Geht Taiwan langsam die Puste aus?

21.06.2001

Zum 20. Mal tobte vom 4. bis 8. Juni in Taipeh, der Hauptstadt des kapitalistischen China auf Taiwan, die Computex. Auch wenn die drittwichtigste IT-Messe erstmals wieder mehr internationale Aussteller angezogen hatte, waren - vom Standpersonal abgesehen - diesmal auffällig wenige Europäer und Amerikaner unterwegs. Während Asus-Vertriebsmann Martin Glöckner das auf einen sinkenden Unternehmergeist zurückführt, rät Sven Hollemann, Chefeinkäufer für CPUs, Mainboards, Grafikkarten und Gehäuse bei Ingram Micro, kleineren und mittelgroßen Handelshäusern sogar regelrecht ab, die mühsame Reise nach Taipeh anzutreten: "Händler würden ob der Unprofessionalität selbst vieler bekannter Hersteller schnell enttäuscht sein und sich mit Entsetzen abwenden."

Nachdem sich die Hardware-Produktion von Taiwan immer mehr nach China verlagert, ist es - darin sind sich viele einig - nur noch eine Frage der Zeit, bis dort auch die Messemusik spielt. In Shanghai zum Beispiel, wo im August der Probelauf der Cebit Asia stattfindet. Für die um internationale Anerkennung ringende Regierung in Taipeh dürfte das allemal ein großer Imageschaden sein. Und das nicht nur im Ausland. Als Chen Shuibian von der bis Ende der 80er Jahre noch verbotenen Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) im Frühjahr letzten Jahres neuer taiwanischer Präsident wurde, flogen ihm zunächst viele Sympathien zu. Doch mit dem Machtwechsel nach über 50 Jahren strenger KMT-Herrschaft sind auch die alten Seilschaften zwischen der einheimischen Industrie und der Regierung zerrissen. Das hat zur Folge, dass ihm die Wirtschaftsbosse zusehends das Vertrauen entziehen und sich immer weniger sagen lassen. Schon gar nicht, was Investitionen in China angeht. Diese nehmen allerdings ein immer bedrohlicheres Ausmaß an. Denn je mehr im kommunistischen Feindesland investiert wird, desto mehr begibt sich Taiwan in Abhängigkeit von China und desto mehr macht sich auf der Insel die Angst vor einer Wirtschaftskrise, Kapitalflucht und Arbeitslosigkeit breit. Alles befindet sich im Sinkflug: Aktienkurse, Immobilienpreise und auch die erst Ende der 80er-Jahre entdeckte Kauflust. Die Angst vor einer Wirtschaftskrise, der ersten seit Jahrzehnten des Aufschwungs, ist also nicht ganz unbegründet.

Über mangelnde Auftragszahlen können sich die Unternehmen Taiwans trotz Absatzkrise in Amerika und Europa wirklich nicht beklagen. Schließlich haben IT-Riesen wie Compaq, Dell, NEC und Fujitsu Siemens, um Kosten zu sparen, ihre OEM-Orders in Taiwan dieses Jahr stark aufgestockt (siehe Seite 24). Und auch wenn die Volksrepublik der Insel schon den Rang als drittwichtigstes IT-Herkunftsland abgelaufen hat, landen 70 Prozent der Umsätze Chinas in den Taschen der Taiwaner. Fragt sich nur, wie viel davon wirklich in Taiwan ankommt und nicht am einheimischen Finanzmarkt vorbei in China reinvestiert oder im Ausland angelegt wird. Solange die Qualität stimmt und durch die Krise am taiwanischen Kapitalmarkt nicht die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird, kann den Europäern und Amerikanern die wachsende Verlagerung der Produktion nach China nur recht sein. Schließlich sorgt sie für stabile, wenn nicht sogar sinkende Preise.

Klaus Hauptfleisch

khauptfleisch@computerpartner.de

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