Händlerbeiräte suchen Gehör bei den Herstellern und den Vertriebspartnern

12.12.1997
MÜNCHEN: Die Industrie hört auf ihre Händler. Darum hält sie sich Händlerbeiräte. Dort erfahren sie, wo im Kanal der Schuh drückt, und schaffen Abhilfe. So ist das Ideal auch in der IT-Branche. Die Wirklichkeit sieht oft anders aus: Beiräte fühlen sich bei wichtigen Entscheidungen übergangen oder werden von ihrer eigenen Klientel ignoriert.Händlerbeiräte sind wie Ehen. Sie starten mit den besten Hoffnungen, bald folgen die ersten Heimlichkeiten und Enttäuschungen, manchmal wird ein Partner betrogen, es gibt Scheidungen, bei einigen herrscht auch eitel Sonnenschein, wieder andere haben sich nichts mehr zu sagen und ersticken in Routine.

MÜNCHEN: Die Industrie hört auf ihre Händler. Darum hält sie sich Händlerbeiräte. Dort erfahren sie, wo im Kanal der Schuh drückt, und schaffen Abhilfe. So ist das Ideal auch in der IT-Branche. Die Wirklichkeit sieht oft anders aus: Beiräte fühlen sich bei wichtigen Entscheidungen übergangen oder werden von ihrer eigenen Klientel ignoriert.Händlerbeiräte sind wie Ehen. Sie starten mit den besten Hoffnungen, bald folgen die ersten Heimlichkeiten und Enttäuschungen, manchmal wird ein Partner betrogen, es gibt Scheidungen, bei einigen herrscht auch eitel Sonnenschein, wieder andere haben sich nichts mehr zu sagen und ersticken in Routine.

Das Auf und Ab dieser Beziehungen läßt sich gut am Beispiel SNI ablesen. Noch im Sommer bilanzierte ein Mitglied: "Früher sind die Händler von den Herstellern für deren Interessen vereinnahmt worden, ohne daß sie es gemerkt haben. Inzwischen haben alle dazugelernt. Auch SNI ist heute partnerschaftlich. Alles ist demokratisch gewählt und kritisch. Ich fühle mich gut vertreten." Im September löste sicher Partnerbeirat selbst auf, weil sich die Mitglieder bei der Umstrukturierung des PC- und Server-Geschäfts übergangen fühlten (siehe ComputerPartner 14/97).

Beiräte leisten keine Mitbestimmung

Auch wenn die Kontrahenten inzwischen wieder miteinander reden: Der Fall SNI legt ein Manko offen, daß sämtliche Beiräte in der Branche haben. Viele Partner verwechseln die Beiräte mit einer Art Mitbestimmungsgremium. Sie wollen ja oder nein zu strategischen Entscheidungen der Unternehmen sagen dürfen. So weit will sich deren Top-Management natürlich nicht reinreden lassen. "Da sind bei manchen die Ansprüche zu hoch. Wir haben denen erklärt: Es ist besser, wir führen eine harte Diskussion über konkrete Probleme - wie etwa die Logistikleistung im PC-Geschäft -, anstatt irgendwo hoch oben Wolken hin und her zu schieben", sagt etwa Ernst Holzmann, Leiter Geschäftsstrategie & Marketing bei SNI.

"Ein Partnerbeirat kann nur beratende Funktion haben", gibt sich ein anderes Ex-Mitglied des aufgelösten Gremiums einsichtig. Die Diskussion über konkrete Probleme findet bei SNI ohnehin seit Jahren nicht im Beirat, sondern in den Arbeitskreisen statt. Den für PCs gibt es schon seit fünf Jahren. Hinzu kommen Kreise für das Dienstleistungs- (seit einem Jahr) und das Server-Geschäft (seit sechs Monaten). Diese produktorientierten Runden versammeln rund einmal im Monat "die vier bis sechs wichtigsten Partner" (Holzmann) und sind inzwischen sehr autonom; denn auch Nicht-Beiratsmitglieder sitzen mittlerweile am Tisch. Die Siemens Nixdorf-Strategie geht laut Holzmann dahin, sukzessive noch mehr Arbeitskreise einzurichten, "die ins Tagesgeschäft eingebunden sind". Dieses Konzept sei nämlich "enorm erfolgreich".

Die Partner sehen hingegen nach wir vor Bedarf für ein Gremium, das oberhalb der Spezialinteressen Themen und Strategien von allgemeinem Interesse auf die Tapete bringt. "SNI hat die Wichtigkeit eines solchen Gremiums bestätigt. Ein Mix, der alle Bereiche vertritt. Ein Konzept ist in Vorbereitung, aber es wird wohl nicht mehr 'BeiratÈ heißen; eher 'PartnerforumÈ oder so, aber das ist noch nicht raus", berichtet ein Ex-Beiratsmitglied, das ungenannt bleiben möchte.

Zwiespalt: Tagesgeschäft oder das große Ganze?

