Gute Margen trotz Preisverfall

19.11.1998

MÜNCHEN: Jeden Tag tobt in der Computerbranche die Schlacht um Umsätze und Marktanteile. Was danach kommt, ist den meisten Herstellern schnuppe. Doch kaum ist die Branchenkarawane zu neuen Produkten und Märkten weitergezogen, machen sich Gebrauchthändler daran, die einstige, so schnell veraltete Neuware noch einmal zu Geld zu machen."Wenn der Zuwachs an gebrauchten PC von einem Hersteller gekommen wäre, dann wäre dieser Hersteller locker in den Top 10 aller PC-Anbieter im US-Consumermarkt gelandet." Dieses markige Zitat von Dataquest-Marktforscher William Schaub ist zwar schon fast zwei Jahre alt, besitzt aber noch immer Gültigkeit - zumindest in den USA. Immerhin waren dort nach Ansicht diverser Analysten auch im vergangenen Jahr zwischen 15 und 20 Prozent aller "neuen" PC in den Wohnstuben gebraucht.

Die Europäer, zumal die Deutschen, handeln und kaufen deutlich weniger Second-hand-Computer (siehe Grafiken). Das dürfte auch eine der Ursachen dafür sein, daß jenseits des Atlantiks noch immer mehr PC in den Haushalten stehen als in der alten Welt. Dieser Unterschied illustriert jedoch auch das Potential, das hierzulande noch im Handel mit gebrauchter Hardware steckt. Die typische Zielgruppe ist nämlich hüben wie drüben die gleiche: Schulen, Selbständige und Kleinunternehmer, Privathaushalte. Letztere entsprechen allerdings nicht dem Idealbild der Hersteller vom heimischen Power-user: Second-hand-Käufer haben ein geringeres Einkommen, sind weniger formal gebildet, und - hier wird's politisch noch unkorrekter - vielfach Frauen. Allerdings sind diese Leute auch mehrheitlich Erstkäufer.

Neu- und Gebrauchtmarkt sind verschiedene Baustellen

Trotzdem kommen sie nicht mit den besser situierten Verbrauchern in die Quere. Das sehen auch 148 im Auftrag von ComputerPartner befragte Fachhändler so, die nicht mit Ware aus zweiter Hand handeln: Nur zwei Prozent sagen, daß Second-hand-Händler für sie eine Konkurrenz darstellen. Das hat zwei Hauptgründe: Zum einen sind die Freunde der Gebrauchten genügsamer. Sie brauchen nicht den neuesten Schnickschnack, sondern suchen oft nicht mehr als eine bessere Schreibmaschine. Da die PC-Industrie aber solche preisgünstigen Einfachrechner nicht verkaufen mag, sondern lieber teure Multimedia-Boliden, bleibt dem bescheidenen Anwender im Grunde nur der Gebrauchtmarkt. Zum anderen sind der Neu- und der Altgerätemarkt "in hohem Maße voneinander abhängig. Neu-Anbieter brauchen Alt-Anbieter, um überschüssige Ware loszuwerden", erklärt Christine Arrington vom Marktforscher International Data Corporation (IDC).

Daran wird auch der anhaltende Preisverfall nicht viel ändern. Zwar werden dadurch auch die Gebrauchtgeräte billiger (siehe Grafik), überflüssig wird dieser Markt jedoch nicht. Warum? Die anspruchsvollen Privatanwender werden ihre High-end-PC laut IDC im Jahr 2002 schon nach 18 Monaten wieder loszuwerden versuchen (gegenüber einer heutigen durchschnittlichen Gebrauchsdauer von 28 Monaten). Büro-PC werden dann nach 28 statt heute 36 Monaten ausgemustert. Damit nicht genug: Viele Schnäppchenjäger, die einen Aldi- oder Lidl-PC nach Hause getragen haben, werden schon bald Lust auf mehr Rechen-Power bekommen. So oder so: Der Nachschub für den Second-hand-Markt ist gesichert, und dieser Markt existiert und gedeiht auch in Deutschland - allerdings eher im Verborgenen.

