Gut geplant ist halb migriert

02.08.2001
Unabhängig von Ort und Zeit auf aktuelle Unternehmensinformationen zugreifen zu können, ist im Internet-Zeitalter fast eine Selbstverständlichkeit - vorausgesetzt, die Company verfügt über ausfallsichere Netzwerke, eine zentrale aktuelle Datenbank und eine effiziente Organisation aller Verzeichnisdienste. Mit dem Aufkommen der 2000er-Versionen von Windows, Office und Exchange liegt auch eine Migration auf Microsofts Verzeichnisdienst Active Directory nahe, behauptet Joke Reschenberg*.

Viele Unternehmen erwägen eine Migration auf die Microsoft-Dienste Active Directory und Exchange 2000. Doch der Umstieg auf ein neues Directory ist eine komplexe Aufgabe und umfasst alle betrieblichen Prozesse. Wer die Migration in einem vertretbar kurzen Zeitraum umsetzen will, benötigt eine gute Planung und kompetente Beratung mit betriebwirtschaftlicher und informationstechnischer Kompetenz.

Was kommt nach Banyan Vines?

Stabiles System, leicht auffindbare Informationen, geringer Administrationsaufwand - das waren die Merkmale des Netzwerksystems Banyan Vines. Vor allem Unternehmen, die damit in Unix- oder NT-basierenden Umgebungen gearbeitet haben, wussten die Vorzüge dieses Betriebssystems zu schätzen.

So mussten Änderungen nur an einer Stelle eingepflegt werden, Anwender brauchten sich lediglich mit Namen und Passwort einzuloggen, Banyan Vines ordnete ihnen unternehmensweit automatisch Zugriffsberechtigungen zu. Dreh- und Angelpunkt des Betriebssystems war das Verzeichnis, das alle Geräte, Dienste und Nutzer mit Namen belegt und Eigenschaften wie Adresse oder Zugriffsberechtigungen hinterlegt hatte.

Trotz all dieser Vorteile kam nach fast 20 Jahre das Aus für das Vines-Betriebssystem. Der Hersteller der Software Banyan konnte sich nicht mehr am Markt halten, fungiert nun unter dem Namen Epresence und agiert als reiner Dienstleister ohne eigene Produkte.

Das Haupttätigkeitsfeld von Epresence besteht - wen wundert#s - in der Migration der Kunden von Banyan Vines auf ein anderes Verzeichnissystem. Als neue Plattform bevorzugt der Dienstleister hierbei das Active Directory und Exchange 2000 von Microsoft.

Denn über die Verzeichnisdienste hinaus bietet Windows 2000 auch Serverdienste an. In das Betriebssystem sind ferner zahlreiche Applikationen wie Webserver, COM-Komponentendienste, Messaging- Queue-Support, Zugang zu Datenbanken, Internet-Sicherheit und End-to-End-Support von XML integriert.

Exchange 2000 nutzt das Active Directory als Speicherort für Änderungen in den Adressen, Listen und Dateien. Somit entfällt hier die sonst notwendige gesonderte Pflege der Daten und Verzeichnisse.

Einbeziehung von Geschäftsprozessen

Aufgrund der Kompatibilität zu zahlreichen Anwendungen stellt der Einsatz von Windows 2000 für viele Unternehmen eine zukunftssichere Investition dar. Doch der Wechsel ist aufwändig. Denn Migration zu Windows 2000 bedeutet: weg von Workstation-zentrierter Management-Umgebung hin zu Anwender- und Policy-basierender Architektur.

Nicht die einzelnen Server und technische Fragen sind Ausgangspunkt bei der Vorbereitung des Wechsels. Stattdessen stehen die Gesamtstrategie des Unternehmens und die Bedürfnisse der einzelnen Anwender am Anfang aller Überlegungen. Folglich müssen betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte frühzeitig in die IT-Planung mit einbezogen werden.

Wer von einem nicht Microsoft-basierendem System auf Windows 2000 umsattelt, muss natürlich mit größerem Migrationsaufwand rechnen als ein NT-Umsteiger. Dies gilt auch für Unternehmen, die von Banyan Vines aus wechseln. Denn das Active Directory von Microsoft hat einen großen Funktionsumfang. Mit dem Erwerb von Windows und Exchange 2000 allein ist es nicht getan. Eingehende Beratung bereits im Vorfeld entscheidet über den Erfolg eines derartigen Projekts.

"Umfangreiche Erfahrung mit Windows 2000 ist für einen Dienstleister die grundlegende Voraussetzung. um die Migration stemmen zu können", erläutert Volker Schlittenhardt, Geschäftsführer von Epresence Deutschland. "Nur nach genauer Analyse und Planung der betriebsinternen Abläufe kann der Kunde den größtmöglichen Nutzen aus der Migration ziehen. Dabei greifen unternehmerische und technische Fragestel- lungen ineinander. Beratende Unternehmen müssen deshalb sowohl betriebswirtschaftliche als auch technische Kompetenz aufweisen", so Schlittenhardt gegenüber ComputerPartner.

Marktforscher bestätigen den Trend zu externen Dienstleistungen, wenn es um die Implementierung und den Support für das 2000er-Paket von Microsoft geht: Für 2001 prognostiziert etwa die Meta Group dafür Investitionen deutscher Unternehmen in Höhe von 140 Millionen Mark. 2002 soll sich die Summe bereits auf 231 Millionen Mark belaufen.

Beratung im Modulsystem

Das Consulting bei Migrationsprojekten besteht in der Regel aus mehreren Modulen. Für kleine und mittelgroße Unternehmen ist auch eine zweiwöchige Vorbereitungs- phase anstelle des Gesamtpakets denkbar.

