Gericoms Pläne nach dem Einstieg von Medion

16.04.2004
ComputerPartner besuchte auf Einladung von CEO Hermann Oberlehner den Notebookhersteller Gericom in seiner Unternehmenszentrale in Linz. Hauptthema der Gespräche war, wie es mit dem Unternehmen weitergeht. Von ComputerPartner-Redakteurin Beate Wöhe

Am 19. März ging es wie ein Lauffeuer durch die Branche und die Messehallen der Cebit. Die Gericom AG gab bekannt, dass sich die Medion AG mit 24,9 Prozent am Grundkapital des Unternehmens beteiligt habe (siehe ComputerPartner 13/04, Seite 12). Während für die Branche klar war, dass die Beteiligung für Gericom ein Rettungsanker war, wurde über die Beweggründe des Geheimniskrämers Medion heftigst diskutiert. Ein weiteres Gesprächsthema war der Einstieg des ehemaligen Fujitsu-Europa-Chefs Winfried Hoffmann, der vor einigen Wochen als Executive Vice President das neue Geschäftsfeld Unterhaltungselektronik bei Gericom übernahm. Auf der Messe machten beide Unternehmen, wie üblich, die Schotten dicht: Einlass auf den Messestand nur für ausgesuchte Besucher und nach Terminvereinbarung.

Knappe zwei Wochen nach diesen Turbulenzen sitzt Hermann Oberlehner in seinem Büro in Linz. Zwar hektisch wie immer, aber auch strukturierter als sonst, macht es den Eindruck. Kein Wort zu Medion - kein Wort zu neuen Strategien. Über das Thema Service (siehe Kasten) fängt er sofort an zu sprechen, denn das scheint ihm wichtiger zu sein als irgendwelche Beteiligungen. "Wir haben über die Jahre hinweg unsere Mankos in diesem Bereich festgestellt und sind seit Januar 2004 mit einem neuen Servicekonzept gestartet", sieht der Gericom-Chef die Versäumnisse.

Da Gericom zwischenzeitlich sowohl im Handel als auch bei den Endkunden für schlechten Service bekannt war, wusste Oberlehner auch, dass es hier mit ein paar kleinen Veränderungen nicht getan ist. "Wir haben zum Beispiel eine neue Software speziell für die Abwicklung des Notebookservice programmieren lassen und im vorigen Jahr sieben Millionen Euro in das Thema Service investiert."

Der Gericom-Chef kümmert sich nach wie vor lieber um Themen wie seine Produkte und den Service (siehe Kasten) als um die Tatsache, dass er vor einigen Wochen ein Viertel seines Unternehmens an einen Erzrivalen abgegeben hat. Dennoch holt ihn die Finanzthematik ein, und er wird auch an diesem Tag wieder einmal einen Termin bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG wahrnehmen müssen.

Einem österreichischen Nachrichtenmagazin zufolge hat Oberlehner gesagt, dass sein Unternehmen kurz vor der Pleite stand, weil die Bank Austria Creditanstalt (BA-CA) Anfang März die Kreditlinie gestrichen habe. Behauptungen, dass Gericom kurz vor dem Abgrund stand, weist Ingo Middelmenne, Head of Investor Relations (IR) bei Gericom, jedoch zurück: "Gericom hatte zum Ende des Geschäftsjahres noch ein Eigenkapital von 57 Millionen Euro. Das Unternehmen hat zwar schon bessere Tage gesehen, aber Vor-dem-Abgrund-stehen wäre hier das falsche Bild."

Der Vorschlag Medion kam von der Bank

Auch die Geschichte mit der Bank will er so nicht stehen lassen. "Das Ganze wurde nicht ganz korrekt dargestellt. Es gibt ein Bankenkonsortium, und wir sind nicht von nur einer Bank abhängig. Das Engagement, um das es hier gegangen wäre, hätte keine Bank von sich aus dazu bewogen, sich aus dem Konsortium zu entfernen", will er vorangegangene Behauptungen richtig stellen.

Den Gesprächen mit dem Bankenkonsortium hat Gericom auch den neuen Partner Medion zu verdanken. "Es gab Interessenten aus dem asiatischen Raum. Der Vorschlag, Medion an Gericom zu beteiligen, kam jedoch von einer Bank aus unserem Bankenkonsortium", erklärt Middelmenne.

Ein weiterer neuer Anteilseigner des Gericom-Kapitals ist die österreichische Beteiligungsgesellschaft Cross Holding AG, deren Vorstand Stefan Pierer sich mit KTM im Motorrad-Rennsport einen Namen gemacht hat. Die Cross Holding ist mit fünf Prozent am Unternehmenskapital beteiligt.