Die wenigen Anbieter, die hierzulande in diesem Geschäft aktiv sind, äußern sich allerdings recht zufrieden. Unter den Herstellern engagieren sich vor allem die ganz Großen. Dann geht es allerdings weniger um altersschwache PC und Drucker, sondern meistens um teure High-end-Gerätschaften. Hewlett-Packard, Siemens, und Sun gehören zu denen, die schon seit langem vor allem ausrangierte Unix-Server und -Workstations aufmöbeln und entweder selber oder über ihren indirekten Kanal profitabel wieder an den Mann bringen. IBM beispielsweise verkauft auf diesem Wege auch gebrauchte Midrange- und Speicher-Subsysteme, Netzwerk-Equipment und Mainframes. Inzwischen kommen immer mehr Personal Computer über Austausch- oder Leasing-Geschäfte zurück, aber die überlassen die Hersteller in der Regel gleich den Brokern, sonstigen Händlern oder dem Recycling (siehe Interview Seite 88).

Wenige, aber zufriedene Second-Hand-Händler

Die Broker-, sprich Zwischenhändler-Szene ist in Deutschland im Gegensatz zu den USA noch ein Brei mit sehr vielen Köchen. Es gibt nur eine Handvoll Unternehmen mit nennenswerten Umsätzen, darunter die Walldorfer Omnico GmbH: "Wir werden in diesem Jahr 25.000 PC verkaufen. 1997 waren es noch 15.000", bilanziert Gründer und Geschäftsführer Matthias Krönke, dessen Unternehmen im Mai 1998 von der englischen Leasingfirma Dataserv übernommen wurde. Zufrieden ist der Hesse auch mit dem Umsatz: sieben Millionen Mark gegenüber 5,7 Millionen im Vorjahr. "100 Prozent Wachstum" gab es angeblich auch bei der Zahl der Händler. Zur Zeit stehen zirka 700 auf Krönkes Faxverteiler. Mit ihnen macht er 40 Prozent seines Umsatzes. Weitere 40 Prozent verdankt er dem osteuropäischen Ausland. 20 Prozent gehen an Schulen und Endkunden. Beim Einkauf halten sich die Hessen an die "Top 500" der deutschen Unternehmen und an große PC-Markenhersteller - vor allem Dell und NEC. "Wir haben einen Mindesteinkauf von jeweils 50 Systemen", begründet Omnico-Einkaufsleiter Jens Deimel.

Was seine Zukunft angeht, gibt sich Krönke optimistisch: "Es werden riesige Mengen gebrauchter Hardware auf den Markt kommen. Das bedeutet, der Second-hand-Handel geht nur noch über die Masse. Für die gleiche Marge muß ich zwei statt einem PC verkaufen." Das erinnert fatal an den Markt für Neugeräte. Warum also soll sich der vom Preisverfall gebeutelte Händler jetzt auch noch dieses Geschäft antun? Weil Krönkes "gleiche Marge" noch immer deutlich über der bei Neuware liegt. Ludwig Steininger beziffert sie mit bis zu 50 Prozent. Der Softwareentwickler aus Kirchseeon bei München verkauft seit einigen Jahren Gebrauchtware rund um den PC, seit einem halben Jahr auch über eine eigene Homepage im Internet.

Zwischenhandel oder nicht, lautet die Frage

Angefangen hat es damit, daß Steininger in Osteuropa programmieren ließ. Von dort kam dann die Nachfrage nach billiger Hardware. Inzwischen macht Steininger etwa ein Viertel seines Umsatzes mit gebrauchter Hardware - Tendenz steigend: "Wir überlegen uns, ob die Rentabilität im Second-hand-Geschäft nicht größer ist als bei der Software. Allerdings machen wir nicht alles und jedes. Es muß profitabel sein." Um das sicherzustellen, hat sich der Zwei-Mann-Betrieb ohne Ladengeschäft genau überlegt, was verkauft werden soll und wo die Ware herkommt. "Das Preisniveau für Gebrauchte von Privatanwendern und von Brokern wie Omnico ist zu hoch. Wir beschaffen uns die Ware selber bei den Unternehmen, aus Leasing-Rückläufen oder aus Kontakten übers Internet", erläutert Steininger, dessen Abnehmer neben dem Ausland in erster Linie bei den Privatanwendern zu finden sind. Produktseitig seien gebrauchte "Inkjets uninteressant; zu billig. Bei den Laserdruckern ist aufgrund der Komplexität der Technik der qualitative Zustand schwer zu beurteilen. Besser sind PC, PC-Komponenten und Monitore." Ein gebrauchter 15-Zöller ist bei dem Bayern beispielsweise für 140 Mark inklusive zu haben. Und: Markenware geht besser und bringt höhere Preise als No-names. Auch wenn deren Qualität objektiv gesehen nicht schlechter ist. Preisverfall hin oder her, "es wird immer Kunden geben im Gebrauchtsegment", ist sich Steininger sicher. Dabei dürfte den Gebrauchthändlern zupaß kommen, daß sie in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die gesetzliche Gewährleistung nach eigenem Gutdünken reduzieren können (siehe Kasten auf Seite 86). Steininger gibt auf Komponenten sieben Tage, auf Komplett-PC einen Monat Garantie. Das ist durchaus branchenüblich.

