Gutes Gedächtnis ist keine Hexerei... sondern nur Frage der

20.02.1998

MÜNCHEN: Um sein Kurzzeitgedächtnis zu stärken, läßt sich das Gehirn wie ein Muskel trainieren. Denn vergessene Informationen sind nicht wirklich gelöscht sondern nur für den Moment nicht auffindbar. Die Lösung für das Problem sieht Uschi Eichinger* in einem Denkmodell, welches Informationen verbildlicht und damit jederzeit abrufbar macht.Kennen Sie diese Situation? Man trifft einen alten Freund oder gar einen wichtigen Menschen, der Sie spontan mit Ihrem Namen begrüßt, wie er allerdings heißt, will Ihnen partout nicht einfallen. Peinlich...

Ärgerlich ist es ebenso, wenn der Einkaufszettel daheim auf dem Küchentisch schmort, und Sie sich im Supermarkt nicht mehr erinnern, welche Lebensmittel außer Butter und Brot Sie noch einkaufen wollen, und was die Großmutter aus der Apotheke benötigt. Und - Hand aufs Herz - wie schnell vergißt man doch Termine und Uhrzeiten, wie oft verläßt uns unser Kurzzeitgedächtnis, was oft nicht nur Zeit, sondern zusätzlich auch noch Geld kostet.

Verzweifelt schiebt man diese Schwäche häufig aufs Alter oder tröstet sich mit der lapidaren Erklärung, man habe sich schon als Kind nichts merken, in der Schule ohnehin keine Zahlen behalten können.

Gehirntraining ist alles

Ein gutes Gedächtnis ist nämlich weder Glücksache, noch Hexerei. Unser Gedächtnis läßt sich wie jeder Muskel trainieren. Und wenn Sie sich Fakten, Zahlen, Namen oder Fremdsprachen merken möchten, ist das eigentlich nur eine Frage der richtigen "Organisation" im Kopf.

Wie ist es denn, wenn Sie etwas vergessen haben, das Sie schon einmal wußten? Ist diese Information in Ihrem Kopf dann gelöscht? Sicher werden Sie mir bestätigen, daß das nicht der Fall ist. Über kurz oder lang fällt uns das Gesuchte wieder ein, meistens dann, wenn wir es nicht mehr benötigen. Worin besteht nun das Problem? Das Problem ist, daß wir unsere Information im Kopf nicht finden, wir haben sozusagen keinen Zugriff auf die Daten.

Jetzt habe ich eine andere Frage an Sie, liebe Leser: Wenn Sie abends nach Hause kommen, und vor Ihnen war noch niemand in der Wohnung, wo suchen Sie dann Ihre Post? Natürlich im Briefkasten, werden Sie jetzt sagen.

Warum suchen Sie die Post eigentlich nicht im Garten, oder auf der Kellertreppe? Das wäre ja noch schöner, wie käme der Briefträger dazu, die Post in den Garten zu legen!? Sie würden sich sehr schnell bei der Post beschweren, und der Briefträger wäre bald seinen Job los. Die Frage ist jetzt nur: Wenn Sie das dem Briefträger nicht erlauben, warum tun Sie das dann mit den Informationen in Ihrem Kopf? Da werfen Sie die Informationen einfach nur hinein und wundern sich, daß Sie diese nicht wiederfinden.

So betrachtet, ist das sicher eine berechtigte Frage. Für dieses Problem habe ich eine Lösung für Sie: Wie wäre es, wenn Sie in ihrem Kopf "Briefkästen" einrichten würden, sozusagen "Haken", an die Sie Ihre Informationen gezielt "hängen", und wenn Sie die Information wieder benötigen, schauen Sie einfach an Ihrem Haken nach!

