Glasfaserkabel für die Heimvernetzung?

27.05.2004
Daten optisch zu übertragen ist die hohe Schule der Vernetzung, so lautet die landläufige Meinung. Falsch - das behaupten jedenfalls die beiden Professoren Zieman und Krauser. Sie haben einen Weg gefunden, Lichtleiter auf Polymerbasis auch für das Heim einsatzfähig zu machen. Von ComputerPartner-Redakteur Hans-Jürgen Humbert

Glasfaserkabel bieten höchste Übertragungsraten und geringste Störanfälligkeit. Verlegen lassen sich die Kabel so einfach wie normale Kupferadern, wenn ein bestimmter, minimaler Biegeradius nicht unterschritten wird. Sind die Kabel verlegt, dann muss aber eine Spezialfirma her. Das größte Problem liegt nämlich in der Konfektionierung der Anschlüsse. Nur mit aufwändigem und teurem Equipment sind Spezialunternehmen in der Lage, diese Anschlüsse an die einzelnen Glasfasern so "anzuschmelzen", dass eine einwandfreie optische Kopplung zustande kommt.

Die Lösung: POF

Mit POF (Polymer Optical Fiber) soll alles anders werden. Anstelle einer dünnen, nur wenige Mikrometer durchmessenden Glasfaser befindet sich im Innern des Lichtleiters eine bis zu einem Millimeter durchmessende Kunststofffaser. Dieser große Durchmesser erleichtert die Konfektionierung erheblich. Um das Kabel mit dem Stecker zu verbinden, genügen nun ein Taschenmesser und ein Stückchen Schleifpapier. Das Kabelende wird "abisoliert", das heißt von der Kunststoff-Ummantelung befreit, in den Plastikstecker eingeführt und mit einem Taschenmesser abgeschnitten. Ein kurzes Schleifen von Hand poliert die Oberfläche ausreichend: Es entsteht eine einwandfreie glatte Oberfläche. Weniger als 2 dB Dämpfung der Kopplung sind nach Auskunft des Herstellers möglich.

Da die Verkabelung sehr einfach ist, kann sie auch von nicht geschultem Personal und sogar von Laien ausgeführt werden. Damit bietet sich die POF-Faser direkt für die Heimvernetzung an. Erstens ist die Konfektionierung sehr einfach, und zweitens sind keine großen Durchbrüche (CAT-Kabel mit Stecker benötigen mindestens Zehn-Millimeter-Löcher) in den Wänden erforderlich. Der POF-Lichtleiter hat nur einen Außendurchmesser von 2,2 Millimeter. Eine Sechs-Millimeter-Bohrung in der Wand reicht deshalb aus.

Reichweite und Lichtfarbe

Der Hersteller garantiert eine Reichweite von 50 bis 100 Metern, je nachdem, welche Lichtsender zum Einsatz kommen. Die maximale Übertragungsrate beträgt dabei 50 Mbit (50 Meter) bei einer roten LED als Lichtsender und 100 MBit (100 Meter) bei einer grünen LED. Die unterschiedlichen Transferraten und Reichweiten werden bedingt durch die Dämpfung des Lichtleiters. Rotes Licht wird stärker geschwächt als grünes.

Neben der einfacheren Montage besteht hier auch der größte Unterschied zur herkömmlichen Glasfaser. Während Standard-Glasfasern bei 780 Nanometern (Infrarot-Licht) und 1310 Nanometern (fernes Infrarot) geringste Dämpfungen aufweisen, arbeiten POF-Fasern mit rotem (650 Nanometer) oder grünem Licht (510 Nanometer). Großer Vorteil: Man kann sofort sehen, ob die Übertragungsstrecke wirklich arbeitet, während bei Glasfasern aufwändige Messgeräte notwendig sind.

Schon im Einsatz

POF hört sich zwar neu an, wird im Automobilbau aber schon seit längerer Zeit eingesetzt. Beispielsweise wird der Airbag in der BMW-7er-Reihe per Lichtleiter ausgelöst. Einstrahlungen von außen, wie zum Beispiel starke Radio- oder Fernsehsende-Anlagen, können das System nicht mehr negativ beeinflussen. Die dazu erforderlichen Transmitter und Receiver werden von Infineon schon in Millionen-Stückzahlen gebaut und eingesetzt.

Auch die optische Kommunikation zwischen Consumer-Geräten, wie beispielsweise bei hochwertigen DVD-Playern, erfolgt bereits über POF-Kabel. Die als TOSlink bezeichneten optischen Wandler werden ebenfalls in Millionen-Stückzahlen industriell produziert. Das Schöne an der POF-Faser: Sie ist auf keinerlei Sende- und Empfangsprotokoll spezialisiert. Ob nach 1394 (Firewire), USB oder Ethernet, man kann beliebige Datenformate nutzen.

Die Profi-Version

Lichtleiter auf Kunststoffbasis werden aber auch im industriellen Umfeld eingesetzt. Die arbeiten genauso wie ihre Kollegen in der Heimvernetzung mit sichtbarem Licht, können aber wesentlich größere Datenmengen transportieren. Ein Gbit pro Sekunde gehört heute schon zum Stand der Technik. Mit den entsprechenden Umsetzern sollen sogar bis zu 25 Gbit drin sein. Das Unternehmen Tecos beispielsweise rüstet zurzeit in Deutschland einige Kliniken mit dieser Faser aus. In Zukunft werden dann über diese Leitungen Telefon-, Daten- und Fernsehprogramme übertragen. Und das alles über nur eine einzige Faser.

Meinung des Redakteurs

Datenübertragung per Lichtleiter weist entscheidende Vorteile gegenüber herkömmlicher Technik auf. Es entsteht keinerlei Elektrosmog. Lichtleiter sind weiterhin völlig unempfindlich gegenüber elektromagnetischen Einstrahlungen. Wenn jetzt noch die entsprechenden Umsetzer schnell und preiswert auf den Markt kommen - die Technik ist da, sie muss nur angepasst wer-den -, wird der Lichtleiter in nicht allzu ferner Zukunft der Datenträger schlechthin.

Heimvernetzung in Deutschland

Warum kommt die Heimvernetzung in Deutschland nur schleppend voran? Hauptsächliches Hindernis sind die vielen Altbauten, in denen meist eine Spaghettiverkabelung vorliegt. Abgesehen von der Energieversorgung - Stromnetz - liegt zwar eine Unzahl weiterer Kabel in den Wänden, die sind aber allesamt für eine Datenübertragung nicht zu gebrauchen. Außerdem liegen die Kabel nie dort, wo sie wirklich gebraucht werden.

Anwenderunfreundlich ist der Telefonanschluss meistens mitten im Flur untergebracht, und die Antennensteckdose befindet sich Wohnzimmer. Viele Hausbesitzer haben auch entschieden etwas dagegen, wenn der Mieter Wände durchbohrt, um seine drei PCs miteinander zu vernetzen und jedem einen Internetanschluss zu verpassen.

Die Alternativen sind aber beschränkt. WLAN, die drahtlose Vernetzung, hört sich nur in der Werbung gut an. Für den Laien ist der Aufbau eines funktionierenden WLAN-Systems oft mit mehr Frust denn mit Erfolgserlebnissen gekrönt. Außerdem erzeugen WLANs einen nicht unerheblichen Elektrosmog.

Normale CAT5-Kabel kann der Anwender zwar verlegen, er braucht aber entweder ein teures Spezialwerkzeug (Crimpzange) oder ist gezwungen, auf konfektionierte Kabel auszuweichen, die relativ große Durchbrüche in den Wänden erfordern. JH

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