Gerüchte und Fakten vor und hinter den Kulissen

03.02.2000
Neben den Produktneuheiten kursieren auf der Cebit auch immer Gerüchte um Neuentwicklungen und Hintergründe. Doch was ist Fakt, und was entpuppt sich später als haltlos? Urteilen Sie selbst.

Es geht endlich wieder aufwärts", jubelt die IT-Branche. Mit den Hauptthemen Internet und E-Commerce wurden mehr Besucher an die Stände gelockt als auf der letzten Cebit. Mehrere Unternehmen sagten dies am Wochenende bei einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Auch die Zahl der Vertragsabschlüsse zeigt deutlich eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr. Das bedeutet: Die Branche befindet sich wieder im Aufschwung.

Am Sonntag zog die Deutsche Messe AG in Hannover eine Zwischenbilanz: Mehr als 320.000 Menschen strömten auf die Computermesse. Damit kamen rund 17.000 Besucher mehr als im Vorjahr.

Verschmelzung der Geräte

Das große Schlagwort auf der Cebit war "Konvergenz". Jeder versteht darunter aber etwas anderes. Gemeint ist aber immer die Verschmelzung unterschiedlicher elektronischer Geräte zu einem Verbund. Handys und Organizer lassen sich per Kabel zusammenschließen. Mit den erst jetzt erhältlichen Bluetooth-Modulen wird das Ganze jedoch richtig komfortabel. Selbst über eine Entfernung von mehreren Metern ist die Kommunikation zwischen den Geräten sichergestellt. Neben Handys und Organizern kommt jetzt noch eine weitere Komponente hinzu: die Digitalkamera. Damit kann man beispielsweise etwas fotografieren, in den Organizer speichern und anschließend übers Handy per E-Mail verschicken. Insider prophezeien gerade diesem Segment ein großes Wachstum. Kein Wunder also, dass sich viele Hersteller ein Stück von diesem Kuchen abschneiden wollen.

Integration ist alles

Erwin Staudt, Deutschland-Chef von IBM, glaubt, dass Handys in nicht allzu ferner Zukunft den PC zu Hause ablösen können. Heute schon werden Handys immer vielseitiger. Spiele auf dem kleinen Display gibt es schon lange. Samsung zeigte ein Handy mit integriertem MP3-Player, und Motorola stattete ein Handy mit UKW-Radio aus. Übers Telefon lädt man sich dann Musik vom Internet in den MP3-Player und kann sie anschließend gleich genießen. Das erste Walkman-Handy.

Digitalkameramarkt zeigt zögerndes Wachstum

Digitalkameras mit kleinen Auflösungen, wie beispielsweise 320 x 160 Pixel, sind fast völlig vom Markt verschwunden. Agfa bietet mit der "Agfa CL 18" eine Minikamera ohne Bildschirm für 399 Mark Endkundenpreis an. Diese Kamera bietet eine Auflösung von 640 x 480 Pixel. Außerdem lässt sie sich per USB an den PC anbinden und kann dann als Web-Kamera fungieren. Als Ersatz für eine Kleinbildkamera ist die Auflösung aber noch viel zu gering. Digitalkamerahersteller wollen mit diesen preiswerten Geräten dem Anwender aber eine Alternative zur herkömmlichen Fotografie bieten. Sie argumentieren, dass der Endanwender auch beim Computer ständig mit neuen Produktzyklen konfrontiert wird. Leider vergessen sie dabei eines. Es stimmt, dass ein jetzt gekaufter PC in einem halben Jahr veraltet ist, weil dann schon wieder eine neuere, noch schnellere Prozessorgeneration auf den Markt kommt. Aber mit dem "alten PC" kann man getrost noch ein paar Jahre arbeiten, weil die Geschwindigkeit ausreicht. Bei Digitalkameras ist der Qualitätsvorteil einer neuen Generation aber wesentlich größer als bei Computer-Hardware. Das Endergebnis: Der Kunde wartet ab. Erst wenn Kameras auf den Markt kommen, die mindestens 1,2 Millionen Pixel für unter 500 Mark bieten, wird auch die Digitalfotografie für den Endanwender interessant. Auf Nachfrage nach solchen Kameras wird man auf die nächste Messe vertröstet, zuerst müssen die "alten Geräte" verkauft werden.

Grafikkarten sind in der Mache

Weiterentwicklungen bei Grafikkarten waren kaum zu bewundern. Die Hersteller hielten sich bedeckt, denn Grafikprozessoren sind heute komplexer als moderne CPUs. Und deren Entwicklungszeiten werden auch immer länger. Kein Wunder also, dass andere Hersteller sich insgeheim freuten, als 3Dfx noch keine Voodoo4- oder Voodoo5-Karte präsentieren konnte. Damit haben sie noch Zeit für ihre Entwicklungen. "Solange 3Dfx nicht vorprescht, halten wir auch mit unseren Neuentwicklungen zurück", wurde hinter vorgehaltener Hand erzählt. Und fast jeder hat noch einen Trumpf im Ärmel, auf den der Anwender aber noch bis zum Sommer oder gar Herbst warten muss.

Ebenfalls hartnäckig hielt sich auf der Messe das Gerücht, dass Creative Labs aus dem Grafikkartengeschäft aussteigen wolle.

Hintergrund sei der ruinöse Preiswettbewerb. Außerdem wolle sich das Unternehmen auf seine Kernkompetenzen im Bereich Sound und DVD konzentrieren. Dazu der europäische Marketing-Manager von Creative Labs, Murat Ünol: "Das wäre mir neu. Die Tatsache des ruinösen Preiswettbewerbes im Grafikkartenbereich ist zwar richtig, wir haben aber momentan nicht vor auszusteigen."

ATI geht fremd

Grafikkartenhersteller suchen nach neuen Märkten. ATI kündigte auf der Cebit an, dass das kanadische Unternehmen ab dem dritten Quartal auch Motherboards ausliefern will. Diese Boards sollen dann auch gleich mit einem Grafikchip bestückt werden. Der Grafikchip soll in den ersten Versionen mit 100 MHz getaktet werden, später sollen es dann 133 MHz sein. ATI sieht einen großen Bedarf an Motherboards für Komplettsysteme in Designgehäusen. Aufrüsten ist nicht mehr in. Wenn der Rechner veraltet ist, wird er eben komplett getauscht.

Personalkarussell

Nach Angaben von Insidern wird es bei HP einige personelle Änderungen auf Europaebene geben, von denen auch das deutsche Management betroffen sein soll. So wird berichtet, dass PC-Chef Uli Kemp befördert werden soll. Einzelheiten sind derzeit noch nicht zu bekommen. Auch Kemp selbst schweigt sich dazu aus. Kemp übernahm Anfang 1999 das PC-Business von HP und hat die Abteilung kräftig durchgemischt. Der Lohn: Eine Absatzsteigerung um mehr als 20 Prozent auf über 300.000 PCs. Im Notebook-Bereich konnte HP die verkaufte Stückzahl sogar verdoppeln.

Ebenfalls wissen Insider zu berichten, dass HP in diesem Jahr einen zweiten Versuch mit den PCs im deutschen Consumer-Markt starten will. Die Entscheidung sei bereits getroffen, nur der genaue Zeitpunkt soll noch nicht geklärt sein. Vor einigen Jahr hatte HP den Consumer-PC "Pavillion" bereits in den deutschen Markt eingeführt, nach nur einem Monat aber bereits den Rückzug wieder angetreten. In anderen Ländern, besonders den USA, zählt HP mit dem Pavillion zu den erfolgreichsten Anbietern. (akl, sic, jh)

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