Graphisoft: "1999 mussten wir erst einmal wieder Schwung holen"

27.01.2000
Dass die Spielregeln am Neuen Markt knallhart sind, bekam auch CAD-Software-Hersteller Graphisoft im vergangenen Jahr zu spüren: Der Aktienkurs, der Anfang 1999 ins Bodenlose fiel, hat sich bis heute nicht erholt. Dennoch ist das Unternehmen für dieses Jahr optimistisch gestimmt.

Johannes Reischböck will sich nicht unterkriegen lassen: "Natürlich ist unser Aktienkurs nicht berauschend. Aber da müssen wir jetzt durch", gibt sich der Geschäftsführer der Graphisoft Deutschland GmbH kämpferisch. "Wir hatten aufgrund der Asienkrise eine Gewinnwarnung abgegeben, was wir nach deutschem Börsenrecht nicht hätten machen müssen", blickt Reischböck zurück. Prompt sei der Kurs der Aktie abgestürzt. Dazu kam, dass man es versäumt hatte, nach dem Ausstieg der Deutschen Bank einen zweiten deutschen Finanzpartner ins Boot zu holen. Das Ergebnis: Der Kurs, der noch im Januar 1999 bei 30 Euro stand, sackte bis auf neun Euro ab. Derzeit notiert das Papier bei etwa zwölf Euro.

Dass das vergangene Jahr nicht berauschend war, weiß auch Reischböck: "1999 mussten wir erst einmal wieder Schwung holen. Doch jetzt fühlen wir uns gut gerüstet", meint der Deutschland-Chef und fügt mit Blick auf den Aktienkurs hinzu: "Der Neue Markt konsolidiert sich erst noch." Seinen Optimismus begründet Reischböck gleich auf mehrere Faktoren: Zum einen sei Graphisoft inzwischen keine One-Product-Company mehr. Zum anderen habe sich der CAD-Spezialist durch Akquisitionen und Beteiligungen verstärkt. So hat sich Graphisoft im Dezember 1999 an der Cetec Vision AG beteiligt - ein Deal, der Reischböck besonders freut: "Durch Cetec haben wir Zugang zu technologischen Vorteilen bekommen, die wir nur schwer allein aufbauen könnten", so der Graphisoft-Manager. Und sein Chef Gábor Bojár, Vorstandsvorsitzender und CEO von Graphisoft, ergänzt: "Wir bieten mit unserer Archi-CAD-Technologie die optimale Grundlage für die Nutzung des "Virtuellen Gebäude"-Konzepts. Neben Heizung, Lüftung, Sanitär und Elektro bereichern nun auch Steuerungssysteme unser ganzheitliches Gebäudemodell. Die Produkte von Cetec passen somit optimal in unser Leistungs-Portfolio und ergänzen unsere Facility-Management-Lösung." Daneben hatte das Unternehmen mit Sitz in Budapest im vergangenen Jahr die BauplanDivision von Wiechers & Partner und das Software-Unternehmen Cymap gekauft. Weitere Akquisitionen, zumindest in Deutschland, schließt Reischböck derzeit aus: "Die Preise hier zu Lande sind einfach verdorben. Außerdem bringt es nichts, Firmen mit einer niedrigen Umsatzrendite zu kaufen."

Bau-Rezession bringt mehr Geschäft

So gerüstet, glaubt Graphisoft an eine glänzende Zukunft. Zumal sich der CAD-Markt, der nach den Worten von Reischböck nicht größer werden wird, am Scheidepunkt befindet. "Derzeit geht es um die Entscheidung, von zeichnungsorientierten auf gebäudeorientierte Programme umzusteigen. Und dann liegen wir mit unserem ‘Virtuellen Gebäude’ genau richtig", meint der Graphisoft-Statthalter (siehe Kasten). Vorteilhaft für den CAD-Software-Hersteller sei auch die Rezession der Baubranche. "Viele Anwender steigen in solchen Zeiten von teuren Unix-Systemen auf Windows um. Davon profitieren wir", erklärt Reischböck.

Vertrieben wird die CAD-Software "Archi CAD" ausschließlich über den Fachhandel. Graphisoft fungiert dabei als Distributor. "Wenn ich noch zusätzlich einen Großhändler einschalte, forciere ich den Preiskampf unter unseren Partnern. Das wollen wir aber unter keinen Umständen", macht der deutsche Graphisoft-Chef deutlich. Besonders freut ihn, noch keinen der derzeit 35 Partner durch Konkurs verloren zu haben. Allerdings sind auch die Anforderungen, die Graphisoft an Händler stellt, hoch. "Der Bereich Bau muss Kernbereich der Geschäftstätigkeit unserer Partner sein. Gelegenheitsverkäufer brauchen wir nicht", so Reischböck. Wer einmal im Boot ist, kann sich dann auch über eine beachtliche Marge freuen. Wie hoch diese genau ist, wollte Reischböck nicht verraten.

Trotz der guten Voraussetzungen gibt es für das Unternehmen, das Niederlassungen in Europa, Asien und Amerika hat, noch viel zu tun. "Der Neue Markt fordert, den Umsatz in drei bis vier Jahren zu verdoppeln - das müssen wir schaffen", ist sich Reischböck bewusst. Derzeit sind die Sprünge noch nicht so groß: Während 1997 weltweit 38,4 Millionen Mark umgesetzt wurden, waren es 1998 "nur" rund 44 Millionen Mark. Wie es 1999 ausgesehen hat, vermag der deutsche Chef noch nicht zu sagen. Der Jahresüberschuss verringerte sich 1998 gegenüber dem Vorjahr gar von 13,6 auf 12,8 Millionen Mark. Grund dafür war das Auslaufen der 100-prozentigen Steuerbefreiung in Ungarn. Und auch bei der Frage nach dem Jahresüberschuss von 1999 hüllt sich Reischböck noch in Schweigen und verrät nur: "Ich gehe davon aus, dass die Umsatzrendite nicht unter 20 Prozent rutschen wird." (sn)

www.graphisoft.de

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