Gute Geschäftszahlen zeigen wenig Wirkung

08.06.1998

BERLIN: Obwohl die Berliner Teles AG im ersten Halbjahr 1998 kräftige Steigerungsraten bei Umsatz und Gewinn erzielte, schaffte es die junge Aktie bislang nicht, an Fahrt zu gewinnen.Wie der Berliner ISDN-Spezialist vor kurzem bekannt gab, schnellte der Umsatz in den ersten sechs Monaten gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode um 80 Prozent auf 88 Millionen Mark hoch. Der Börsen-Newcomer konnte den Angaben zufolge den Gewinn im gleichen Zeitraum von 2,3 Millionen auf 5,5 Millionen Mark steigern (plus 140 Prozent).

Mit diesem Ergebnis gelang Sigram Schindler quasi eine Punktlandung. Kleiner Schönheitsfehler dabei: Der Teles-Vorstandsvorsitzende wollte diese Zahlen bereits vor einem Jahr in seinen Geschäftsbüchern lesen. Möglich, daß Schindler jetzt für Planungsunsicherheiten beim Going-public die Quittung bekam. Die mehrmalige Verschiebung des Börsengangs nach Frankfurt dürfte auch am Firmenimage gekratzt haben. Denn die Ende Juni mit 90 Mark am Neuen Markt ausgegebene Aktie zeigte auch nach Bekanntgabe des Halbjahresergebnisses wenig Kursfantasie und bewegt sich seit Wochen zwischen 135 und 150 Mark.

Gut möglich ist aber auch, daß das Technologieprofil der Berliner Company potentielle Anleger zur Vorsicht mahnt. ISND wird nach Einschätzung von Branchenexperten spätestens im Jahr 2003 zum alten Eisen gehören. Das Marktforschungsinstitut Forrester Research prophezeit dem europaweiten ISDN-Markt in den nächsten Jahren noch Wachstumsraten von 30 Prozent. Derzeit wird bei Teles deshalb eifrig an der Nachfolgetechnologie ADSL, die vor allem in den USA favorisiert wird, gearbeitet. Schindler plant sogar, eine Generation von ADSL-Produkten "zu überspringen", um den Wettbewerbsvorteil der US-Anbieter auszugleichen.

Einer aktuellen IDC-Studie zu ISDN-PC-Karten zufolge mußte Teles im zurückliegenden Geschäftsjahr empfindliche Einbußen bei Marktanteilen hinnehmen. Mit einem Rückgang von 24,7 auf 14,7 Prozent gehören die Berliner zu den Verlierern im deutschen ISDN-Markt. Teles verkaufte 1997 laut Untersuchung der US-Analysten rund 210.000 Geräte und kam damit auf ein Plus von sieben Prozent. Genaue Angaben zu den Steigerungsraten in den einzelnen Geschäftsfeldern wurden ComputerPartner auf Anfrage nicht gemacht.

Schlechte Noten wurden den Berliner ISDN-Spezialisten bereits wiederholt in Sachen Öffentlichkeitsarbeit und Kundenservice erteilt. Nicht zuletzt stand Teles-Chef Schindler, der vor einem Jahr etwas vorschnell seinen Wechsel in den Aufsichtsrat Ende 1998 verkündete, wiederholt im Kreuzfeuer der Kritik. Berichte in den Medien über rabiate Führungsmethoden im Hause Teles mögen zwar zum Schmunzeln einladen, lassen aber Zweifel an der sozialen Kompetenz des 62jährigen Hochschulprofessors aufkommen. (god)

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