Die Organisation im Kopf macht's

Also alles nur eine Frage der richtigen Organisation? Schauen wir uns einmal an, wie unser Gehirn funktioniert: Unser Gehirn hat bekanntlich zwei Gehirnhälften, und man kann sich in einem vereinfachenden Denkmodell vorstellen, daß diese beiden Gehirnhälften quasi in einer Art Arbeitsteilung die anstehenden Aufgaben bewältigen: Die linke Gehirnhälfte ist dabei zuständig für Sprache und Logik, die rechte für Bilder und Gefühle. Das kann man sich so vorstellen, daß die linke Gehirnhälfte nur das versteht, was sie "per Wort" versteht, das heißt, wenn Sie ins Ausland reisen und sie sprechen die Landessprache nicht, können Sie nicht lesen, was auf einem Hinweisschild steht. Ihre rechte - die bildhafte - Gehirnhälfte kann aber auch im Ausland erkennen, ob jemand freundlich oder traurig ist.

Normalerweise benutzen wir beim Merken und Lernen nur die linke Gehirnhälfte, was dazu führt, daß unser zweiter "Mitarbeiter" im Gehirn, die rechte Gehirnhälfte, meistens zum Nichtstun verurteilt ist. Dabei könnte sie uns sehr nützlich sein: Wenn wir nämlich beim Speichern beide Gehirnhälften benutzen, also über Bilder und Eselsbrücken arbeiten, wird es plötzlich leicht, das hat jeder von uns schon einmal erfahren. Was fällt Ihnen beispielsweise ein zu "Drei Drei Drei"?: Wenn ich diese Frage in meinen Seminaren stelle, kommt immer im Chor die Antwort: "Bei Issos Keilerei". Und ganz oft am schnellsten von älteren Teilnehmern, Jahrzehnte nachdem sie das gelernt haben. Wenn ich dann nachfrage, wie oft pro Monat sie das denn wiederholt hätten, lachen mich alle aus, denn es ist natürlich klar, das haben Sie nach ihrer Schulzeit nie wieder üben müssen.

Geschichten kontra Fakten

Was wir also brauchen, wenn Merken leicht werden soll, sind nicht nur Haken, sondern auch bildhafte Informationen. Und damit das Bild am Haken hängenbliebt, brauchen wir als dritte "Zutat" noch ein bißchen "Leim", denn im Gehirn funktioniert es nicht so wie an der Wand, wenn wir es im Gehirn nicht festkleben, bleibt die Information nicht hängen. Leim im Zusammenhang mit Gedächtnis ist immer Gefühl. Alles, was mit viel Gefühl verbunden ist, können wir uns leicht und lange merken. Für unser Gedächtnis ist also eine lustige, verrückte oder unwahrscheinliche Geschichte viel besser als langweilige, trockene Fakten.

Damit Sie sich jetzt auch einmal konkret vorstellen können, was es mit den Haken auf sich hat, hier eine kleine Übung zum Mitmachen für Sie: Wir werden jetzt gemeinsam zehn Haken in Ihrem Gehirn "installieren". Bitte stehen Sie jetzt einmal auf und berühren bei sich der Reihe nach folgende Körperteile: Die Zehen, die Knie, die Oberschenkel, das Gesäß, die Taille, die Brust, die Schultern, den Hals, das Gesicht, und die Haare. Wiederholen Sie dies einmal von unten nach oben und einmal von oben nach unten, und sprechen Sie dabei bitte laut mit. Jetzt haben Sie zehn Haken definiert, wir bezeichnen das in unserem Gedächtnistraining als die "Körperliste". Die Reihenfolge ergibt sich dabei quasi von selbst, wir müssen sie nicht "pauken", und sie bleibt beim durchschnittlich gesunden Menschen auch in der Regel konstant.

Diese zehn Haken an Ihrem Körper können Sie ab sofort verwenden, um Informationen daran "aufzuhängen". Als Beispiel möchte ich jetzt mit Ihnen die zwölf Sternzeichen in ihrem Gedächtnis verankern, vielleicht wollten Sie sich diese ja schon immer einmal - vor allem in der richtigen Reihenfolge - merken: Bitte vollziehen Sie die Bilder und lustigen Geschichten (Achtung, unser "Leim"!) im Kopf nach!

