Global handeln, lokal denken: ITK kauft sich in den Weltmarkt ein

20.06.1997
DORTMUND/MÜNCHEN: Selten kommt es vor, daß ein deutsches IT-Unternehmen eine US-Firma kauft. Meist ist es umgekehrt. Die ITK Telekommunikation AG glaubt jetzt, mit der Telebit Inc. ihr Ticket zum Weltmarkt gelöst zu haben. Im Markt für PC-basierte Remote-Access-Lösungen wollen die Dortmunder schon in wenigen Jahren ganz oben auf das Marktanteilstreppchen.Wenn ein deutscher IT-Anbieter zum Global Player werden will, dann gibt es für ihn nur einen Weg: den über die USA. Davon sind die ITK-Gründer und Vorstände Klaus Rosenthal und Wolfgang Schröder jedenfalls überzeugt. Deshalb haben sie sich Anfang Mai per Aktientausch die Telebit Inc. einverleibt. 65 Prozent der Anteile an der neuen ITK International Corp. halten jetzt die bisherigen ITK-Aktionäre. "Wir brauchen die USA als Marketing-Plattform für den weltweiten Vertrieb unserer Produkte. Wenn sie in Amerika die Nummer Eins sind, dann sind sie es auch weltweit", erklärt Rosenthal.

DORTMUND/MÜNCHEN: Selten kommt es vor, daß ein deutsches IT-Unternehmen eine US-Firma kauft. Meist ist es umgekehrt. Die ITK Telekommunikation AG glaubt jetzt, mit der Telebit Inc. ihr Ticket zum Weltmarkt gelöst zu haben. Im Markt für PC-basierte Remote-Access-Lösungen wollen die Dortmunder schon in wenigen Jahren ganz oben auf das Marktanteilstreppchen.Wenn ein deutscher IT-Anbieter zum Global Player werden will, dann gibt es für ihn nur einen Weg: den über die USA. Davon sind die ITK-Gründer und Vorstände Klaus Rosenthal und Wolfgang Schröder jedenfalls überzeugt. Deshalb haben sie sich Anfang Mai per Aktientausch die Telebit Inc. einverleibt. 65 Prozent der Anteile an der neuen ITK International Corp. halten jetzt die bisherigen ITK-Aktionäre. "Wir brauchen die USA als Marketing-Plattform für den weltweiten Vertrieb unserer Produkte. Wenn sie in Amerika die Nummer Eins sind, dann sind sie es auch weltweit", erklärt Rosenthal.

Natürlich braucht es für solch ehrgeizige Pläne eine Menge Geld. Auch da sieht der Professor auf dem Chefsessel alle Vorteile jenseits des großen Teichs: "Beim Thema Kapitalisierung sind die USA Deutschland halt um Längen voraus", weiß er. Aus diesem Grund ist der Hauptsitz der neuen ITK Holding auch - so Rosenthal - "physikalisch" in Chelmsford bei Boston. Von dort und 13 weiteren Dependancen in den USA werden die amerikanischen Märkte bedient. Ein dritter Vorstand mit US-Paß, dessen Name noch nicht genannt wird, kümmert sich dort ums Geschäft. Rosenthal als "Chairman" und Schröder bleiben im heimischen Dortmund.

Dort haben sie erst im Frühjahr, knapp sechs Jahre nach der Firmengründung, ein neues Gebäude bezogen. "Trotz vieler Standort-Nachteile für ein den Weltmarkt adressierendes Unternehmen halten wir am Standort Dortmund fest. Unsere Mitarbeiter kommen zum großen Teil aus der Region, und das Qualifizierungs- und Technologie-Potential mit fünf umliegenden Hochschulen ist ideal", verspricht Schröder. Auch die Fertigung der ISDN-Produkte soll in Deutschland bleiben. "Die ist hier einfach am günstigsten und am besten", beharrt Rosenthal dem üblichen Geschimpfe über den Standort Deutschland zum Trotz.

