Händler und Sportler

14.11.2002
Zum offenen Brief über Sinn und Unsinn des Meisterbriefs im IT-Handel in ComputerPartner 41/02, Seite 3, erreichte uns folgende Zuschrift:

Ich selbst bin nach aus finanziellen Gründen abgebrochenem Elektrotechnik-Studium im EDV-Sektor selbstständig geworden und ein beinahe gescheiterter IT-Allrounder. Sicherlich wäre eine praktisch betriebswirtschaftliche kostengünstige und zeitlich machbare Zusatzausbildung oder Betreuung neben dem Geldverdienen sehr hilfreich gewesen. Es ist nicht die Angst vor der Prüfung, sondern die fehlende Vereinbarkeit. Den Leistungsnachweis erbringen wir bei unseren Kunden, deren Referenzen uns jederzeit zur Verfügung stehen. Eine offene Kommunikation über die Fähigkeiten und auch Kompromisse bei der Durchführung von Projekten erhält die langjährigen Geschäftsbeziehungen.

Hierbei sind wir nun auch bei der Differenz zu den Sportlern. Diese dürfen zuerst nach ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten trainieren, und wenn sie sich eignen, erhalten sie durch Sponsoren in der weiteren Aufbauphase Unterstützung mit zum Beispiel nicht rückzahlungsverpflichteten Unterhaltsgeldern, kostenlosen Trainingsmöglichkeiten, oder sie können parallel in einem anderen Beruf noch Geld verdienen. Olympia beziehungsweise die Wettkämpfe und die dabei erforderlichen Leistungen entsprechen dagegen sicherlich dem Marktsegment, den Mitbewerbern und zeigen sich dann logischerweise auch im Gehalt. Die Selbstständigen müssen mindestens ab dem ersten Tag sich oder gar ihre Familie versorgen und dann noch zusätzlich für die Erlaubnis dafür eine Vollzeitausbildung machen. Oder sie müssen für einen angestellten "Meister" das Geld mitverdienen. Das bedeutet eigentlich, dass man doppelt so gut sein muss.

Die Tätigkeit des Sporttreibens kann dem Sportler aber nie verboten werden, wenn man gut ist, verdient man sogar viel Geld. Man treibt zumindest anfangs Sport aus Spaß daran. Genau der Spaß ist auch der Grund, warum die meisten ITler Autodidakten sind, sie haben großes Interesse an den Inhalten und nicht am bürokratischen und werbetechnischen Umfeld. Diese Konzentration auf das "Wesentliche ohne Wasserkopf" ist der Marktvorteil, den die Großen zu Recht fürchten. Deshalb bauen sie für die Kleinen unbezahlbare Hürden. Wenn es wirklich nur um den Wissensnachweis ginge, könnte die Ausbildung generell umsonst abgelegt werden und bei Erfolg eine "solidarische Ausbildungsförderungsabgabe" erforderlich werden. Alternativ könnte man auch Teilausbildungen als Qualifikationsnachweis etablieren. Dies ist der Punkt, wo halt die staatlichen Jobcenter ihre Stärke haben. Hierdurch können sicherlich viele fähige Leute ihre Qualifikation bewei- sen, ohne sofort wegen fehlender "Papiere" zum Freiwild auf dem Arbeitsmarkt zu werden, wie es die Industrie gerne hätte.

Zum Thema "Vollbeschäftigung": Wie viele Aufträge werden nicht vergeben, weil für eine Teiltätigkeit (geringer Stundensatz) das volle Meistergehalt berechnet und eine Reparatur sofort unwirtschaftlich wird. Wäre es nicht besser, drei Angestellte diese Kunden bringenden Jobs machen zu lassen, als das Geld in einen unproduktiven zusätzlichen Geschäftsführer zu investieren?

Gleichzeitig würden die Staatskassen entlastet, was für den Betrieb Kosten senkt und die geringeren Rechnungsbeträge wieder ausgleicht (leider sinkt dadurch der Gesamtumsatz, obwohl der Gewinn steigt). Wir berechnen dem Kunden die ausgeführte Tätigkeit des Mitarbeiters, nicht den Stundenlohn seiner Ausbildung. Ein gerade anwesender Netzwerkadministrator kann also vor Ort auch mal ein CD-ROM-Laufwerk einbauen, ohne dass der Kunde draufzahlt (wieder ein Auftrag mehr).

Da ich als Selbstständiger keine staatliche Altersversorgung habe, muss ich nun wieder an meine Arbeit zurück, den Meister spielen.

Michael Hohn-Bergerhoff, Computer-Fritze, Bochum

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