Going-Publc - Kandidaten auf dem Prüfstand

12.03.1998

MÜNCHEN: Bevor Unternehmen die Plazierung an einem Finanzplatz ins Auge fassen können, ist die Börsenreife gründlich zu analysieren. Konrad Bösl und Rainer Mauer von der Münchner Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner GmbH stellen im folgenden Beitrag vor, worauf Newcomer dabei zu achten haben.Der Schritt an die Börse ist nur dann möglich, wenn das Unternehmen auch börsenreif ist. Das heißt, die von Marktusancen und Emissionsbanken gestellten (Mindest-)Anforderungen müssen erfüllt sein. Im Mittelpunkt dieser Anforderungen stehen die Unternehmensperformance, die Potentiale der zukünftigen Unternehmensentwicklung und die Qualität der Unternehmenssteuerung (innere Börsenreife). Darüber und über die nachhaltige Ausschüttungsfähigkeit ist der konsortialführenden Bank ein Gutachten durch einen neutralen (dritten) Wirtschaftsprüfer (Due Diligence) vorzulegen.

Ein vorausschauendes Management wird die Börsenreife des Unternehmens frühzeitig und systematisch auf den Prüfstand stellen. Die Gefahr ist groß, daß das Emissionsstanding schweren Schaden nimmt, wenn die Emissionsbanken Mängel bei der Börsenreife feststellen. Dies zieht unweigerlich Abschläge bei der Kursfestlegung nach sich.

Unter Umständen muß der bereits mehrmals angekündigte Börsengang verschoben werden. Um diese Gefahr erst gar nicht aufkommen zu lassen, ist es sinnvoll, die Börsenreife eines Unternehmens einem Check zu unterziehen. Dabei ist aufgrund eines breitgefächerten Anforderungsspektrums eine ganzheitliche Betrachtung des Unternehmens, seines Markt- und Wettbewerbsumfeldes sowie der Branchensituation erforderlich.

Entscheidendes Argument für eine frühzeitige und systematische Vorbereitung auf die Börseneinführung ist der zu erzielende Emissionspreis. Dieser kann um so höher angesetzt werden, je positiver die zukünftige Unternehmensentwicklung zu beurteilen ist und je mehr die internen Unternehmensstrukturen auf eine effiziente und erfolgreiche Gestaltung des Wettbewerbs schließen lassen.

Formale Soll-/Muss-Kriterien

Diese Kriterien sind entweder rechtlich geregelt oder ergeben sich aus den Usancen des Marktes:

- Rechtsform: AG, KGaA, oder GmbH & Co. KGaA,

- Mindestalter des Unternehmens: Für die Plazierung im Amtlichen Handel muß das Unternehmen mindestens drei Jahre bestehen. Beim Gang an den Geregelten Markt oder den Neuen Markt genügt bereits ein Unternehmensalter von einem Jahr.

- Testierte (Konzern-)Jahresabschlüsse der vergangenen drei Jahre, soweit das Unternehmen bereits so lange besteht. Falls kein Konzernabschluß vorliegt, kann dieser auch nachträglich noch erstellt werden.

- Mindestumsatz: Der Umsatz sollte im Jahr nach dem Börsengang bei rund 20 Millionen Mark liegen. Ausnahmen sind für Unternehmen mit außerordentlich starkem Wachstum möglich. Bei der Plazierung im Freiverkehr genügt eine weitaus kleinere Umsatzgröße (größer als drei bis fünf Millionen Mark). Zwangsläufig ergibt sich aus den Kosten der Börseneinführung eine gewisse Anforderung an die Umsatzgröße, um diesen Schritt auch finanzieren zu können.

- Mindestplazierungsvolumen: Für eine erfolgreiche Börseneinführung ist es wichtig, daß die Anzahl der Aktien, die sich im Streubesitz (Free Float) befinden, eine Mindestanzahl von etwa 400.000 bis 500.000 Stück erreicht. Ansonsten ist es sehr schwierig, die Aktie zu handeln und ihren marktgerechten Kurs festzustellen. Darüber hinaus gibt es für die einzelnen Marktsegmente gesetzliche Vorschriften für das Mindestplazierungsvolumen.

Innere Börsenreife

Weitaus schwieriger ist die Definition, wann ein Unternehmen die innere Börsenreife erlangt hat. Diese ist nicht rechtlich verankert. Zusammenfassend ergeben sich jedoch folgende Kriterien für die innere Börsenreife:

- Zeitnahes internes und externes Rechnungswesen,

- Effizientes Controlling,

- Fundierte und differenzierte Unternehmensplanung sowie

- Transparente Organisations- und Beteiligungsstruktur.

Bei der Beurteilung der inneren Börsenreife nimmt die Unternehmensplanung eine hervorgehobene Stellung ein. Die Erfahrung zeigt, daß sich an ein zuverlässiges Planungssystem folgende Anforderungen stellen:

- Die Planungssystematik ist zu dokumentieren.

- Die Art der Planung muß eindeutig erkennbar sein. Wichtig ist auch, daß für das gesamte Unternehmen einheitlich geplant wird.

- Der Planungshorizont muß neben dem aktuellen Jahr noch drei weitere umfassen.

- Die Gesamtplanung soll sich aus Teilplänen (Ergebnis-, Bilanz-, Investitionsplanung) für das Gesamtunternehmen und die Töchter zusammensetzen.