Wenig Geld für professionelles Marketing

Weniger branchenüblich ist - nicht zuletzt wegen Geldmangels - professionelles Marketing. Die Segnungen der Hardware aus zweiter Hand bekannt zu machen, das bleibt bei den vielen kleinen Anbietern nicht selten der lokalen Mundpropaganda vorbehalten. Ein Schritt in die richtige Richtung ist sicherlich ein WWW-Auftritt. Steiningers Seite wird pro Tag immerhin 100 bis 200 mal angeklickt. Leidlich bekannt wurde sie durch einen Link in www.kostenlos.de, weil der Händler ab und an die eine oder andere EDV-Antiquität an Bastler und Sammler verschenkt. Obendrein betreibt Steininger einen Newsletter und eine Mailing-Liste. "Der Markt ist sehr unübersichtlich. Und die Konkurrenz ist regional sehr unterschiedlich. In Ballungsräumen wird der direkte Kontakt zwischen den Endkunden gefördert - durch Anzeigenblätter oder Computer-Flohmärkte. Deshalb haben wir aus München weniger Nachfrage. Auf dem Land läuft es besser", hat Steininger beobachtet. Hinzu kommt die unterschiedliche Sozialstruktur in Deutschland. So lassen sich Gebraucht-PC in ärmeren Regionen wie den neuen Bundesländern besser absetzen als auf Sylt oder am Starnberger See.

Ähnlich geht es auch der GB Vision GmbH. Der Versandhändler aus dem hessischen Lich hat viele Kunden in der nahen Universitätsstadt Marburg. Da kommt alles zusammen: ländlicher Raum, zahlungsschwache, jedoch EDV-hungrige Klientel. "Bei den Studenten laufen zum Beispiel kleinere Notebooks gut", freut sich Geschäftsführer Morris Hoffmann-Orwat, der seit drei Jahren im Geschäft ist und im vergangenen Jahr 143.000 Mark Umsatz gemacht hat. Er verkauft bis auf wenige selbst assemblierte Rechner ausschließlich Second-hand-Systeme und unterhält auch einen eigenen Online-Shop im WWW. Hoffmann-Orwat bezieht seine Ware bei ein, zwei ausgesuchten Brokern, jedoch nicht bei Omnico ("zu teuer").

Wenig Konkurrenz vor Ort, viel im Internet

Konkurrenz vor Ort hat er ebenso wie sein bayrischer Kollege Steininger bislang wenig ausgemacht. Im digitalen Teich des Internets tummeln sich dagegen schon mehr Hechte. Neben Omnico, die sich ebenfalls per WWW-Shop direkt an die Verbraucher wendet, sind da vor allem die zahllosen Anbieter von Online-Auktionen zu nennen. Bei einigen verscherbeln nicht nur Anwender ihr ausgedientes Gerät: "Unsere Anbieter sind schwerpunktmäßig Händler, die einen preisgünstigen Internet-Vertriebskanal suchen", beschreibt zum Beispiel Stefan Morschheuser das Konzept seiner E-commerce-Plattform www.Hardware.de, die seit April online ist. "Unser Wachstum ist rasant. Wir haben momentan 900 registrierte Anbieter. Im letzten Monat wurden zirka 2.000 Gebote abgegeben, 820 Zuschläge erteilt und 1.200 Produkte verkauft", jubelt Morschheuser, der in diesem Jahr mit seiner Axis Information Systems GmbH drei Millionen Mark Umsatz machen will. Händler, die ihre Ladenhüter, Vorführ- oder Gebrauchtware per Internet loswerden wollen, können sich kostenlos registrieren lassen. Nötig ist allein der Gewerbeschein sowie die Garantie einer Mindestgewährleistung für den Käufer. "Sonst sperren wir den Anbieter", droht Morschheuser, der sich um ein seriöses Image seines virtuellen Auktionshauses sorgt. Axis kassiert dann bei jeder erfolgreichen Versteigerung 7,5 Prozent des Höchstgebots. Ein ähnliches System bieten auch die Metro-Gruppe und Debis Systemhaus gemeinsam unter www.primus-auktion.de an. "Der Gebrauchtmarkt hat noch gar nicht richtig angefangen. Bald werden auch die Unternehmen als Anbieter dazukommen, ohne Zwischenhandel oder andere Mittler. Und die vielen neuen Billig-PC trocknen den Markt nicht aus, vor allem, was hochwertige Komponenten angeht", gibt sich Morschheuser überzeugt, auch wenn Marktforscher IDC zu bedenken gibt, daß es für die Unternehmen noch immer billiger ist, alte PC an Broker zu verkaufen, als sie selber zu verscherbeln - etwa an die eigenen Mitarbeiter.

