Handel mit Web-Space und Domain-Namen

17.09.1998

MÜNCHEN: Der Handel mit Web-Space und Domain-Namen mausert sich zum blühenden Geschäftszweig für Wiederverkäufer. Angesichts des zunehmenden Konkurrenzkampfes werden Gewinne vorwiegend mit Zusatzleistungen erzielt.Das Web erreicht Lieschen Müller. Na ja, noch nicht ganz. Doch immer mehr Einzelhändler an der Straßenecke brillieren mit kryptischen Webadressen, wo sich Produktkataloge einsehen lassen, Sonderangebote angepriesen werden oder spannende Bilder einer Webkamera direkt aus dem Warenlager des Grossisten zu bewundern sind.

Spaß beiseite. Gerade kleine und mittlere Anbieter von Waren und Dienstleistungen können ihre Wirkungsbandbreite beträchtlich erhöhen, wenn sie im Cyberspace agieren. Sei es, daß sie ihrem klassischen Geschäft einen Versandzweig hinzufügen oder einfach die Ladenöffnungszeiten virtuell ausdehnen. Letztere Möglichkeit kommt übrigens nicht nur dem surfenden Online-Touristen aus Madagaskar, sondern eben auch Lieschen Müller von nebenan zugute.

So kommt es immer häufiger vor, daß Kunden beim angestammten Fachhändler nicht nur ein neues CD-Rom-Laufwerk und das Windows-98-Update nachfragen, sondern auch Web-Space und Domain-Namen zu erwerben trachten - und das möglichst billig, schnell und ohne eigene Kenntnisse der Materie. Denn HTML ist eine Programmiersprache, die muß man nicht lernen, dafür gibt es Wysiwyg-Tools (what you see ist what you get).

Für den Fachhandel erschließen sich hiermit zusätzliche Geschäftsbereiche, ein völlig neues - und zum Teil ungewohntes - Produktfeld muß beackert werden. Denn die Logistik für den Wiederverkauf von Domain-Namen ähnelt mehr der Arbeit einer Führerscheinbehörde als der eines Computerfachhändlers. Allerdings kann dieser das erworbene Wissen unmittelbar auch seinem eigenen Web-Auftritt zuführen. Gleichzeitig gerät er in die Rolle eines Dauerdienstleisters, wenn er Web-Space selbst anbietet. Denn selbstverständlich soll das Ganze ja auch noch Gewinn abwerfen.

Massenware Festplattenplatz

Die fetten Jahre des Web-Space-Oligopols sind jedenfalls vorbei. Noch vor zwei Jahren setzten die wenigen großen Anbieter nahezu beliebige Preise an, wenn es um die Veröffentlichung im Internet ging. Heute bekommt der Kunde die ersten zwei bis zehn Megabyte meistens kostenlos mit jedem x-beliebigen Online-Account mitgeliefert. Selbst die Großanbieter T-Online, AOL und Compuserve geizen nicht mit Festplattenplatz, und im Web stehen zahlreiche Rechner kostenlos zum Bespielen zur Verfügung. Der Berühmteste von ihnen dürfte der Server www.geocities.com sein. Mit Festplattenplatz alleine läßt sich kein Staat mehr machen. Nur für ganz wenige Händler mit einem breiten Interessentenkreis dürfte es sich lohnen, selbst als Web-Space-Provider aufzutreten. Die Hardware selbst stellt kein größeres Problem dar. Gängige Unix-Maschinen Marke HP, Sun, Digital oder IBM werden als vorkonfigurierte Web-Server angeboten. Auch im NT-Lager ist das Web-Space-Reservoir mehr als ausreichend.

Teuer sind nur die Verbindungsgebühren

Die Schwierigkeiten in diesem Geschäft liegen eher im Bereich Connectivity. Der ISP (Internet-Service-Provider) muß nämlich permanent eine teure Verbindung zu den wichtigen Internet-Backbones halten. Eine handelsübliche Standleitung zum Provider mit zwei MBit/s Datendurchsatz kostet im Ort knapp 2.000 und auswärts fast 10.000 Mark. Direktverbindungen zu den Backbones schlagen gleich mit 100.000 Mark im Monat und mehr zu Buche.

Als Billiglösung bietet sich hier das Call-back-Verfahren via ISDN an. Bei jeder Kundenanfrage baut der Provider eine ISDN-Verbindung zum Händler-Server auf. Dieser unterbricht die Verbindung, ruft den Provider zurück und sendet ihm die vom Kunden angeforderten Daten. Diese Prozedur wiederholt sich dann mit jedem Mausklick des Kunden. Sowohl hinsichtlich der Bandbreite als auch der Antwortzeiten genügt diese Lösung jedoch nicht höheren Ansprüchen.

Deshalb sei dem Wiederverkäufer geraten, auch bei der Unterbringung seines Web-Servers auf die Dienste eines Service-Providers zurückzugreifen. Dieser hat nicht nur die schnelle Leitung - auf die es übrigens bei der Auswahl des Providers dringend zu achten gilt -, sondern sorgt auch dafür, daß die Rechner geringe Ausfallzeiten haben. Außerdem liefern Provider oft komplette Pakete aus, die nicht nur Web-Space, sondern auch kleinere Programme, beispielsweise zur Führung eines Gästebuchs, umfassen. Daneben beinhaltet ein solches Servicebündel meistens auch die Reservierung des Domain-Namens samt einiger E-Mail-Adressen. Fast alle Wiederverkäufer erhalten von den ISPs Rabatte in der Größenordnung von 30 bis 50 Prozent. Das billigste Angebot fängt dann bei 20 Mark im Monat an. Für 60 bis 80 Mark sind bereits akzeptable Gesamtlösungen für kleinere Unternehmen erhältlich.

