Geschäftsidee PC-Hobbyshop: Es klappt, wenn man auf dem Teppich bleibt

12.12.1997
MÜNCHEN: Ohne Glanz und Glamour eröffneten zwei gestandene Computerprofis in München einen Shop mit acht Arbeitsplätzen für PC-Bastler: die AR Computer-Handels GmbH. Wie bei kleinen Auto-Hobbywerkstätten bringt der Kunde seine Wunschkomponenten entweder gleich selbst mit oder bezieht sie über die AR. Ein riskantes Unterfangen, schon topMedia in Wiesbaden ist mit einem ähnliche Versuch gescheitert. Doch die AR-Leute sind überzeugt: Das Schlimmste ist vorbei - sie werden überleben.Auf den ersten Blick wirkt sie nicht besonders beeindruckend, die "1. Münchner PC Hobby-Werkstatt" in der Dachauer Straße. Dabei hatte der Anzeigentext große Erwartungen geweckt. Dort warb AR mit "vollausgestatteten Arbeitsplätzen", an denen Kunden unter "fachkundiger Anleitung" ihre PCs selbst umrüsten, aufrüsten und reparieren können. Zudem, so weitere Ankündigungen, würden neue PCs nach kundenspezifischen Anforderungen erstellt und eventuell geliefert und aufgestellt.

MÜNCHEN: Ohne Glanz und Glamour eröffneten zwei gestandene Computerprofis in München einen Shop mit acht Arbeitsplätzen für PC-Bastler: die AR Computer-Handels GmbH. Wie bei kleinen Auto-Hobbywerkstätten bringt der Kunde seine Wunschkomponenten entweder gleich selbst mit oder bezieht sie über die AR. Ein riskantes Unterfangen, schon topMedia in Wiesbaden ist mit einem ähnliche Versuch gescheitert. Doch die AR-Leute sind überzeugt: Das Schlimmste ist vorbei - sie werden überleben.Auf den ersten Blick wirkt sie nicht besonders beeindruckend, die "1. Münchner PC Hobby-Werkstatt" in der Dachauer Straße. Dabei hatte der Anzeigentext große Erwartungen geweckt. Dort warb AR mit "vollausgestatteten Arbeitsplätzen", an denen Kunden unter "fachkundiger Anleitung" ihre PCs selbst umrüsten, aufrüsten und reparieren können. Zudem, so weitere Ankündigungen, würden neue PCs nach kundenspezifischen Anforderungen erstellt und eventuell geliefert und aufgestellt.

Das gab es schon einmal, der "Computer Baumarkt" der topMedia Vertriebs GmbH in Wiesbaden hatte einen entsprechenden Versuchsballon gestartet - mit großem Engagement, viel Platz, eigenen Parkmöglichkeiten, recht hohem Personalaufkommen - und null Erfolg. Bereits nach einem halben Jahr platzte das Projekt. Trotzdem: Das Systemhaus hatte die Latte gelegt, an der Nachfolger gemessen werden.

So gesehen enttäuscht der Eindruck des Münchener Pendants vorerst: Ein kleiner Shop, ein gutes Stück entfernt von Münchens PC-Meile an der Schillerstraße, eingeklemmt zwischen grauen Häuserblocks. Parkplätze sind knapp hier in der Gegend.

Der Blick vom Bürgersteig durch das Schaufenster räumt die erste Skepsis auch nicht gerade beiseite: An der Scheibe und einer Wand entlang zieht sich die Werkbank, darauf und darüber stehen ein paar PCs, komplett oder aufgeschraubt, drumherum viel Kabelsalat. Es sähe nach Arbeit aus - aber niemand steht dort mit Schraubenzieher oder Lötkolben. Von eifrig bastelnden Kunden ist erst einmal nichts zu sehen.

Geld und vor allem gute Adressen sind das beste Grundkapital

Doch im Shop ist die Stimmung gut. Der Kaffee dampft, es wird geraucht, am Bistrotisch mit Barhockern geben Unternehmens-Chef Anton Richard Schreiber und sein Mitarbeiter Peter Giessmann bald und vor allem launig Kunden-Anekdoten zum besten. Wie die von der 83jährigen Lady beispielsweise, die mit ihrem PC auftauchte und in Eigenregie eine Grafikkarte einbaute. "Der Laden war in kürzester Zeit proppenvoll - alle haben ihr zugesehen", erinnert sich Schreiber. Sogar das Fernsehen habe sich daraufhin bei ihm gemeldet.

