Gericom-Service: Von der Pole-Position zurück in die letzte Startreihe?

12.07.2001
2001 ist die österreichische Gericom AG der Shooting-Star im deutschen Consumer-Markt mit ihren Billig-Notebooks. Aber alles hat seinen Preis: Die Assemblierung von ungetesteten Komponenten bringt technische Probleme und damit die Endkunden auf die Palme. Und entsprechende Service- und Supportleistungen sind für die Österreicher wohl ein Buch mit sieben Siegeln.

Im derzeit flauen Consumergeschäft hat Notebook-Newcomer Gericom im ersten Halbjahr 2001 eine tolle Performance aufs Parkett gelegt - zumindest, was die verkauften Stückzahlen angeht. Selbst einem Edelanbieter wie Toshiba konnte der B-Brand-Hersteller aus Österreich Respekt einflößen: In Neuss rechnet man bereits damit, als Marktführer abtreten zu müssen.

Aber ganz so rund läuft es dann für Gericom doch nicht: Denn technische Probleme und katastrophale Zustände in der Service- und Supportabteilung schädigen das Image des Billiganbieters beim ungnädigen Endkunden. Unter der Überschrift: "Das Grauen des Service heißt Gericom", tobt sich im Internet-Meinungsforum unter www.ciao.com ein völlig entnervter Anwender aus: "Heißlaufen, Abstürze und grauenhafter Service. Mein Tipp: Finger weg von Gericom! Wer so mit seinen Kunden umgeht - einen defekten Laptop ewig lang einlagern, nicht erreichbar sein und dann eine horrende Rechnung für die Reparatur ver-langen - mag zwar (mittlerweile) brauchbare Laptops bauen, von Service kann jedoch keine Rede sein." Alexander Waeldin aus Mannheim schickte gleich einen Leserbrief an die "Wirtschaftswoche", den das Magazin prompt veröffentlichte: "Nach Einsenden des Notebooks und einer dreiwöchigen Reparaturzeit waren Treiber-Fehler nicht behoben. Im Gegenteil: Dem vorher einwandfrei funktionierenden Akku geht nun schon nach wenigen Minuten die Luft aus."

Die technischen Probleme und damit der Ärger der Gericom-Kunden sind hausgemacht. Hintergrund: Gericom kauft in Asien zu Spottpreisen Komponenten bei verschiedenen Lieferanten ein - und das, ohne das Zusammenspiel der verwendeten Teile vorher zu tes-ten. So hat bereits Toshiba darauf hingewiesen, dass die Japaner aufgrund ihres Qualitätsanspruchs nicht mit den Billigpreisen der Österreicher mithalten könnten, da Gericom beispielsweise günstigere Desktop-CPUs für seine Schnäppchen-Laptops verwende.

Für den Billig-Anbieter ist dagegen alles im grünen Bereich: "Gericom baut ausschließlich Intel-Prozessoren ein. Für unsere 1-GHz-Laptops nehmen wir tatsächlich Desktop-CPUs, die aber Notebook-tauglich sind. Das haben wir getestet. Zur Sicherheit gibt es in diesen Geräten eine zusätzliche Hitzedämmung", erklärt Gerhard Leimer, Gericom-Finanzvorstand, im Gespräch mit ComputerPartner (das vollständige Interview lesen Sie in der nächsten Ausgabe 28/01).

Ganz so reibungslos, wie von Leimer dargestellt, klappt das Zusammenspiel allerdings nicht: "Wer schon mal ein Gericom-Overdose-2-Notebook mit 1GHz hatte, wird nach kurzer Betriebszeit festgestellt haben, dass man auf der Tas-tatur auch prima eine Tasse Kaffee warm halten kann und, wenn sie wasserdicht wäre, auch nach einer gewissen Zeit ein Spiegelei braten könnte", kommentiert ein Endanwender unter ciao.com flapsig die Überhitzung seines Gericom-Notebooks. Von höheren Ausfall- oder Rücklaufquoten als bei den A-Brands wie Toshiba, Compaq oder Sony will man bei Gericom aber nichts wissen: " Die Ausfallraten unserer Geräte sind branchenüblich und können sich mit denen von Compaq, FSC und Dell messen", erklärt Leimer. Und ergänzt sicherheitshalber: "Eine Prozentzahl zu nennen, ist schwer, da es ganz unterschiedliche Messverfahren gibt." Die B-Brand-Kollegen von Natcom stoßen ins gleiche Horn: "Bei unseren Notebooks haben wir eine ähnliche Rücklaufquote wie Gericom: um die drei bis vier Prozent." Der Wiederverkauf urteilt anders: "Natürlich haben die B-Brands eine höhere Rücklaufquote: Es gibt Monate, da kommen zwischen 35 und 40 Prozent der Geräte zurück. Das ist halt das Risiko", berichtet ein Mitarbeiter einer PC-Kette.