Mehrwert Beratung

Wie auch immer: In Internet-Marktplätzen tummeln sich nur solche Kunden, die ohnehin schon einen Rechner haben oder zumindest genau wissen, was sie wollen. Finanzschwache Computerneulinge lassen sich so nicht erreichen. Hier ist nach wie vor der lokale Fachhandel gefragt. "Der wichtigste Vorteil, den ein Gebrauchthändler gegenüber den großen Retailern hat, ist Kompetenz. Da die meisten unserer Kunden Erstkäufer sind, ist es wichtig, gut informiert zu sein. Die Menschen kaufen dann eher bei uns als bei einer großen Elektrokette, wenn wir uns als kompetent erweisen und uns Mühe geben, den für den jeweiligen Kunden richtigen PC zu finden", verkündet Michael Flynn, seines Zeichens Präsident von Computer Renaissance, einer US-Franchise-Kette von Second-hand-Händlern. 221 Filialen gibt es bereits in den Staaten, weitere 75 sind geplant.

Flynns Worte haben auch Omnico-Vormann Krönke überzeugt. Er will die Geschäftsidee des Amerikaners nach Deutschland importieren und sucht Händler, die dabei mitmachen. Im Unterschied zu Computer Renaissance sind die Franchise-Nehmer aber nicht selber für den Einkauf zuständig. Die Ware kommt allein von Krönke. Ein erster Partner ist gefunden. Vor kurzem wurde in Frankfurt/Oder der ersten Omnico-Shop eröffnet. "20.000 Mark Umsatz am ersten Tag", freut sich Krönke, der im ersten Quartal 1999 zwei weitere Franchise-Läden aufmachen will.

Unternehmen kaufen noch zögerlich

Während also Privatanwender und Deutschlands Nachbarn im Osten bereits heute dankbare Abnehmer von nicht mehr taufrischem IT-Gerät sind, zeigen sich die Unternehmen als Abnehmer noch mehr als zurückhaltend. Dabei gibt es auch in ihren Reihen solche, die nicht unbedingt immer das neueste und teuerste wollen, sondern daran interessiert sind, eine bestehende Desktop-Infrastruktur zu erhalten. Leider sind die entsprechenden Marken, Modelle und Konfigurationen oft nicht mehr als Neuware erhältlich. Hier könnten gewitzte Gebrauchthändler einspringen. Deren Herausforderung wird es laut IDC-Analyst James Foulk sein, "den geforderten Spezifikationen exakt zu entsprechen. Das ist heute eine Seltenheit." Leicht gesagt. Zwar sind diese Abnehmer bereit, deutlich bessere Preise für PC aus zweiter Hand zu zahlen als der Student oder die Hausfrau. Ob aber der Aufwand lohnt, diese Wunschlieferungen zu beschaffen und zu konfigurieren, bleibt abzuwarten. (ld)

Eine Franchise-Kette von Gebrauchthändlern plant Omnico-Gründer

Matthias Krönke.

Stefan Morschheuser, Geschäftsführer der Axis Information Systems GmbH, bringt in seinen Online-Auktionen Händler und Anwender zusammen.

Bei "Primus-Auktion" im WWW kommen Rest- und Gebrauchtwaren aller Art unter den virtuellen Hammer. Auktionator: die Metro-Gruppe und Debis.

GB-Vision-Chef Morris Hoffmann-Orwat gehört zu den wenigen Computerhändlern, die fast ausschließlich von Second-hand-Ware leben.

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