Virtuelle Server sind oft Leistungsschwach

Was die Leistung eines solchen Servers angeht, sollte man sich allerdings keinen allzu großen Illusionen hingeben. Es handelt sich in der Regel um NT-Rechner mit sogenannten virtuellen Servern. Das bedeutet, daß auf einer Maschine mehrere Web-Auftritte nebeneinander liegen und teilen sich die Rechnerleistung teilen. Sind vielbesuchte Sites dabei, sinkt die Performance der übrigen Zugriffe stark ab.

Eine besonders günstige Variante für den Händler ist das sogenannte Reseller-Web. Für rund 180 Mark im Monat bekommt er meist 100 MB Festplattenplatz und 100 E-Mail-Adressen, die er nach Belieben untervermieten kann. Der große Vorteil liegt hier im Lerneffekt - schließlich werden alle untervermieteten Server nach dem gleichen System konfiguriert und gewartet -, aber auch in der Flexibilität. Der Händler kann innerhalb von wenigen Minuten einen neuen virtuellen Web-Server auf die Beine stellen.

Ein besonders interessantes Angebot dieser Kategroie stammt vom Provider Mikronet. Dort bekommt der Wiederverkäufer gar einen physischen NCSA-Server mit Mail- und FTP-Diensten für gerade mal 170 Mark pro Monat.

Vorsicht bei Billigheimern

Grundsätzlich sind billige Anbieter mit Vorsicht zu genießen. Aufgrund des drückenden Konkurrenzkampfes im Provider-Markt häufen sich die Klagen. Die Vorwürfe reichen vom mangelnden Service bis hin zum glatten Betrug. Viele Anbieter versuchen die gesunkenen Margen mit dubiosen Verrechnungsmethoden auszugleichen. Preiswerte Dienstleister wie Dynacom verlangen beispielsweise Zahlungen bis zu sechs Monate im voraus, obwohl keineswegs feststeht, ob sie in dieser Zeit die vertraglich zugesicherte Leistung auch bringen werden. Sollte der Provider in der Zwischenzeit das Geschäft aufgeben, wird es schwierig, die Vorauszahlung zurückzubekommen.

Das Branchenfachblatt "Internet World" berichtete in der August-Ausgabe vom plötzlichen Verschwinden des Anbieters WWW-Discount. Alle darüber angebundenen Domains wurden über Nacht abgeschaltet. Recherchen ergaben, daß sich hinter der Firmenanschrift eine Privatadresse verbarg. Den geprellten Kunden bleibt nur der Gang vor den Kadi.

Vorsicht ist auch geboten vor Fallstricken im Vertragswerk. Fast alle Provider mit günstigen Monatstarifen verlangen einmalige Einrichtungsgebühren. Bei nachträglichen Änderungen fallen ebenfalls deftige Honorare an. Die Hamburger Internet Betriebsgesellschaft berechnete beispielsweise den Upload von Daten - die Kunden bekamen keinen FTP-Zugang - mit satten 80 Mark pro Stunde. Ein weiteres Problem sind volumenabhängige Gebühren. Oft greifen Provider hier bewußt zu kurz, um dann nachträglich einige Mark pro transferiertes Megabyte zu kassieren. Die Psycho-Logik dahinter liegt auf der Hand: Ist der Server erfolgreich, nimmt auch der Datenverkehr zu - und der Kunde zahlt freudig.

Kostenlose Domains

Neben dem Web-Space ist der Domain-Name das wichtigste Handelsgut des Wiederverkäufers. Nicht selten kaufen Kunden zwei oder mehr Namen, die sie mit einem einzigen Web-Server verbinden, um besser gefunden zu werden.

Die Vergabe der Domain-Namen wird zur Zeit neu geregelt. Im Frühjahr ist das Monopol der amerikanischen Regierung zu Ende gegangen, jetzt bemüht man sich um eine privatwirtschaftliche Lösung der Vergabe. Seit letztem Sommer beschäftigt sich das Interim Policy Oversight Committee mit der Einrichtung sieben neuer Top-Level-Domains. Reservierungen sind bei einigen Anbietern bereits möglich, doch wann die endgültige Einrichtung der neuen Adressen stattfindet, steht noch in den Sternen.

Eine herkömmliche Domain mit der Endung ".de" wird bei der Genossenschaft Denic beantragt. Auch das übernimmt der Provider, und in der Regel ist er aufgrund günstiger Mengenstaffeln preiswerter als das Inkasso-Center der Denic selbst.

Eine de-Domaine schlägt durchschnittlich mit rund 20 Mark pro Monat zu Buche, meist zuzüglich einer einmaligen Einrichtungsgebühr. (fp)

Das billigste Web-Space-Angebot von Strato wird mit einem Konto bei der Advance Bank gebündelt.

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