Gegen den Trend: DIHK prognostiziert für 2002 ein schwaches Konjunkturjahr

24.01.2002
Bei den Analysten herrscht Aufbruchstimmung: Spätestens zur Jahresmitte, so die Prognosen, werde es mit der Wirtschaft wieder aufwärtsgehen. Franz Schoser, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), warnt vor so viel Euphorie: Nach einer aktuellen Umfrage der DIHK wird auch 2002 wieder ein schwaches Jahr werden.

Das Jahr 2002 wird ein schwaches Konjunkturjahr", sagt Franz Schoser, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Damit agiert er gegen den aktuellen Trend: Die meisten Marktforscher und Analysten sind sich sicher: Der Aufschwung kommt spätestens Mitte 2002, die Talsohle der Krise sei bereits überwunden.

Die Prognosen widersprechen aber der traditionellen Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), die auch Ende 2001 bei mehr als 25.000 Unternehmen in Deutschland durchgeführt wurde. Schoser: "Die Wirtschaft rechnet derzeit für 2002 nicht mit einer schnellen Belebung der Wachstumskräfte."

Der Export dürfte zwar im nächsten Jahr der deutschen Konjunktur Halt geben, so die Erkenntnis, doch vom Inland erwarte man wegen steigender Sozialabgaben und diverser Steuererhöhungen zunächst keine positiven Anstöße. Keine guten Aussichten für die deutsche Wirtschaft, meint der Manager: "Die Investitionsaussichten sind deutlich eingetrübt. Die Beschäftigung wird weiter zurückgehen."

Zudem, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage, habe sich das beschäftigungspolitische Paradoxon - hohe Arbeitslosigkeit einerseits, hoher Fachkräftemangel andererseits - weiter verschärft. Insgesamt gaben 39 Prozent der 25.000 Unternehmen an, offene Stellen nicht besetzen zu können. 13 Prozent der Befragten wiesen zudem darauf hin, das sie 2001 sogar noch größere Schwierigkeiten hatten, geeignetes Personal zu finden, als im - konjunkturell guten - Jahr 2000.

Arbeitskräftemangel bremst

Vor allem Industrie- und Dienstleistungsunternehmen suchen mit 44 beziehungsweise 43 Prozent überdurchschnittlich häufig und ohne Erfolg nach Arbeitskräften. Während die Probleme in Branchen wie dem Ernährungs-, Textil- und Kleidungsgewerbe sowie in der Bauwirtschaft vergleichsweise gering ausfallen, sind die Quoten bei den technisch orientierten Berufen besorgniserregend: 60 bis 70 Prozent der Maschinenbauer und 50 Prozent der Firmen in der Autoindustrie finden keine Mitarbeiter, bei den Softwareunternehmen sind es knapp 60 Prozent.

Gerade bei großen Firmen erweist sich das Personalproblem zunehmend auch als Wachstumsbremse: 50 Prozent der Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern finden keine Leute, bei kleineren Unternehmen sind es "lediglich" 30 Prozent. Die meisten können ihre expansiven Planungen als Folge des Arbeitskräftemangels nicht umsetzen. Rund zwölf Prozent der Betriebe konnten aufgrund des Personalproblems ihre Serviceangebote nicht ausweiten beziehungsweise mussten diese inzwischen sogar verringern.

Die Unternehmen suchen in erster Linie Ingenieure der verschiedensten Fachrichtungen und technisch qualifizierte Facharbeiter. Mit 47 Prozent ist der Anteil der Unternehmen, die im Ingenieur- und Facharbeiterbereich offene Stellen nicht besetzen können, mindestens doppelt so hoch wie in anderen Berufen. Im IT-Sektor beträgt der Anteil 20 Prozent. Von den Dienstleistungsunternehmen ist sogar ein Drittel auf der Suche nach IT-Spezialisten.

Vor allem bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern fehlen in überdurchschnittlichem Maße Ingenieure und technische Facharbeiter (55 Prozent) sowie IT-Spezialisten (35 Prozent). Bei kleineren Betrieben ist die Suche nach Mitarbeitern mit kaufmännischer Qualifikation (27 Prozent) und nach Serviceberufen (30 Prozent) deutlich stärker ausgeprägt.

Die Unternehmen wollen mehrheitlich Mitarbeiter mit einem Abschluss des dualen Ausbildungssystems. An zweiter Stelle der Qua- lifikationen stehen mit gut einem Drittel der Unternehmen Absolventen von Fachhochschulen, ein Viertel bevorzugt Hochschulabsolventen.

Als Hauptursache für die Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen nennen zwei Drittel der Unternehmen die mangelnde Qualifikation beziehungsweise die fehlende Berufserfahrung der Bewerber. Mehr als 40 Prozent der Unternehmen gaben an, dass für manche ausgeschriebene Stelle erst gar keine Bewerbung eingegangen ist. Zu hohe Lohn- und Gehaltsvorstellungen nennt mehr als ein Drittel der Befragten - vor allem unternehmensorientierte Dienstleister - als Einstellungshemmnis.

Ganze 30 Prozent der Firmen weisen auf die mangelnde Motivation und teilweise auch geringe zeitliche Flexibilität der Bewerber hin. Fünf Prozent der Betriebe verzichten auf eine Einstellung, weil ihnen der Bewerber zu alt ist.

Die Hauptantwort der Wirtschaft auf den Fachkräftemangel besteht 2002 in einer Intensivierung der Aus- und Weiterbildung. Hier wollen sich fast 60 Prozent der Unternehmen künftig stärker engagieren. 44 Prozent der Unternehmen sehen in einer Rationalisierung der Produktions- und Geschäftsabläufe einen Weg, mit dem Fachkräfteproblem umzugehen. Rund ein Drittel will durch eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeiten den Mangel kompensieren. Immerhin 13 Prozent der Firmen planen eine zusätzliche oder längere Beschäftigung älterer Arbeitnehmer. Zwölf Prozent könnten sich auch vorstellen, Mitarbeiter im Ausland zu suchen.

Kurzfristig ist nach Meinung von Schoser dennoch keine Besserung in Sicht. Maßnahmen wie ein modernes Zuwanderungsrecht und ein Paradigmenwechsel zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer seien ebenso erforderlich wie die schnellere Erarbeitung neuer Berufe und eine Ausweitung der Ganztagskindergarten und -schulplätze, die Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern würden. "Der falsche Weg wären milliardenschwere Konjunkturprogramme und eine höhere Verschuldung. Japan und die eigenen Erfahrungen aus den 70er-Jahren sollten abschrecken", so Schoser. Schnell müsse die Steuerbremse gezogen werden: "Die Bundesregierung muss weitere Belastungen vermeiden wie höhere Ökosteuer, höhere Versicherungs- und Tabaksteuer oder höhere Sozialversicherungsbeiträge".

www.dihk.de

ComputerPartner-Meinung:

Die Stimmung in deutschen Unternehmen scheint keineswegs so gut zu sein, wie die meisten Marktforscher derzeit behaupten. Dennoch darf gehofft werden: Darauf, dass der Fachkräftemangel doch nicht zur Wachstumsbremse wird. Und darauf, dass die schlechte Stimmung, die bei der Herbstumfrage herrschte, inzwischen einem optimistischen "Jetzt erst recht" gewichen ist. (mf)

Zur Startseite