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16.02.1996
IBM ist nicht Sankt Martin, der dem armen und frierendemBettler auf der Straße in einer großzügigen und selbstlosen Geste die Hälfte seines Mantels überläßt, um ihn vor dem sicheren Tod zu bewahren. IBM ist nicht der barmherzige Samariter, der sein Herz für die notleidenden Händler entdeckt hat. Und IBM ist ganz gewiß auch keine Splittergruppe der Caritas.

IBM ist nicht Sankt Martin, der dem armen und frierendemBettler auf der Straße in einer großzügigen und selbstlosen Geste die Hälfte seines Mantels überläßt, um ihn vor dem sicheren Tod zu bewahren. IBM ist nicht der barmherzige Samariter, der sein Herz für die notleidenden Händler entdeckt hat. Und IBM ist ganz gewiß auch keine Splittergruppe der Caritas.

IBM ist und bleibt ein Wirtschaftsunternehmen, das auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist und nichts zu verschenken hat. Das heißt wenn IBM vor den Händlern den roten Teppich

ausrollt, dann aus einem ganz klaren Eigeninteresse.

Weil sich Big Blue selbst Vorteile davon verspricht.

Das Verhältnis zwischen IBM und ihren Vertriebspartnern war noch nie eine Liebesbeziehung, sondern immer schon eine Vernunftehe. Es ist also ganz klar eine Beziehung, die auf dem Prinzip des gegenseitigen Nehmens und Gebens beruht. Und so wird es ohne Zweifel auch bleiben. Wogegen im übrigen ja auch nichts zu sagen ist.

Wenn IBM also beschlossen hat, in Zukunft einen großen Teil des Geschäftes an die Vertriebspartner abzugeben beziehungsweise gemeinsam mit ihnen zu realisieren, dann erwartet Big Blue dafür natürlich eine Gegenleistung. Daran sollten alle Händler und Systemhauslenker denken, die jetzt bei IBM anklopfen, um sich ihre Mütze in dem angekündigten Goldregen zu füllen.

Holger Reichardt, Generalbevollmächtigter und bei der IBM in Stuttgart für Vertriebswege und Mittelstand zuständig, bringt es auf den Punkt: "Wir reden hier nicht von einer Taschengelderhöhung für unsere Vertriebspartner. Letztlich liegt unser Focus natürlich auf den Endkunden.

Und ich erwarte von unseren Vertriebspartnern, daß sie die Endkunden zufriedenstellen."

Die Intensivierung des Partnergeschäfts also ist nicht das Ziel, sondern nur der Weg.

Das Ziel besteht vielmehr aus zwei Stoßrichtungen: Zum einen will IBM den eigenen Direktvertrieb effizienter und produktiver einsetzen. Zwar beteuern die Amerikaner, daß damit kein Stellenabbau verbunden sein soll, doch das glaubt wohl nur derjenige, der sich die Hose mit der Kneifzange zumacht.

Zum anderen will die IBM die Kundenzufriedenheit erhöhen. In diesem Zusammenhang denken IBM-Strategen wie Reichardt auch über neue Bewertungsgrundlagen für ihre Vertriebspartner nach. Nicht mehr allein das Umsatzvolumen, sondern auch die Kundenzufriedenheit soll in Zukunft darüber entscheiden, wie viele Streicheleinheiten die Händler von IBM erwarten können.

Vorbild könnte hier die Automobilbranche sein, in der dieses Prinzip ansatzweise bereits praktiziert wird.

Es ist völlig klar und verständlich, daß vielen Geschäftsführern von Fachhandelsunternehmen, Systemhäusern, VARs und Distributoren die Ohren klingeln, wenn zum Beispiel IBM-Manager Nicholas Coutts verspricht, den indirekten Umsatz von 6,6 Milliarden Dollar in diesem Jahr auf rund 20 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2000 zu verdreifachen (siehe Interview auf Seite 32). Klar ist außerdem, daß es für die Vertriebspartner eine tolle Sache ist, wenn sie in Zukunft waschkörbeweise die Leads zugestellt bekommen (falls dies wirklich geschieht). Klar ist aber auch, daß diese Unterstützung nicht gleichbedeutend ist mit einer Lizenz zum Gelddrucken. IBM fordert von ihren Vertriebspartnern eine Gegenleistung. Und wer diese Leistung nicht erbringt, der wird sehr schnell aus der IBM-Familie wieder ausgestoßen. Auch Vernunftehen sind vor Scheidungen nicht gefeit.

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