Sowohl für Medion als auch für die Cross-Holding sei es eine reine Finanzbeteiligung. "Für Medion war der Hintergrund zum einen die Finanzbeteiligung, um bei geschicktem Know-how-Transfer auch an dem Unternehmen zu profitieren", sagt Middelmenne. Der zweite Grund, so der IR-Chef, sei es, zu vermeiden, dass ein Asiate bei Gericom einsteigt und somit vielleicht ein komplett anderes Unternehmen entstehen könnte, das für Medion eventuell schwer einzuschätzen wäre.

Home-Entertainment ist die Zukunft

Kurzfristig wollen die beiden Hersteller Synergien anstreben. "Bisher ist eine Zusammenarbeit lediglich in den Bereichen After-Sales und Logistik vorgesehen. Aber beide Unternehmen werden auch in Zukunft eigenständig am Markt agieren und sich eigenständig am Markt finanzieren", berichtet Middelmenne vom aktuellen Stand der Dinge. Dass sich die Medion-Beteiligung auch auf die künftige Produktpolitik der Gericom auswirken könne, sei laut Middelmenne derzeit kein Thema. Ein Gespräch zu diesem Punkt bleibt allerdings abzuwarten, da zum Beispiel eine Einkaufsbündelung bei den asiatischen Lieferanten für beide Unternehmen Sinn machen würde.

Seit einigen Monaten ist Gericom im Home-Entertainment unterwegs. Angst vor den großen, schon seit Jahren in diesem Markt agierenden Herstellern hat Gericom nicht. "Wir gehen im Moment davon aus, dass wir mit DVD-Playern, LCD-TVs und Plasmabildschirmen 20 bis 25 Prozent unseres Umsatzes machen werden", sagt IR-Chef Middelmenne. Der Home-Entertainment-Leiter Winfried Hoffmann habe in diesem Bereich gute Aufbauarbeit geleistet. "Wir werden also im ersten und zweiten Quartal gut ausliefern können", schließt Middelmenne.

Trotz des neuen Produktsegments soll das Notebookgeschäft im Jahr 2004 das Kernumsatzfeld von Gericom bleiben. Die Probleme, die im Notebookservice "zweifelsohne bestanden, sind beseitigt", so Middelmenne. Obwohl es derzeit nicht danach aussieht, dass der Notebookbereich innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre uninteressant werden könnte, habe das Unternehmen jedoch auch keine Probleme, sich zu gegebener Zeit aus diesem Markt zu verabschieden.

Meinung der Redakteurin

Die Medion AG hat mit der Beteiligung an der Gericom AG direkt ins Schwarze getroffen. Sie kann vorhandene Synergien nutzen und macht es eventuellen Wettbewerbern außerdem noch schwerer, ein ähnliches Geschäftsmodell im deutschen Markt zu platzieren. Jetzt sind nicht nur die Schranken in der Essener Medion-Unternehmenszentrale, sondern auch auf dem deutschen Markt für unwillkommene Besucher zu.

Gericom-Serice neu aufgestellt

Von dem ursprünglichen Konzept, den Service mit einem oder zwei großen Anbietern abzudecken, hat sich Gericom verabschiedet. Im vergangenen Jahr schloss das Unternehmen mit 18 kleineren Serviceunternehmen Verträge ab und deckt heute den europäischen Raum sowie alle europäischen Sprachen ab. Die Servicecenter werden von Gericom nicht nur geschult, sondern in regelmäßigen Zeitabständen auch kontrolliert.

Alle Gericom-Servicecenter sind an der neu programmierten Servicesoftware STM (Service-Technik-Manager) angeschlossen, die der Gericom-Zentrale jederzeit einen umfassenden Überblick über den Aufenthaltsort und den Reparaturstatus jedes sich im Service eingegangenen Notebooks gibt.

Die Geräte werden täglich über die 24-monatige Pick-up- and Return-Garantie beim Kunden oder dem Fachhändler kostenfrei abgeholt und innerhalb von 24 Stunden zum entsprechenden Reparaturservice gebracht. Innerhalb von acht Werktagen, so die Verträge zwischen Gericom und den Servicepartnern, soll das Notebook repariert sein und an den Kunden zurückgehen. Ist das nicht der Fall, bietet der Hersteller dem Endkunden ein kostenloses Leihgerät an.

Größere Gericom-Kunden können ihre RMAs direkt über das STM-System eingeben. Wiederverkäufer, die regelmäßig entsprechende Stückzahlen von Gericom-Geräten verkaufen, können einen STM-Zugang über die Telefonnummer 01803 4374266 (neun Cent pro Minute) beantragen. Fachhändlern, die eine RMA beantragen wollen, steht die von Gericom beauftragte 24-Stunden-Kunden-Hotline unter der Nummer 01805 968950 (zwölf Cent pro Minute) zur Verfügung. BW

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