Händler stossen bei Wartungsarbeiten auf strafbare Inhalte

12.10.1998

MÜNCHEN: Immer häufiger stoßen EDV-Unternehmen bei Wartungsarbeiten für Hard- oder Software vor Ort beim Kunden auf Dateien mit möglicherweise strafbaren Inhalten. Bernhard Kloos* gibt Tips, wie Händler sich in solchen Fällen verhalten müssen und dürfen.Als strafrechtlich relevante Inhalte kommen vor allem Volksverhetzung (Paragraph 130 Strafgesetzbuch, StGB), beispielsweise die Leugnung des Holocaust, die Verunglimpfung von Bekenntnissen und Religionsgemeinschaften (Paragraph 166 StGB) und die Verbreitung pornographischer Schriften (Paragraph 184 StGB) in Betracht.

Die Frage, ob einzelne Inhalte diesen Straftatbeständen unterliegen, läßt sich in der Regel nur schwer beantworten und hängt vom Einzelfall ab. Beispielsweise ist es nach Paragraph 184, Absatz 3, StGB strafbar, pornographische Schriften, die Gewalttaten, den sexuellen Mißbrauch von Kindern oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben, zu verbreiten, zugänglich zu machen oder vorrätig zu halten. Der Gesetzgeber wirft aber auch auf elektronische Datenspeicher sein Auge (Paragraph 11, Absatz 3, StGB).

Zwar ist der Besitz pornographischer Inhalte noch nicht strafbar. Ein Straftatbestand liegt jedoch spätestens dann vor, wenn pornographische Schriften oder Datenträger den sexuellen Mißbrauch von Kindern zeigen und ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergegeben wird. In diesen Fällen drohen Freiheitsentzug und Geldstrafen.

Anzeigepflicht bei Menschenhandel

Für Wartungsunternehmen besteht zunächst keine Anzeigepflicht. Nach Paragraph 138 StGB unterliegen jedoch schwere Straftatbestände der sofortigen Anzeigepflicht, beispielsweise Fälle von Menschenhandel. Die oben aufgeführten und in der Praxis häufigeren Straftatbestände fallen allerdings nicht hierunter.

Wie haben sich aber nun Wartungsunternehmen zu verhalten, wenn sie bei Reparaturarbeiten zufällig Dateien mit strafbarem Inhalt finden? Zunächst ist darauf zu achten, daß es zu keinen Rechtsverstößen kommt. Das betrifft sowohl die Art und Weise, wie man an die Inhalte gelangt, als auch die Weitergabe brisanter Dateien.

Das öffnen gesicherter Dateien ist strafbar

Generell dürfen Wartungsfachkräfte während der Reparaturarbeiten keine Dateien ausspähen (Paragraph 202a StGB), die nicht für sie bestimmt oder die gegen unberechtigten Zugriff besonders gesichert sind. Daher ist stets Vorsicht angesagt, wenn Servicefachleuten Inhalte von Kundendateien außerhalb des konkreten Wartungsauftrags zur Kenntnis gelangen.

Außerdem machen sich DV-Wartungsbeauftragte strafbar, wenn sie sich Geschäfts- oder Betriebsdaten beschaffen und Dritten mitteilen (Paragraph 17 UWG). Auch personenbezogene Daten dürfen nicht entgegen den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) weitergegeben werden. Last, but not least müssen auch individuell vereinbarte Geheimhaltungsklauseln und urheberrechtliche Kopierverbote eingehalten werden. Da Wartungsfachleute in der Praxis strafbare Inhalte meist rein zufällig entdecken, geraten sie im Normalfall nicht mit den obigen gesetzlichen Bestimmungen in Konflikt. Auch können sie davon ausgehen, daß sie strafrechtlich mit keinen Konsequenzen zu rechnen haben, wenn sie ihre Informationen an die jeweiligen Strafverfolgungsbehörden weiterleiten.

Im Zweifelsfall Anzeige erstatten

Allerdings empfiehlt es sich, die Sicherstellung von Beweismitteln den entsprechenden staatlichen Behörden zu überlassen. Wenn Wartungsfachkräfte auf fremden Rechnern an dubiose Daten gelangen, rechtfertigt das noch lange nicht, daß sie diese ausspähen.

Um allerdings einen möglichen rechtswidrigen Zustand zu unterbinden, ist es in Einzelfällen innerhalb des rechtfertigenden Notstands (Paragraph 34 StGB) zulässig, sich gesetzeswidrig zu verhalten. In der Praxis heißt das für ein Wartungsunternehmen, Anzeige zu erstatten. Damit sind die nötigen Schritte eingeleitet. Die Strafverfolgungsbehörden können in Aktion treten. Die Beschaffung von Beweismitteln dient dagegen nicht nur der Beendigung dieses Zustands, sondern primär dem Strafverfolgungsinteresse und ist daher nach Paragraph 34 StBG in der Regel nicht gerechtfertigt.

Finger weg von Beweismitteln

Fertigen Mitarbeiter eines Wartungsunternehmens auf eigene Faust Kopien von Beweismitteln an, kann der Schuß ebenso nach hinten losgehen. Denn sie sind dann selbst im Besitz von beispielsweise kinderpornographischen Dokumenten. Und auch das kann bereits einen Straftatbestand darstellen. Um nicht in einen Erklärungsnotstand und vor allem nicht selbst in Verdacht zu geraten, sollten Wartungsfachkräfte deshalb die Finger von Beweismitteln lassen.

Fazit:

- Wartungsunternehmen sind in der Regel nicht zu einer Strafanzeige verpflichtet.

- Es besteht keine umfassende, allgemeine Schweigepflicht für Wartungsunternehmen. Angestellte sollten jedoch nicht gezielt in zugriffsgesicherten Dateien nach verbotenen Inhalten suchen.

- Servicefachkräfte können Anzeige erstatten. Die Beweisführung ist jedoch unbedingt den Strafverfolgungsbehörden zu überlassen.

* Bernhard Kloos ist Rechtsanwalt in München.

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