Genicom nach dem Konkurs: ein Hauch von Freiheit

31.08.2000
Der Druckerhersteller Genicom geht in Europa und den USA gestärkt aus dem Konkurs des Mutterhauses hervor: Mit neuen, finanzkräftigen Partnern will man im Markt wieder Präsenz zeigen. Der deutsche Geschäftsführer Jürgen Fischer freut sich über eine neue Art von Freiheit.

Das Mutterhaus hat sich verspekuliert", bringt es Jürgen Fischer, Geschäftsführer der Genicom GmbH in Halbergmoss bei München, auf den Punkt. "Der Ausflug in die Servicewüste ist in die Hose gegangen." Während es die letzten zwölf Monate recht still um den Druckerhersteller geworden ist, brodelte es im Inneren ganz gewaltig: Man habe in dieser Zeit unter anderem versucht, sich ein zweites Standbein mit "Professional Services" zu schaffen, erzählt Fischer. Doch der Laptop-Repair-Service für Compaq erwies sich als Fehlgriff, ebenso wie das Riesendepot in Kentucky, welches Ende 1999 wieder geschlossen werden musste. "Massive Verluste und große Investitionen" wie beispielsweise die Einführung von Oracle als ERP-System - "etwa 20 Millionen" - hätten der Zentrale den Rest gegeben, so Fischer. "März 2000 war dann Schluss."

Vertrieb soll ausgebaut werden

Ohne viel Aufsehen zu erregen, wurden anschließend einige Bereiche - wie das Servicegeschäft in Kanada oder das Airline-Business - verkauft, seit kurzem ist auch das Druckergeschäft unter einem neuem Dach. Das US-Geschäft hat die Sun Capital Partners Inc übernommen, die jetzt als neu formierte Genicom LLC am Markt agiert. Deren President und CEO, Art Gallo, ist ein alter Bekannter: "Er war lange Zeit bei Genicom, ging aber vor zwei oder drei Jahren mit den damaligen Teilhabern im Streit auseinander", erklärt Fischer und grinst: "Jetzt kommt einer zurück, der sagen kann: Ich hab’s euch gleich gesagt, dass das nicht funktioniert."

Die Geschäftsaktivitäten außerhalb des amerikanischen Kontinents hat die italienische Finmek SpA erworben. "Eine Holding, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, interessante Bereiche aus der IT-Branche zu kaufen, allerdings unter Beibehaltung des Namens und der Marke", erklärt Fischer. Zu Finmeks Töchtern gehören auch die Olivetti-PCs und Bull Compuprint. Von der neuen Kombination verspricht sich Fischer gute Synergieeffekte: "Compuprint ist jetzt beispielsweise eine Schwestergesellschaft, die eine Fabrik, Entwicklungsabteilungen und Ähnliches hat. Ich bin sicher, dass sich das in sechs bis zwölf Monaten zu unserem Vorteil auswirken wird."

Mit der neuen Unternehmensstruktur ist der Geschäftsführer absolut zufrieden: "Es gibt beim Einkauf keine Auflagen mehr vom Mutterhaus, sondern nur noch eine Art Provisionsabkommen mit der Schwestergesellschaft." Die neue Freiheit wirke sich auch auf das Produktportfolio aus: "Wir sind jetzt wesentlich flexibler, können uns schneller den Anforderungen des europäischen Marktes anpassen, gegebenenfalls selber entscheiden, welche Produkte wir entwickeln und anbieten", sagt Fischer, der auch über die Niederlassungen in Österreich, der Schweiz und in Osteuropa wacht. "Früher war das nicht möglich, da gingen die Entscheidungen von den USA aus: Man musste ewig diskutieren. Wenn es in Europa aktuell einen Markt für Passport-Drucker gibt, dann bringen wir jetzt eben einen."

Große personelle Auswirkungen habe der Umbruch auch nicht nach sich gezogen: Man habe ein wenig "ausgedünnt", so Fischer, dafür werde man den Vertrieb in Zukunft weiter ausbauen, man habe bereits neue Kräfte eingestellt. Der Geschäftsführer blickt positiv in die Zukunft. Schließlich sei die deutsche Tochter auch nie in finanziellen Schwierigkeiten gewesen und schon immer auf einer soliden Basis gestanden. Zwar will Fischer keine konkreten Zahlen nennen, meint aber: "Wir waren schon immer ganz gut und können ein stabiles Großkunden- und Ostgeschäft vorweisen. Sonst hätten wir die Probleme des Mutterhauses nicht so gut überlebt."

Auch sonst sieht Fischer viel Potential: "Der Nadeldruckermarkt ist nicht tot, sondern immer noch jenseits der 200 Millionen. Und in Deutschland scheiden die Mitbewerber schneller aus, als der Markt schrumpft. Damit bleibt mehr für uns." Fischer will künftig außerdem die osteuropäischen Länder stärker beackern, von neuen Druckersegmenten lässt er aber lieber die Finger: "In den Laserdruckermarkt brauchen wir nicht gehen, der ist besetzt, und wir sind dafür um Faktor zehn zu klein", gibt Fischer zu. Dem neuen Selbstbewusstsein tut das keinen Abbruch: "Wir positionieren uns hoch erhobenen Hauptes als Nischenanbieter." (mf)

www.genicom.de

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