Leicht gemerkt:

Was die Körperliste mit den Sternzeichen zu tun hat. Das erste Sternzeichen ist der Steinbock. Unser erster Haken sind die Zehen. Da wir zwölf Sternzeichen, aber nur zehn Haken haben, nehmen wir beide Füße einzeln, und wir beginnen links. Stellen Sie sich jetzt einfach vor, in Ihren linken Schuh hat jemand einen großen Stein gesteckt. Oder vielleicht ist Ihnen auf die linke große Zehe ein riesiger Stein gefallen. Wenn Sie merken, daß es weh tut, wird die Information in Ihrem Gedächtnis bleiben.

Das zweite Sternzeichen: Wassermann. Jetzt nehmen wir den rechten Fuß, den rechten Schuh als zweiten Haken. In Ihrem rechten Schuh ist ein halber Liter Wasser. Zu schade um die schönen neuen Schuhe...

Das dritte Sternzeichen sind die Fische. Unser nächster Haken sind die Knie. Vielleicht stellen Sie sich vor, daß Sie sich auf Ihre Knie als Knieschützer Fische genagelt haben?

Der Widder kommt als nächstes, unser nächster Haken sind die Oberschenkel. Am Oberschenkel haben wir die Hosentasche. Wenn wir als Bild für den Widder einen Widerhaken nehmen, dann können wir uns in unserer Hosentasche einen Widerhaken vorstellen. Wenn Sie das nächste Mal nach Ihrem Taschentuch greifen, wird er Sie wahrscheinlich in den Finger piken.

Dann geht es weiter mit dem Stier, der nächste Haken: das Gesäß. Vielleicht reiten Sie auf einem Stier? Oder Sie sind im Spanienurlaub beim Stierkampf in die Arena geraten, und der Stier nimmt Anlauf, und plötzlich sitzen Sie ganz unfreiwillig auf seinen Hörnern?

Das nächste sind die Zwillinge, unser nächster Haken: die Taille. Auf der Taille befindet sich der Bauchnabel. Wenn wir uns die Zwillinge merken möchten, stellen wir uns doch einfach vor, wir hätten plötzlich zwei Bauchnabel?

Die Brust ist der nächste Haken auf unserer Körperliste, und das nächste Sternzeichen ist der Krebs. Beim Schwimmen im Meer zwickt Sie ein Krebs in die Brust. Vielleicht will er mit seiner Schere gar nicht wieder loslassen?

Dann kommen als nächster Haken die Schultern. Wir nehmen hier wieder jede Schulter einzeln, damit wir alle zwölf Sternzeichen unterbringen, beginnen auch hier wieder links: Auf Ihrer linken Schulter sitzt ein kleiner Löwe und brüllt. Er wartet nur darauf, daß er die Jungfrau fressen kann, die auf Ihrer rechten Schulter sitzt.

Um den Hals - unseren nächsten Haken - haben Sie an einer Kette eine Waage - das zehnte Sternzeichen.

Und im Gesicht zwickt Sie ein Skorpion ganz boshaft in die Nase, damit Sie auch ihn gut im Gedächtnis behalten.

Ganz zum Schluß auf unseren Haaren der Schütze: Vielleicht hat sich ja Amor da versteckt und verschießt seine Pfeile von dort aus, oder Sie legen auf Ihren Kopf den Apfel von Wilhelm Tell, und ein Schütze soll ihn herunterschießen. (Hoffentlich trifft er nicht daneben...)

Das Resultat

Haben Sie beim Lesen die Bilder in Ihrem Kopf mit aufgebaut? Wenn ja, dann müßte Ihnen nun ganz leicht folgendes gelingen: Sagen Sie sich doch jetzt einmal alle zwölf Sternzeichen in der richtigen Reihenfolge auf. Schauen Sie dazu der Reihe nach an die einzelnen Haken: Was war noch gleich in ihrem linken Schuh?

Wenn Sie das alles gedanklich tatsächlich so mitgemacht haben, werden Sie erstaunt feststellen, daß Sie mühelos die Informationen von ihren Haken wieder ablesen können. Und das funktioniert auch mit Fakten, Vokabeln, den Stichworten Ihrer Rede, eigentlich für alles, was Sie sich merken wollen. Wie schon gesagt: Gutes Gedächtnis ist keine Hexerei, sondern nur eine Frage der Organisation.

*Uschi Eichinger Training & Beratung in Neusäß

Zur Startseite