Oder die Geschichte von dem anfangs so zaghaften, von Computerängsten geschüttelten Herrn, der - nach der Ermunterung, seinen PC ruhig mal tüchtig auseinanderzunehmen -, das Gerät so weit demontierte und zerpflückte, daß es Stunden dauerte, die Einzelteile wieder einigermaßen sinnvoll zusammenzubauen. "Lernen am Kunden" nennt man das - seither schauen die beiden ARler ihren Besuchern lieber einmal zu oft über die Schulter.

Jammertiraden über traurige Umsatzzahlen gibt es nicht. "Zuerst wollten wir einen ganz klassischen Laden aufmachen, aber auf keinen Fall nur Produkte über die Ladentheke schieben, sondern auch Dienstleistungen anbieten", umreißt Schreiber die Anfangsphase. Dann entstand die Idee, einen Hobbyshop einzurichten. "Wir überlegten, ob wir sofort richtig groß einsteigen sollten - so mit 50 Arbeitsplätzen. Wir hatten sogar schon die richtigen Räumlichkeiten entdeckt - eine leerstehende Fabrikhalle", erinnert sich Schreiber mit glänzenden Augen. Doch die Vernunft siegte: "Ich dachte mir, lieber klein anfangen." Denn die erforderlichen Mittel sind so schon hoch genug.

Neben einer satten Finanzinvestition von rund 200.000 Mark für den Shop benötigte Schreiber nochmals 50.000 Mark für die Gründung der GmbH. Unbezahlbar dagegen ist die langjährige Erfahrung der beiden AR-Leute: Der Diplom-Ingenieur Giessmann ist seit 1975 in der Branche und arbeitete zusammen mit seinem jetzigen Boss Schreiber lange Jahre bei IBM. "Wir hatten ja gute Kontakte und schon einige Firmenkunden an der Hand", verrät Schreiber. Das heißt: Sie brachten einen Kundenstamm von 70 Firmen und noch mal soviel Privatkunden mit ins Unternehmen.

Im April 1997 bezog die AR Computer-Handels GmbH den 64-Quadratmeter-Laden in der Dachauer Straße, seither gingen die Geschäfte stetig bergan. Seit Bestehen des Unternehmens fuhr Schreiber einen Umsatz von rund 400.000 Mark ein. Das ist nicht viel. "Aber für den Anfang gut - jetzt im November arbeiten wir bereits profitabel", weiß Giessmann stolz zu berichten. Insgesamt sei das Jahr besser gelaufen, als sie erwartet haben. "Ich bin Realist und stapel lieber etwas tiefer...", schmunzelt der Diplom-Ingenieur unter seinem Schnauzbart hervor. Im nächsten Jahr wollen Schreiber und Giessmann den Umsatz verdoppeln. "Die Anfangsphase ist natürlich immer das Schlimmste", faßt Giessmann zusammen. "Aber die haben wir ganz gut überstanden."

Es geht bergauf: Der November war der erste profitable Monat

Denn", so versichert Schreiber mit einem Augenzwinkern, "wir haben sehr wohl Kunden, für heute haben sich eigentlich auch einige angemeldet. Aber im Moment regiert offenbar der Vorführeffekt...". Normalerweise, so beteuert Schreiber mit bedauerndem Blick auf die leeren Werkbänke, kommen oftmals 20 oder mehr Leute in sein Geschäft. Davon sind vier bis fünf aktive Kunden, Tendenz steigend: Die meisten nehmen das am Schaufenster angepriesene Angebot wahr, ihre 386er-Rechner komplett auf ein Pentium-System umzurüsten - ab 399 Mark. "Dabei bleibt es zumeist ja nicht - der eine will noch eine bessere Grafikkarte dazu und so weiter. Im Schnitt kommen diese Kunden dann so auf 700 Mark - und fahren damit besser, als sich einen neuen Rechner zu besorgen", berichtet Schreiber. Das Parkplatzproblem bereitet den AR-Leuten offenbar kein allzugroßes Kopfzerbrechen. "Die Leute kommen mit Koffer, Rucksack, mit dem Taxi, manche sogar mit der Tram - es ist alles vertreten", beschreibt Schreiber.

