Gut, daß ich den Oskar hab'...

20.02.1998

Beim Umgang mit den lieben Kunden haben die Fachhändler in der Computerbranche häufig kein leichtes Los. Leidensgenosse Antonin Jelinek, seit gut 13 Jahren als Computerfachhändler im Geschäft, hat sich mit der Situation gerade der kleineren in der Branche auf seine Weise auseinandergesetzt.

Seitdem ich das Computergeschäft betreibe, kommt es selten vor, daß ich über genügend Zeit verfüge, um mich mit meinen Freunden Oskar & Oskar auf die Veranda setzen und ungezwungen plaudern zu können.

Diesmal allerdings habe ich mir die Zeit einfach genommen. Doch dann ist es auch schon vorbei mit der Gemütlichkeit - bei einem Glas Alka-Seltzer bricht es endgültig aus mir hervor:

"Ich sag's euch, das ganze Geschäft stinkt mir gewaltig! Warum kandidiere ich nicht gleich fürs Kanzleramt, gründe eine eigene Partei oder stecke den ganzen Laden einfach in Brand und wandere aus?!"

"Wohin?" stellt mir Oskar - unser graugetigerter Kater und Pragmatiker - die heikle Frage und beobachtet mich interessiert.

"Du solltest nach Tschechien gehen", schlägt Oskar, mein Freund aus Prag, gelassen vor. "Bei uns sind die Löhne niedriger, und bei den Grundstückspreisen kannst du dir um einiges mehr leisten als hier! Sag mal, warum bist du heute eigentlich so aggressiv?"

Ja, warum bin ich überhaupt aggressiv? Allerdings - warum eigentlich nicht?

"Weil ich es zum Kotzen finde, wenn ich darüber nachdenke, unter welchen Umständen ich mein Brot verdienen muß. Die ganze verflixte Branche hat sich ihre Kundschaft verdorben, da sind Sitten eingerissen wie bei einer Horde schwererziehbarer Jugendlicher! Tja, und jetzt steckt der Karren eben im Dreck. Das ist ja wohl einmalig in der Welt der Wirtschaft.

Oder könnt ihr euch etwa vorstellen, daß sich zum Beispiel Juristen von ihren Mandanten so behandeln lassen, wie wir aus der Computerbranche das unseren Kunden erlauben?"

"Wie meinst du denn das?" will Oskar, mein Freund aus Prag, wissen.

"Nun, stell dir doch mal folgende Situation in einer Anwaltskanzlei vor:

"Guten Tag, ich möcht' mit Herrn Rechtsanwalt Mayer sprechen."

"In welcher Angelegenheit?"

"Tja, ich beabsichtige in - sagen wir - zwei, drei Monaten einen Streit mit meinem Nachbarn vor Gericht auszutragen, und da möchte ich gern eine kostenlose und unverbindliche Beratung."

"Der Herr Rechtsanwalt ist leider zu Tisch. Könnten Sie später kommen?"

"Was?" erwiderst du dann mit widerwärtiger Stimme. "Zu Tisch? Brauchen Sie keine Kunden? Ich war bereits bei 19 anderen Rechtsanwälten, aber so was ist mir noch nicht vorgekommen!"

Dann wedelst du mit vielen zusammengerollten Prospekten der Großen in der Branche wie Mega Recht, Pro-Recht, Recht und Sieg etc. vor der Nase der Dame herum, damit sie begreift, daß es nicht nur andere und vor allem billigere und größere in der Branche gibt, sondern welche, die ihre potentielle Kundschaft - Entschuldigung - Mandanten bereits im Vorfeld verwöhnen, vor allem mit Preisen.

Wichtig ist, daß die Anzeige der Rechtsanwaltskette "LOBIS" zum Tragen kommt. (Angebot der Woche: Doppelmord inkl. Bankraub für nur 1.666 Mark inklusive 15 Prozent gesetzlicher Mehrwertsteuer und Berufung bis zum Oberlandesgericht).