Die Mitarbeiter der großen Consumer-Electronic-Stores empfehlen gleich ein Markengerät (siehe Kasten). "Natürlich sind die Rückläufe bei den BBrands höher: Um Reklamationen und Stress zu vermeiden, werden Retail-Mitarbeiter immer zuerst ein Markengerät empfehlen. Denn ob der Verkäufer im Media-Markt ein Notebook von Gericom oder Compaq verkauft, kann ihm egal sein: Die Marge bleibt bei ähnlicher Ausstattung gleich", bestätigt ein Gericom-Kontrahent aus dem Notebook-Lager.

Beim Verkauf über die Lidl-Läden dürfte Gericom dagegen besser abschneiden: Hier gibt es keine Be-ratung und auch keine Konkurrenz-Produkte - nur der Preis entscheidet. Dem Vernehmen nach verkauften die Österreicher über die Food-Kette im 1. Quartal 10.000 Stück, wie viele es bei der zweiten Aktion vom 5. Juli sind, weiß man (noch) nicht. Im zweiten Quartal 2001 rechnet Gericom mit einem Absatz von voraussichtlich 56.000 Notebooks (Q2/2000: 30.542 Stück). Den Consumer-Abteilungen von Compaq oder FSC dürften bei diesen Zahlen die Tränen in die Augen steigen.

Allerdings soll es in der verkaufsstarken Partnerschaft zwischen Gericom und Lidl derzeit Knatsch geben: Die Österreicher haben über die Lebensmittelkette 15-Zoll-TFTs für 888 Mark angeboten, aber "vergessen" das Samsung-Panel-Label von dem Monitor zu entfernen. Die deutsche Samsung-Niederlassung fand das wohl wenig spaßig und schickte gleich eine Abmahnung. Lidl hat sich bereits bei Samsung entschuldigt und die Displays vom Markt genommen. Lesen Sie zu diesem Artikel auch den Kommentar auf Seite 8. (ch/kj)

www.ciao.com

www.gericom.com

Es ist nicht alles Gold, was glänzt ...

Die Mitarbeiter der Media-Markt-Saturn-Gruppe, neben Lidl einer der Hauptkunden der Alpenländler, geben sich auf Anfrage nach Gericom-Schnäppchen eher zurückhaltend. Die ComputerPartner-Redaktion fragte mal als Endkunde nach und besuchte verschiedene CE-Outlets. Bei Saturn in der Münchener Kaufingerstraße erkundigten wir uns nach dem "Webboy" mit 1 GHz für 2.999 Mark. Der freundliche Saturn-Mitarbeiter, an einem Montag Nachmittag bei strahlendem Wetter nicht gerade im Stress, nimmt sich Zeit und antwortet ausführlich: "Beim Webboy bekommen Sie viel Leistung für wenig Geld. Die Ausstattung ist zwar gut, aber Gericom verwendet Desktop-CPUs: Der Laptop läuft schnell heiß. Der Kühler ist bei diesem Notebook unten angebracht. Er kann schnell kaputt gehen, zum Beispiel, wenn man das Gerät auf dem Schoß hat", rattert der Saturn-Mann runter - ein Beratungsgespräch, das er wohl nicht zum ersten Mal führt. Der freundliche Mitarbeiter empfiehlt denn auch gleich im Anschluss einen Compaq-Laptop mit ähnlicher Ausstattung für den gleichen Preis oder ein Sony-Notebook für 2.600 Mark mit weniger Ausstattung.

Nächste Station: Media-Markt am Leuchtenbergring rund eine Stunde später. Diesmal fragt ComputerPartner nach dem "Avantgard" von Gericom für 2.500 Mark. Der Media-Markt-Mitarbeiter macht#s kurz und bündig: "Kaufen Sie lieber ein Markengerät von Sony für 100 Mark mehr. Dann haben Sie Qualität mit einer besseren Ausstattung."

Bei Lidl im Münchener Vorort Ebersberg ist man dagegen völlig planlos. Auch hier fragen wir nach dem bereits im Flyer vorgestellten "XGA", 14,1-Zoll-TFT, mit 6-fach-DVD-Toshiba-Brenner für 3.799 Mark. "Oje! Damit kenne ich mich nicht aus. Wenn das Gerät nicht funktioniert, können Sie es ja zurückbringen", meint die Kassiererin, während sie die Mülltüten abrechnet. (ch/kj)

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