"Sehleute" gibt es auch - aber die Hälfte kommt als Kunde wieder

Natürlich gibt es auch viele, die sich nur informieren und dann gehen, um sich woanders billigere Komponenten zu kaufen oder ähnliches", teilt Giesmann die schlechte Erfahrung, die topMedia mit ihrem Konzept machte. "Aber da muß man langen Atem haben - denn rund 50 Prozent dieser Leute kommen wieder. Und dann kaufen sie etwas oder nehmen unsere Dienste in Anspruch."

Auch vor notorischen Schnäppchenjägern, die den Wiesbadenern so viel Kopfzerbrechen bereiteten, hat Schreiber keine Angst. Natürlich kommen viele Kunden mit Komponenten, die sie günstig bei einem anderen Anbieter gekauft haben, um sie von den AR-Leuten einbauen zu lassen. Doch auch hier setzen die beiden Computerprofis auf die Faktoren Zeit und Geduld. "Ein Großteil unserer Stammkundschaft hätte doch auf Dauer einfach ein schlechtes Gewissen, wenn sie hier bei uns dauernd mit Komponenten von anderen Anbietern auftauchen", schmunzelt Giessmann. "Da muß man mit Fingerspitzengefühl und Psychologie rangehen."

Der klassische Fall: Ein Interessent kommt in den Laden und erkundigt sich ausführlich. Die AR-Leute beraten, stellen womöglich einen Rechner zusammen und geben dem möglichen Kunden eine Preisliste mit. "Der bedankt sich dann für die nette Beratung und ist weg, wir hören erstmal meist acht Tage nichts mehr von ihm", beschreibt Schreiber. Aber: "Auf einmal steht er dann wieder da und sagt: Den Rechner will ich. Und ich sehe - er hat da ein Angebot von der Firma X und eines von der Firma Y, vielleicht noch irgendwo eine Aufaddierung der entstehenden Kosten - und wir haben da wieder am günstigsten abgeschnitten. Wenn wir den Kunden darauf ansprechen, bekommt er zwar manchmal einen roten Kopf, gibt dann aber meistens zu, daß er es auch vorzieht, im Schadensfall nur einen statt zehn Ansprechpartner zu haben. Und daß es ihm wichtig ist, daß alle Komponenten kompatibel sind", reibt sich Giessmann die Hände.

Aber nicht jeder Kunde ist schwierig. Die meisten Hobbyshopper rekrutieren sich aus dem Feld der frustrierten Computerbesitzer, die zwar ein gewisses Grundlagenwissen haben, in der Praxis aber oft scheitern. "Werbetexte oder Zeitschriftentips verniedlichen ja oft Installationsprobleme", weiß Schreiber. Und nach diversen Eigenversuchen brauchen die Leute dann doch zumeist professionelle Hilfe. "Dann ist vieles schlimmer als vorher", weiß Giessmann von gescheiterten Do-it-yourself-Tüftlern zu berichten. "Hier können sie sich dann beraten lassen, wir helfen ihnen und ziehen, wenn nötig, auch mal schnell aktuelle Treiber aus dem Internet."

Ein 14-Stunden-Tag ist für die AR-Leute die Regel

Kauft ein Kunde einen Rechner bei AR, kann er damit rechnen, daß Schreiber und Giessmann Gewehr bei Fuß stehen, wenn mal etwas schiefläuft. "Das meiste läßt sich schon am Telefon regeln", weiß Schreiber. "Da hat dann beispielsweise die Putzfrau den Netzstecker rausgezogen oder so etwas." Solche Blitzhilfe am Telefon wird nicht berechnet, das gehört für die beiden zum Service. Kosten entstehen für Kunden erst dann, wenn Schreiber oder Giessmann ins Unternehmen fahren, um vor Ort nach Ursachen zu suchen und sie zu beheben. Denn aus langjähriger Erfahrung weiß Schreiber, daß kostenloser Vor-Ort-Service sämtliche Margen auffrißt, mehr noch: "Da zahlt man doch schon drauf, sobald man im Auto sitzt und sich auf den Weg macht."

