-Chips vertreibt, will auf den Konkurrenten ATI umschwenken.

Unbestritten hat Nvidia in den letzten Jahren den Sprung an die Spitze der Grafikkarten-Hersteller geschafft. Der letzte große Coup sind die Grafikchips für die X-Box von Microsoft. Auch bei Apple konnte Nvidia den Konkurrenten ATI herauskicken. In den neuen Imacs versehen jetzt Grafikchips vom Typ Geforce 2mx den Dienst. In den nächsten Modellen soll eine schleichende Migration zum neuen NV17 erfolgen.

Aber nicht nur Gutes hat das Unternehmen zu vermelden. Nachdem Gigabyte, das bislang nur Nvidia-Chips verbaute, jetzt auch ATIs Chips einsetzen will, wendete sich letzte Woche der französische Hersteller Guillemot von Nvidia ab. Die komplette Abkehr von Nvidia kam aber nicht plötzlich, sondern erfolgte schleichend. Schon vor einem Jahr entschloss sich Guillemot, zusätzlich zu den Chips von Nvidia auch den Kyro von ST Microelectronics ins Portfolio aufzunehmen. Das war natürlich Nvidia ein Dorn im Auge. Das Unternehmen reagierte sauer, und bald kursierte im Internet eine Präsentation, die Fehler im Grafikchip von STM aufzeigte.

Aber danach beruhigten sich die Gemüter wieder, und Guillemot lieferte unter dem Label Hercules Grafikkarten beider Chiplieferanten. Nvidia zeigte sich zwar leicht verschnupft, belieferte aber Guillemot weiter mit Chips.

Ende letzter Woche konnte sich Guillemot die Alleinvertriebsrechte in Europa von ATIs neuer Wunderkarte der All-in-Wonder Radeon 8500 (siehe ComputerPartner 49/01, Seite 92) sichern. Die Gespräche dazu begannen schon im Sommer.

Andreas Müller, Geschäftsführer von Guillemot Deutschland, zeigt sich begeistert. "Direkt nach der Ankündigung, dass wir jetzt ATI-Produkte vertreiben, stand unser Telefon nicht mehr still. Viele Kunden riefen an, beglückwünschten uns und fragten, wann wir liefern können."

Grafikkarten von der Stange

"Wir sind jetzt nicht mehr von Nvidia abhängig", so Müller, "den Budget-Markt können wir mit den Kyro-Produkten bedienen, und im Highend-Segment sowie in den mittleren Preisklassen haben wir jetzt ATI-Karten im Portfolio."

In den letzten Wochen hat Guillemot immer weniger Grafikchips von Nvidia geordert. "Wir haben uns von Nvidia nicht mit einem Krach verabschiedet", erklärt Müller, "wir haben einfach nur weniger bestellt." Das Geschäft mit Nvidia sei immer schwieriger geworden, denn das Unternehmen habe regelrechte Starallüren entwickelt, beklagte sich Müller.

Mit der eingeführten Marke Hercules verliert Nvidia einen wichtigen Vertreiber von Grafikkarten in Deutschland. Besonders in den Retail-Märkten hat Guillemot mit seinen Hercules-Karten in den letzten Wochen richtig abgeräumt. "Im letzten Weihnachtsgeschäft konnten wir den Grafikkartenumsatz von 28 Prozent auf 32 Prozent steigern", freut sich Müller.

Marktführer Nvidia?

Bei Gamern stehen Nvidias Grafikkarten immer noch hoch im Kurs. Aber der Spielemarkt ist nicht alles. Außerdem hat ATI mit der Radeon 8500 einen Grafikprozessor auf den Markt gebracht, der es ohne weiteres mit Nvidias Prozessoren aufnehmen kann. Und mit der neuen All-In-Wonder hat ATI einen großen Trumpf im Ärmel. Die Karte wendet sich an alle Multimedia-Anwender und bietet gleichzeitig genügend Rechenpower, um auch Hardcore-Gamer nicht im Regen stehen zu lassen. Die Karte wird bei Guillemot zur Cebit vorgestellt und ist ab Anfang März im Handel. Müller möchte mit ATI noch weitere Verhandlungen führen, um auch die anderen Karten und Chips ins Portfolio aufnehmen zu können. "Damit können wir vom reinen Office-Produkt über Einstiegskarten bis hin zur Highend-Karte alles anbieten", freut sich Müller. "Außerdem ist noch nicht gesagt, dass wir nie wieder Karten von Nvidia vertreiben werden. Das wird sich erst in Zukunft zeigen."

ComputerPartner-Meinung:

Nvidia ist in letzter Zeit sehr stark gewachsen und will in jedem wichtigen Segment mitspielen. Das kostet aber Ressourcen, die dann an anderer Stelle fehlen.

Unbestritten gehören Nvidias Grafikchips mit zu den Besten, die man zurzeit kaufen kann. Doch nun hat ATI aufgeholt, und Nvidia muss erkennen, dass es noch weitere große Player im Grafiksegment gibt. Warum auch nicht? Konkurrenz belebt das Geschäft, und der Kunde und auch der Handel können sich über ein breites Angebotsspektrum freuen. (jh)

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