- Die Planungsgrößen müssen eindeutig dokumentiert sein. Dazu zählt neben den Planungsprämissen und Rahmenbedingungen vor allem auch das zugrunde gelegte Mengengerüst.

- Die Planung sollte sinnvoll nach Kunden- und/oder Produktgruppen differenziert sein.

- Die Zuverlässigkeit der Planung ist durch eine Abweichungsanalyse der Ist-/Planungsgrößen der Vergangenheit zu belegen.

In engem Zusammenhang mit dem Planungs- steht das Berichtssystem. Hier ist vor allem entscheidend, daß dadurch die effiziente Steuerung des Unternehmens ermöglicht wird. Daher ist auf Adressatenbezogenheit, Darstellungsform, Häufigkeit, Abweichungsberichte und Aktualität der Berichte besonderer Wert zu legen. Ein weiteres Kriterium der inneren Börsenreife sind transparente Organisations- und Beteiligungsstrukturen: Weder verschachtelte Beteiligungsverhältnisse noch ineffiziente Organisationsstrukturen dienen einem positiven Emissionsstanding.

Markt- und Branchensituation

Die jeweilige Markt- und Branchenpositionierung des Unternehmens ist für die Einschätzung der Börsenreife außerordentlich wichtig. Die Branche muß eine stabile und positive Zukunftsentwicklung aufweisen. Indikatoren sind beispielsweise das Markt- und Marktanteilswachstum im Kerngeschäft. Weiterhin ist die Wettbewerbsintensität ein wichtiges Beurteilungskriterium. Indikatoren hierfür sind Markteintrittsbarrieren, bestehende Produktionskapazitäten im Vergleich zur Gesamtnachfrage oder die Verhandlungsmacht von Lieferanten und Kunden.

Das Unternehmen selbst muß sich eine feste Marktposition geschaffen haben, oder zumindest haben eindeutige Anzeichen dafür vorzuliegen, daß dies machbar ist. Darüber hinaus ist es wichtig, daß ein Unternehmen die Erfolgsfaktoren im Markt in einer besonderen Art und Weise erfüllt und sich positiv gegenüber den Mitbewerbern differenzieren kann. Besonders beeindruckend ist zum Beispiel, wenn sich eine Unternehmenskonjunktur darstellen läßt, das heißt, der Börsenkandidat nicht nur mit dem Markt mitschwimmt, sondern die Marktentwicklung übertrifft und eigene Impulse geben kann.

Poteniale der Unternehmensentwicklung

Eng mit der Markt- und Branchensituation hängen die Entwicklungspotentiale des Unternehmens zusammen. Diese sind insofern für das Emissionsstanding von besonderer Bedeutung, weil diese Größe maßgeblich den Börsenwert eines Newcomers mitbestimmt. Je besser die Markt- oder Wachstumsprognosen, um so höher fällt die Unternehmensbewertung aus:

- Die Umsatzrendite des Unternehmens ist größer als der Branchendurchschnitt.

- Die Planung zeigt eine stetige Steigerung der Umsatz- und Gewinnwachstumsraten.

- Die Ertragssituation läßt für die Zukunft eine überdurchschnittliche Dividendenrendite erwarten.

- Das Unternehmen verfügt über eine klare Unternehmensstrategie und über ein hohes Innovationspotential.

Maßgeblich wird die Unternehmensentwicklung vom Management bestimmt. Die fachlichen Kompetenzen in den Führungsetagen sind ausschlaggebend, um die vorhandenen Markt- und Erfolgspotentiale zu erkennen und zu realisieren. Deshalb sollten Firmen erst dann den Sprung aufs Börsenparkett wagen, wenn alle wichtigen Funktionsbereiche mit kompetenten Führungskräften besetzt sind.

In der Praxis gibt es nur wenige Unternehmen, die alle Kriterien der Börsenreife uneingeschränkt erfüllen. Daher ist es wichtig, die Börsenreife zunächst ohne Einschaltung der Finanzöffentlichkeit zu überprüfen und sicherzustellen. Auch für den Fall, daß es nicht zu einem Going Public kommen sollte, bringt die Sicherstellung der Börsenreife enorme Vorteile. Sie ist ein Qualitätszeugnis einer professionellen Unternehmensführung.

Von entscheidender Bedeutung ist, daß das Unternehmen seine Börsenreife und -attraktivität so positiv wie möglich am Kapitalmarkt präsentiert. Als erstes haben sich Firmen deshalb vor Banken zu präsentieren, die als potentielle Konsortialbanken in Frage kommen. Dies geschieht in der Regel im Rahmen eines sogenannten Bankenexposés.

In dieser etwa 60 bis 80 Seiten umfassenden Dokumentation wird auf alle spezifischen Faktoren der Börsenreife eingegangen. Gleichzeitig bildet das Exposé die Basis, auf der die Banken ihre Einschätzung zum Börsengang des Unternehmens und ihr Angebot zur Konsortialführung, inklusive der Einschätzung des Börsenwertes (Unternehmenswertes), abgeben.

Insofern greifen

- Überprüfung,

- Sicherstellung sowie

- Dokumentation

der Börsenreife ineinander über und garantieren dem Unternehmen die bestmögliche Vorbereitung eines Going Public.

(In den nächsten Ausgaben von ComputerPartner erscheinen weitere Beiträge zu den Themen Emissionskonzept, Preisfindung und Going Public.)

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