Modul 1: Planung und Design - das A und O der Migration

Zunächst prüft man die Anforderungen des Kunden und den daraus hervorgehenden Projektumfang. Also:

Welche Ziele will der Kunde erreichen? Welchen Stellenwert soll bei ihm E-Business einnehmen? Welche Prozesse sollen anschließend laufen? Wie ist die Unternehmensstruktur in Verzeichnissen abge-bildet?

Diese Fragestellungen gilt es mit Geschäftsführung und Abteilungsleitern sowie den IT-Leitern und -Spezialisten zu diskutieren.

Darüber hinaus sollte der IT-Dienstleister sicherstellen, dass der mit Windows 2000 erreichte Nutzen nicht durch zu lange dauernde Server- oder Netzoperationen zunichte gemacht wird. Deshalb erfasst das Beraterteam den hierfür notwendigen Rechenaufwand und überprüft die Prozessor-Leistungsfähigkeit sowie die Speicherkapazität der vorhandenen Maschinen. Auch die vorhandene Software ist hinsichtlich ihrer Kompatibilität mit Windows 2000 und ihrer Skalierbarkeit zu analysieren.

In gemeinsamen Workshops erörtert anschließend ein Team aus Beratern und IT-Verantwortlichen des Kunden die Ergebnisse der Anforderungsbewertung und erarbeitet ein Konzept für die Umstellung der Systeme. Dessen zentrale Bestandteile sind die Definition von Verzeichnisprioritäten sowie die detaillierte Planung des Designs.

Denn die Qualität des Verzeichnisses - des Herzstücks der Netzwerkorganisation - ist entscheidend für die Benutzerfreundlichkeit, die Aktualität und die Administrierbarkeit des Systems und daran hängenden Anwendungen. Mit Blick auf größtmögliche Mobilität ist es außerdem notwendig, eine E-Mail-Infrastruktur festzulegen und die Architektur des neuen Messaging-Systems zu entwickeln. Ferner ist auch eine genaue Phasenplanung für den weiteren Projektablauf wichtig.

Danach ermittelt der Kunde zusammen mit seinem IT-Berater die benötigte Hardware und Software. Man legt die Projektschritte fest und erstellt einen Budgetplan. Im Anschluss definiert man gemeinsam die Rahmenbedingungen für Ausschreibungen und wählt geeignete Lieferanten und Dienstleister aus. Schließlich identifizieren die Consultants potenziell auftretende Probleme und unterbreiten dem Management des Kunden Vorschläge für die Risikominimierung.

Modul 2: Implementierung,Testphase und Schulung

Da die nächsten Schritte profundes technisches Know-how in allen Fragen der Migration erfordern, werden in dieser Phase IT-Spezialisten aktiv: Zunächst gilt es, eine aktuelle Version von Windows 2000 in einer Pilotumgebung zu installieren und zu konfigurieren. Immer die Struktur der Unternehmensprozesse vor Augen, imple- mentiert und integriert der externe Fachmann das Active Directory, wobei er neue und bestehende Datenquellen zu einem unternehmensweiten Verzeichnisdienst zusammenführt und verzeichnis- fähige Applikationen wie Exchange 2000 anpasst.

Im nächsten Schritt erfolgt der Testlauf mit einer abschließenden Dokumentation, die auch Empfehlungen für das weitere Vorgehen enthält. Nun wird ermittelt, ob die folgenden Hauptziele erreicht sind: Reduzierung der Netzbetriebskosten, Verbesserung der Produktivität sowie bessere Nutzung der Ressourcen und Applikationen.

Modul 3: Migration

Die eigentliche Migration umfasst - im Falle der Neuanschaffung - die Einrichtung der Clients, die manuelle Synchronisation der Verzeichnisse sowie die Datenmigration. Dies sollte möglichst zügig und nur zu einem vorher bestimmten Zeitpunkt geschehen. So kann der Netzwerkausfall während der Systemumstellung gering gehalten werden, und die Daten bleiben auf dem aktuellsten Stand.

Wenn sich der Dienstleister mit den Geschäftsprozessen eines Unternehmens gründlich auseinander setzt, um sie im Netzwerk abzubilden, kommt er oft um die Restrukturierung der Abläufe oder gar der gesamten Organisation selbst nicht umhin. Wichtig ist es daher, dass im Unternehmen schon zu Beginn der Analyse nicht nur der IT-Manager mit einbezogen ist, sondern auch die Leiter aller Fachabteilungen wie Materialbeschaffung, Fertigung, Personal, Vertrieb, Versand, Buchhaltung und Rechnungswesen.

Einführung von anerkannten Standards, E-Business-Fähigkeit, Senkung der Personalkosten sowie Erhöhung der Speicherkapazität # das ist der primäre Zweck einer Migration auf Windows 2000. Darüber hinaus gewinnt das Management wertvolle Erkenntnisse über Abläufe und Strukturen im eigenen Unternehmen. Dieser Know-how-Vorteil ermöglicht es dem Kunden, sich nach der Migration dynamischer im Markt aufzustellen, kundenorientierter zu handeln und somit seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

*Joke Reschenberg ist freie Fachjournalistin in München.

ComputerPartner-Meinung:

Ein ähnliches Schicksal wie Banyan droht wohl auch Novell. Im vergangenen Monat hat sich die einstige Netzwerkgröße endgültig das Beratungsunternehmen Cambridge Technology Partners einverleibt und fungiert nun, nach eigenen Worten, als Lösungsexperte. Zwar hat die neue Novell, im Gegensatz zu Banyan, noch eigene Produkte im Portfolio, doch wenn ein Kunde unbedingt auf Windows 2000 migrieren und auch Microsofts Verzeichnisdienst Active Directory implementiert haben möchte, wird sich Novell kaum querstellen und auf das eigene "eDirectory" beharren - oder? (rw)

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