Der Zwiespalt zwischen Tagesgeschäft und ganzheitlichem Mitbestimmungsanspruch ist typisch auch für andere Beiräte in der Computerbranche; zumindest, wenn sie keine reinen PC- oder Drucker-Companies sind, "sondern Mischkonzerne", so Holzmann. Auch Hewlett-Packard beispielsweise hat zwei Arbeitsgruppen (Service/Support und Vertriebskonzepte Mittelstand). Die Aufgabenteilung "Tagesgeschäft gleich Arbeitskreis und alles andere im Beirat" gibt es aber nicht. Im Gegenteil: "Die Zusammenarbeit ist sehr konstruktiv. Das mußte sich aber erst entwickeln. Ich bin seit 1993 Mitglied", erinnert sich Falk Ambos, Geschäftsführer der System-Haus-Dresden GmbH. "Damals gab es fast nur Diskussionen zu Einzelfragen, die zu nichts geführt haben. Die Händler sahen ihre Probleme aus dem Tagesgeschäft und der Hersteller sah den Markt insgesamt. Da hat er dann eine Linie vorgegeben, und die Händler mußten das ausführen. Inzwischen haben wir eine gegenseitige Lernphase hinter uns. Jetzt betrachten wir die Makro- und die Mikroperspektive zusammen. Das ist uns gelungen, indem wir weg sind von den Detailproblemen und hin zu Konzepten, die alle betreffen. Und da werden unsere Vorschläge dann auch aufgenommen", lobt Ambos, der seit zwei Jahren Vorsitzender des HP-Beirates ist, seinen Lieferanten.

Vorschläge einbringen, Einfluß nehmen: Nicht mehr und nicht weniger können also die Runden Tische von Fachhandel und Herstellern leisten. "Der Beirat diskutiert, überzeugt, aber er kann nicht erzwingen, daß Konzepte verändert werden. Doch man hört im Vorfeld auf uns", bestätigt auch Erich Dlask, geschäftsführender Gesellschafter der Singhammer Datentechnik GmbH und seit vier Jahren Vorsitzender des Compaq-Händlerbeirates. Betont realistisch gibt sich auch sein Systemhauskollege Jürgen Peter. Der Geschäftsführer der Aachener Hancke&Peter GmbH sitzt im vor kurzem ins Leben gerufenen Beirat der IBM PC Company. "Das ist eine Riesen-Organisation. Zu glauben, ich habe eine gute Idee und die wird morgen implementiert, das ist naiv", so Peter. "Doch es ist wichtig, daß die Systemhäuser ihre Chance erhalten, und es ist wichtig, daß wir uns dafür einsetzen."

Hinzu kommt, daß die Händlervertretungen meistens ohnehin nur mit Marketing- und Vertriebsmanagern in Kontakt kommen. Grund: Die Vertriebs- und Produktabteilungen in den Unternehmen sind nach wie vor strikt getrennt. Auf die Produktstrategie ist so kaum Einfluß zu nehmen (siehe Grafik). Trotzdem sind sich die Handelsfürsprecher einig: Zeitverschwendung sind die regelmäßigen Treffen nicht. "Der Hersteller muß sich auch unangenehme Fragen gefallen lassen. Wem nützt schon eine gegenseitige Beweihräucherung? Das ist eine ehrenamtliche Aufgabe, und wir alle haben schließlich unsere Zeit nicht gestohlen", versichert Ambos. Und auch Dlask pflichtet bei: "Wenn man nie auf offene Ohren trifft, dann läßt man's irgendwann sein." Am Umgangston bei Compaq habe sich seit dem Weggang von Kurt Dobitsch übrigens noch nichts wesentliches verändert. "Gerrit Huy ist sehr kooperativ. Sie nimmt uns ernst."

Ganz verschiedene Wege gehen die IT-Hersteller bei der Zusammensetzung ihrer Händlerkollegien. Während sich etwa IBM die Beiratsmitglieder kurzerhand selber aussucht, werden sie bei SNI, HP und Compaq von den Händlern gewählt. "HP hat seinen Beirat auf der Systems wählen lassen. Da kamen dann am Ende alle Vertreter aus Süddeutschland", spöttelt Peter, dessen IBM-Rat dafür bisher nur aus Systempartnern besteht.

Demokratisch legitimiert oder nicht: Allen Beiräten gemein ist der dürftige Kontakt zur Basis. Anregungen und Feedback jedweder Art von seiten der Händlerschaft sind rar. Wie die ComputerPartner-Umfrage zeigt, geben sich die meisten Händler hinsichtlich der Arbeit "ihrer" Beiräte gleichgültig bis desillusioniert. Es herrscht weitgehend Funkstille zwischen dem Fußvolk und seinen Repräsentanten. Zwar plant HP eine Beirats-Homepage in seinem WWW-Angebot. Und der Compaq-Beirat verschickt Rundschreiben an die Händler, doch ist das Echo mager. "Die nehmen das Gremium nicht ernst. Denen geht's zu gut", sucht Dlask nach einer Erklärung. Kollege Peter sieht's gelassen: "Ist es in der IT-Branche so wichtig, daß jeder alles weiß? Ich denke nein." Mehr Idealismus hat sich Ambos bewahrt: "Der Kanal muß lernen: Da ist ein Forum für mich. Aber das ist noch entwicklungsfähig; ich wünsche mir noch mehr Input", appelliert er.

Den Vorwurf, sie klüngelten mit den Herstellern und verträten vor allem ihre eigenen Interessen, weisen die Standesvertreter entrüstet von sich. "Wir sind keine grauen Eminenzen mit Informationsvorsprung. Individuelle Interessen werden bei uns gar nicht behandelt. Wer sich nicht für das Ganze engagiert, dem legen wir nahe, zu gehen", verspricht Ambos. "Wir versuchen einfach, den Partner Compaq so intensiv wie möglich kennenzulernen, um so die Zukunft planen zu können", erklärt Dlask. HP-Partner Ambos resümiert: "Schließlich gibt es genug, über das gesprochen werden muß. Ein Beispiel: Zur Zeit bekommen wir im Markt ganz stark Dell zu spüren. Wie wir darauf reagieren wollen, etwa durch Build-to-order, das ist doch ein wichtiges Thema der Zukunft."(ld)

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