Black Box Remote Access ist in Bedrängnis

Produktseitig konzentriert sich die ITK auf Digital Modems und ISDN-Lösungen für offenes Remote Access auf PC-Basis (siehe auch Seite 60). Marktforscher haben den ITK-Manager berichtet, daß in drei Jahren 60 Millionen Menschen weltweit über Remote-Access-Systeme auf Unternehmensnetze zugreifen werden. "Diese Zahl halte ich für sehr konservativ. Ich habe den Verdacht, daß da der Asien-Markt ausgeklammert worden ist. Ich bin mir sicher, daß China zukünftig der größte ISDN-Markt der Welt sein wird", glaubt Rosenthal. Daher gehört zur ITK-Holding auch eine Tochtergesellschaft in Hongkong, die als Sprungbrett für den asiatischen Raum fungieren soll.

Rosenthal vergleicht den heutigen Remote-Access-Markt mit der IT-Welt zu Beginn der 80er Jahre. "Damals gab es die Mainframes als proprietäre Architektur, die dann durch die PCs abgelöst wurden. Das gleiche steht jetzt mit Remote Access bevor", gibt er sich überzeugt. Die Vorteile offener Systeme seien offensichtlich: Sie lassen sich nahtlos in bestehende Netzinfrastrukturen integrieren, sind herstellerunabhängig und auch die Kosten für Installation, Trainings und Betrieb sind geringer als bei den proprietären Black-Box-Produkten von Cisco, Bay Networks, 3Com oder Ascend, so Rosenthal. "An diesem Markt müssen auch die PC-Hersteller interessiert sein. Da tun sich ganz neue Absatzmöglichkeiten auf", wirbt er weiter. Der Ver

drängungskampf zwischen den Netzwerkbetriebssystemen Windows NT, IntranetWare und UNIX kann den Hardware-Hersteller kalt lassen. Neben den durch Telebit hinzugewonnenen Vertriebskanälen kann sich der ISDN-Anbieter ITK auch über den Erwerb von Technologien freuen. Die wichtigste Mitgift der Amerikaner dürfte MICA sein, ein digitales Modem, das den gleichzeitigen digitalen und/oder analogen Zugriff auf entfernte LANs erlaubt. Die Karte unterstützt heute bis zu 30 parallele Modemverbindungen. Die nächste Generation bietet laut ITK eine Portdichte von bis zu 120 Modems. Hinzu kommt ein Know-how-Transfer von Cisco, das eine Minderheitsbeteiligung an Telebit hält.

Digitales Modem für für Remote Access ohne ISDN

Große Hoffnungen setzen die Dortmunder in die Sprachübertragung über IP-Netze, vor allem in Intranets. Die Qualität sei der in gewöhnlichen Telefonnetzen ebenbürtig, behauptet Martin Grzebellus, der bei ITK den Geschäftsbereich Systemintegration/Consulting leitet. "Das System ist in der Lage, zumindest in kleinen und mittleren Unternehmen herkömmliche TK-Anlagen zu ersetzen", erklärt Grzebellus. Keine Zukunft gibt Rosenthal dagegen der einstmals hochgelobten ATM-Technologie: "Es gibt einen Null-Markt für ATM-Karten. Die sind technisch überflüssig. Die ISDN-Infrastruktur und offene Systeme reichen aus. Nicht ATM ist der große Integrator, sondern IP", tönt er.

Für den Vertrieb wird sich ITK für die Zukunft noch einiges einfallen lassen müssen, wenn die Westfalen ihr Ziel erreichen wollen, bis zum Jahr 2000 weltweiter Marktführer zu werden. Die Großkunden werden direkt bedient, den restlichen Markt teilen sich in Deutschland bislang 250 Händler. Immerhin rund 15 Distributoren vertreiben ITK-Produkte. Im vergangenen Jahr setzte die AG 56 Millionen Mark um, bei einem - so Rosenthal - "zweistelligen Ergebnis". Im folgenden Geschäftsjahr, das erstmalig am 1. Juli beginnt, sollen es mit 330 Mitarbeitern schon weltweit 80 Millionen Dollar werden. Ebenfalls 1998 geht es dann auch an die US-Börse NASDAQ. Anscheinend gibt es in Dortmund nicht nur ehrgeizige Fußballvereine. (ld)

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