Gehen Sie auf Tuchfühlung: Kundenzufriedenheit entsteht durch Vertrauen

03.06.1998

MÜNCHEN: Der Aufbau einer Kundenbeziehung läßt sich nur über eine gute Kommunikation mit dem Kunden realisieren. Neue technische Verfahren oder Vertriebswege sagen darüber allerdings wenig aus. Das Schlagwort dazu: Beziehungsmanagement. Wer nicht nur Verkäufer oder Kundenberater sein will, muß die Fähigkeit entwickel, in die Haut des Kunden zu schlüpfen, eine Vertrauensbasis aufzubauen und somit eine besondere Nähe zum Kunden zu entwickeln. Ein Beitrag von Helmut Seßler*.Der Stellenwert der persönlichen Beziehung zum Kunden ist zwar allen bewußt, an der Umsetzung und Einschätzung dieses Potentials jedoch mangelt es allzuoft.

Es reicht heute nicht mehr aus, seinen Verkäufern nur neue Strategien und neue Produkte an die Hand zu geben. Es ist auch nicht damit getan, schöne PC-Arbeitsplätze zu schaffen und Einzelberatungsplätze einzurichten, ebensowenig stellt eine bessere Fachausbildung sicher, daß mit dem Kunden mehr Geschäfte zustande kommen.

Neue Produkte und qualifizierte Beratung genügt nicht mehr

Viele Verkaufs- und Produktivitätssteigerungsprogramme sowie Konzeptionen neuer Vertriebswege sind technische Verfahrenswege und sagen noch nichts über eine gute und angemessene Kommunikation mit dem Kunden aus. Es reicht heute eben nicht mehr aus, nur qualifizierter Berater zu sein; zum wesentlichen Erfolgsfaktor im Wettstreit um Marktanteile ist das Beziehungsmanagement geworden - nämlich die Kunst, dem Kunden nahe zu sein. Oftmals stehen heute beim Aufbau einer Kundenbeziehung die Anzahl der Kundenkontakte und die Kundenzuordnung als wichtigste strategische Überlegung im Raum. Doch dies allein ist zu wenig. Sicher sind Fachwissen sowie die Häufigkeit der Kundenkontakte für den Berater wichtig, aber dies ist nur die Einstiegsbasis für ein erfolgversprechendes Vertrauensverhältnis. Das Ziel jedoch erreicht man oft über andere Wege.

Auf Tuchfühlung mit dem Kunden

In einem der meistgelesenen Management-Bücher aller Zeiten, "Auf der Suche nach Spitzenleistungen" von Peters/Waterman, ist eine Studie veröffentlicht, in der amerikanische Unternehmen untersucht wurden. Geforscht wurde nach dem "Geheimrezept" für Unternehmenserfolge. Die Antwort war schließlich ganz einfach und ist in jenem Buch auf eine besonders schöne Art und Weise beschrieben. Die Quelle der größten Kundenzufriedenheit liegt in der Tuchfühlung mit dem Kunden.

Es herrscht allgemein Einigkeit darüber, daß es dem Kunden nicht so sehr auf eine objektive, vielleicht sogar meßbare Beratungsleistung ankommt. Der Erfolg einiger Unternehmen liegt einfach darin begründet, daß deren Mitarbeiter eine besondere Nähe zu den eigenen Kunden aufgebaut haben - nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Das bedeutet, daß eine Grußkarte oder ein persönlich überreichter Blumenstrauß genauso wichtig sind wie ein nettes Wort oder eine Einladung zum Essen, ein ehrlich gemeintes Kompliment oder eine angenehme Plauderei bei einem Kaffee in entspannter Atmosphäre.

Auf den Mitarbeiter kommt es an

Es sind nicht die Organisationsgröße des Konzerns oder die schönen Gebäude, die das Image eines kundenorientierten Unternehmens ausmachen, es ist in besonderem Maße der Mitarbeiter, der für das Beziehungsmanagement verantwortlich ist. Die Verbindlichkeit und Freundlichkeit des Verkäufers in der Werbung wird nur dann Wirkung zeigen, wenn der Kunde sie auch selbst erfährt. Wieviele lieb gewordene Kunden betreuen Sie selbst, die Ihnen von ihren Kindern und Enkeln, vom letzten Urlaub oder vom Geburtstag berichten und ganz nebenbei zum 6. oder 7. Mal mit Ihnen Geschäfte machen?

Vertrauen ist die beste Erfolgsbasis

Es ist nicht immer nur die fachliche Beratung notwendig, sondern das vorhandene Vertrauensverhältnis, welches Sie permanent pflegen und ausbauen sollten. Bereits ein persönlicher Brief zu einem geeigneten Anlaß, von Mensch zu Mensch und von Hand geschrieben, verfehlt seine Wirkung nicht.

Schlüpfen Sie in die Haut des Kunden

Heute sollten Kundenberater nicht nur auf fachspezifisches Denken - "Wie argumentiere ich?" - ausgebildet, sondern an eine zukünftige Denkweise herangeführt werden - "Wie kann ich in die Haut des Kunden schlüpfen?". Beziehungsmanager zu sein heißt auch, selbst Kundenverantwortung zu übernehmen.

Bestimmen Sie selbst, ob Sie nur Kundenberater oder Verkäufer sein wollen oder die Herausforderung annehmen, Beziehungsmanager zu werden. Dies beginnt ganz einfach mit einem freundlichen Gesicht und einem höflichen, aufmerksamen Verhalten, und das nicht nur zu den netten und liebgewordenen Kunden, sondern zu all Ihren Kunden. Es beinhaltet auch, im Kopf des Kunden denken zu können und in seiner Sprache zu sprechen. Der Kunde muß wissen, daß sein Ansprechpartner in allen Problemlagen für ihn da ist, für seine Probleme ein offenes Ohr hat, seine Wünsche immer wieder neu erforscht und fragt: "Was könnte für meinen Kunden jetzt wichtig sein?"

Vom Verkäufer zum Beziehungsmanager

Dieser Umdenkprozeß wird untermauert durch den Prozeß der Veränderung unserer Werte. Was früher Hierarchie war, heißt heute Team. Was früher Disziplin war, nennt man heute Selbstbestimmung. Das Wort Karriere heißt heute Persönlichkeitsentfaltung und Effizienz wird durch Kreativität ersetzt, genauso wie Kundenberater und Verkäufer durch Beziehungsmanager. Der Beziehungsmanager als kundenorientierter Verkäufer von Produkten und Dienstleistungen hat heute die vielfältigsten Aufgaben. Ein Zitat von Henry Miller besagt: "Spezialisten sind Leute, die nur eine Saite auf ihrer Fidel haben." Ziehen Sie möglichst viele Saiten auf Ihre Geige, denn heute sind noch weitere Komponenten für ein erfolgreiches Beziehungsmanagement von Bedeutung.

* Helmut Seßler ist Geschäftsführer der Intem-Trainingszentrale in Mannheim.

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