Während des Gesprächs hat sich der Laden dann doch langsam gefüllt, einige der Kunden steuern zielstrebig zuallererst die Kaffeemaschine an, bevor sie ans Werk gehen. "Hier geht es meistens ab 17 Uhr richtig los", beschreibt Schreiber. Im Schnitt bleiben die Bastler höchstens eine Stunde. Deshalb hält er sein Geschäft bis 20.00 Uhr geöffnet, in dringenden Fällen arbeiten die beiden EDVler aber auch mal länger. "Da fällt dann beispielsweise dem jungen Unternehmer, der hier seinen Privat-PC repariert hat, ein, daß bis zum nächsten Tag noch andere Systeme in seiner Firma für ein Netzwerk konfiguriert werden könnten. Klar, daß wir uns das nicht entgehen lassen", so Schreiber.

Denn im Unternehmenskonzept ist Außendienst fest eingeplant. Teilweise ab morgens um 7.00 Uhr sind die beiden unterwegs, um 10.00 wird der Laden geöffnet, und dann heißt es abwechseln. Einer bleibt im Laden, der andere ist auf Abruf bereit für Notfälle in Unternehmen. Solche Aufträge sind natürlich besonders lukrativ, bei Firmen gelten andere Tarife als bei den Kunden, die selbst in den Shop kommen (pro Stunde 25 Mark).

Unternehmen wenden sich zumeist dann an die AR, wenn ihre PC-Ausstattung den neuen Softwaresystemen nicht mehr gewachsen ist. "Dann heißt es RAM aufrüsten, neue Festplatten installieren und so weiter. Wir schauen uns die Rechner an: Was kann man machen, rentiert sich das - oder raten wir gleich zum Neukauf? Geräte, die wir auf spezielle Kundenanforderungen hin assemblieren, kosten ja oft ein Drittel weniger als das, was Markenhersteller verlangen", beschreibt Schreiber den Ablauf.

AR bezieht seine Produkte über den Fachhandel

Besteht ein Kunde auf einem Markenprodukt, kann er das natürlich auch über die beiden Tüftler bestellen. Doch da solche Aufträge nicht in großen Mengen anfallen, ist Schreiber gezwungen, diese Produkte über den regulären Fachhändler zu beziehen, für Direkt- oder Distributionseinkauf reicht die Auftragshöhe auch bei den Komponenten noch nicht aus. Bei rund 20 Fachhändlern kauft AR pro Monat insgesamt für rund 50.000 bis 60.000 Mark ein - und schiebt den größten Teil der Systeme umgehend weiter. Denn große Lagerhaltung ist im Konzept nicht vorgesehen.

Während der Zusammenarbeit mit den Fachhändlern ist Schreiber bereits diverse Male gefragt worden, ob er für sie nicht gleich den Service mit übernehmen möchte. Doch davon mag der AR-Chef noch nichts wissen. "Zu riskant", so sein Urteil. Denn dann müßte er neue Leute einstellen, viel Kontrolle abgeben und von vorneherein sicherstellen, daß es sich rechnet. "Im Moment ist das für uns nicht überschaubar", erklärt auch Stratege Giessmann, baut aber vor: "Für die Zukunft möchte ich das aber nicht komplett ausschließen."

Auch bei Expansionsplänen wahren die beiden EDVler Zurückhaltung - aus ganz ähnlichen Gründen. "Man kann das eine mit dem anderen kaputtmachen. Wenn man da nicht die richtigen Leute hat, kann sich so eine Zweigstelle beispielsweise als böser Fehler entpuppen. Für uns beide reicht das, was wir hier machen, völlig aus." (du)

Anton Richard Schreiber, Chef der AR Computer-Handels GmbH: "Der PC-Hobbyshop - das ist schon ein Saisongeschäft. Zur Biergartenzeit ist nicht so viel los."

Peter Giessmann: "Wir wollen den Kunden ja nicht dazu zwingen, unbedingt hier die Komponenten zu kaufen. Aber mit der Zeit bestellen Stammkunden sowieso hier bei uns."

Der PC-Hobbyshop der AR Computer-Handels GmbH liegt - etwas ab vom Schuß - an Münchens Dachauer Straße.

Dem Kunden über die Schulter schauen: Für 25 Mark pro Stunde können Bastler unter Anleitung ihre Computer um- oder aufrüsten.

Zur Startseite