So ein Auftritt wirkt augenblicklich "natürlich" und du sitzt in ein paar Minuten vor deinem Rechtsanwalt. Er entschuldigt sich beschämt für all die Unannehmlichkeiten, die du gerade erleben mußtest, und bietet dir Kaffee und Kuchen, Aschenbecher und unbegrenzte Beratungszeit an,

n a t ü r l i c h kostenlos, denn sein Kunde ist König!

Du gibst ihm zuerst eine Handvoll Ratschläge, wie er den vermeintlichen Fall angehen soll. Denn schließlich seid ihr - du, dein Nachbar, dein Freund, dein Bruder, deine Schwester, dein Mitarbeiter sowie deine Haushälterin - allesamt erfahrene Hobby-Rechtsanwälte.

Es muß diesem dusseligen Rechtsanwalt einfach sofort klar sein, daß du ihm, trotz der besseren, billigeren und kompetenteren Konkurrenz, den Fall überlassen willst (natürlich nur, falls dieser überhaupt eintritt). Denn schließlich ist er:

- um die Ecke,

- Fachmann,

- teuer, jedoch blöd genug, dir jederzeit den Hintern zu wischen,

- Garant für Erfolg,

- Tag und Nacht für dich da,

und das alles im Preis inbegriffen.

Während der Beratung läßt du dir natürlich den gesamten Betrieb inklusive aller Toiletten und privaten Räumlichkeiten zeigen, ebenso wie seine Zeugnisse, sein Diplom und sämtliche Referenzen. Falls er nicht bereit ist, dir Einblick in seine Bilanzen und Kontoauszüge zu gewähren, stehst du natürlich sofort auf und verabschiedest dich - und zwar möglichst unhöflich.

Nachdem du dich innerhalb von drei Monaten und nach fünf Beratungen endlich entschieden hast, dich von diesem einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen (falls der vermeintliche Fall eintreten sollte), folgt der nächste Schritt.

Der Preis, den du dem Angebot des Rechtsanwalts auf der letzten Seite unten rechts entnimmst, scheint entschieden zu hoch:

"850 Mark inklusive Gerichtskosten durch alle Instanzen?", zischst du durch die Zähne. "Mit einer solchen Summe habe ich nun aber wirklich nicht gerechnet! Wo können wir abspecken? Spitzen Sie doch mal Ihren Bleistift, Herr Rechtsanwalt."

"Gut", beruhigt dich der bereits völlig willenlose Anwalt, "gut, also 390 Mark."

"Hm", nickst du mit dem Kopf, "wieviel Prozent Skonto geben Sie mir bei, sagen wir, 30 Tagen Zahlungsziel?"

Dann, nach vier Monaten Beratung und unzähligen Angebotserstellungen, ziehst du den letzten Trumpf aus dem Ärmel:

"98 Mark Honorar wäre ich durchaus bereit zu zahlen. Rechnen Sie mir bitte die monatliche Rate bei einer Laufzeit von 60 Monaten aus, und schicken Sie mir das überarbeitete Angebot zu.'

Spätestens jetzt zieht der Rechtsanwalt den Revolver aus der Schublade, erschießt dich und deine ganze verdammte Familie, danach alle seine Firmenangestellten und zum Schluß sich selbst."

"Oder er steckt seine Kanzlei in Brand und wandert aus,", spinnt mein Freund Oskar aus Prag den Faden betroffen weiter.

"Sind die Rechtsanwälte wirklich so dumm?", fragt mich Oskar, der Kater, ungläubig.

"Natürlich nicht, die rechnen nach Brago ab!"

Oskar, mein Prager Freund, sieht mich von der Seite mit seinen kleinen, schlauen Augen an:

"Und warum lassen die Fachhändler in der Computerbranche dieses Spielchen mit sich treiben?"

"Tja, warum. Gute Frage ...

*Die satirische Betrachtung entstammt der Feder von A. Jelinek, Computerfachhändler in Darmstadt.

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