Handelsriese Cancom fährt beinharten Konfrontationskurs gegen Apple

17.10.2002
Wie man seine Partner düpieren kann, führt Apple derzeit auf unrühmliche Weise vor. Das neue Channel-Programm treibt die Händler scharenweise auf die Barrikaden, denn in den Augen vieler kommt das Papier einem "Knebelvertrag" gleich. Doch bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu unterzeichnen, wollen sie weiterhin Apple-Produkte verkaufen. Auch Cancom, Apples mächtigster und größter Händler in Europa, wird unterschreiben - aber mit geballten Fäusten in der Hosentasche.

Wenn Klaus Weinmann auf den unterschriftsreifen Apple-Partnervertrag zu sprechen kommt, ist der sonst eher zurückhaltende Vorstandsvorsitzende der Cancom IT-Systeme AG mit Sitz in Scheppach wie ausgewechselt. Weinmann ist sauer - stinksauer sogar. Und Weinmann sagt unverblümt, was er vom neuen Vertragswerk hält: "Nichts. Was da drinsteht, hat mit Partnerschaft nicht mehr viel zu tun. Der Vertrag ist einseitig zu Gunsten Apples ausgelegt. Für mich ist das ganz klar ein Knebelvertrag!"

Der Chef des europaweit größten Apple-Systemhauses hat kein Verständnis für die Vereinbarungen, die er eingehen soll. Selbst seine Juristen und Berater sind sich sicher: "Nach deutschem Recht wäre der Vertrag so nicht haltbar." Seiner Meinung nach geht der Partnervertrag völlig an der Geschäftstätigkeit und den Bedürfnissen eines Systemhauses vorbei.

"Was sollen wir beispielsweise mit einer Bonusregelung anfangen, die auf der Lage des Geschäftes, der Ladenfläche und Größe des Schaufensters basiert? Wir sind doch kein Shop mitten in der Stadt", nennt Weinmann grimmig ein Beispiel. "Da finden wir grundlegende Dinge, die uns als Systemhaus auszeichnen, schlicht und einfach nicht wieder", so der Cancom-Chef gegenüber ComputerPartner. So gebe es weder eine Unterstützung in so essenziell wichtigen Dingen wie Finanzierungs- und Mietangebote für Firmen und auch keinerlei Entgegenkommen bei Leihstellung.

"Unser bisheriges Engagement für Apple wird in dem Vertrag nicht honoriert. Wir haben viel Systemkompetenz für gemischte Netzwerkumgebungen aufgebaut, schulen unsere Techniker. Aber einen Bonus bekommen wir dafür nicht."

Die Liste der Kritikpunkte ist lang

Weiterhin schlägt sich nach Meinung von Reinhold Gatzka, Director Purchasing bei Cancom, auch die im Haus aufgebaute Service- und Reaktionsfähigkeit in keiner Weise im Vertrag nieder. "Wenn man bei Apple Ersatzteile bestellt, dann dauert das mitunter mehrere Wochen. Dafür hat ein Großkunde wenig Verständnis. Deswegen fahren unsere Techniker mehrere Komplettsysteme in ihren Autos spazieren, damit wir schnell auf Austauschteile zurückgreifen können. Es wäre schön gewesen, wenn Apple so etwas honorieren würde", klagt Gatzka.

Keinerlei Bonusregelung sieht Apples Partnervertrag für eine pan-europäische Servicebetreuung vor, wie sie Cancom Apple-Kunden anbieten kann, keinerlei Belohnung gibt es dafür, dass das Systemhaus ein eigenes Lager unterhält, um die mitunter "unberechenbare Lieferfähigkeit" (Gatzka) des Herstellers aufzufangen, geht die Schimpftirade weiter. "Wenn man partnerschaftlich miteinander umgehen will, dann müssen derartige Leistungen, die ja auch dem Hersteller zugute kommen, belohnt werden. Aber nichts von alledem findet sich im Vertrag wieder", gibt sich Weinmann gekränkt.

Das mag Apple-Deutschland-Geschäftsführer Frank Steinhoff so nicht gelten lassen: "Der Grundvertrag ist für alle Partner, die direkt von uns beliefert werden, gleich. Da wird nicht mehr und weniger geregelt als in jedem beliebig anderen Lieferantenvertrag. Mit-hilfe eines aus vier Säulen bestehenden Bewertungssystems wird dann ermittelt, welcher ,Functional Discount‘, sprich Bonus, einem Partner eingeräumt wird. Ein Bereich davon ist die Verkaufsfläche, es müssen ja schließlich auch Ladengeschäfte bewertet werden. Alle anderen drei Säulen sind meiner Meinung nach perfekt auf ein Sys-temhaus abgestimmt, denn gerade hier gehen Kriterien wie Ausbildung, Service, Leihstellungen, Lösungsangebot und vieles andere mehr ein. Bei vielen Bewertungskriterien schneidet ein Partner wie Cancom sehr gut ab. Wir reden hier in der Summe schließlich über 30 bis 40 Einzelpunkte, und insofern finde ich die Vorwürfe sehr einseitig. Zudem haben wir bereits einige Marketing- und Sales-Programme aufgelegt, bei denen Partner weitere Punkte sammeln können. Das werden wir noch ausbauen. Auch Cancom kann hier noch punkten. Ein neues Partnerprogramm kann nach unserem Verständnis doch nicht dazu dienen, starke Partner noch stärker zu machen und kleine Händler klein zu halten. Das wäre nicht gerecht."

Blick in die Bücher geht Cancom zu weit

Kein Verständnis bringt Weinmann auch für die vertraglich festgelegten Audit-Rechte des Compu-terbauers auf. "Jederzeit können Mitarbeiter von Apple zu uns ins Haus kommen und Einblick in unsere Bücher verlangen. So geht das nicht!" Auch hier beschwichtigt der Deutschland-Statthalter, denn schließlich könne sich jeder Partner darauf verlassen, dass die Daten "Company confidential" seien. "Es gibt keinen Grund, Misstrauen zu hegen."

Ein weiterer Kritikpunkt seitens Gatzka lautet, dass aus dem neuen Vertragswerk klar hervorgeht, dass Apple Kunden künftig direkt angehen kann. "Da steckt doch eine klare Absicht dahinter: Die wollen die guten Kunden künftig selbst bedienen und dem Channel die harte Arbeit an der Neukundenfront überlassen", vermutet der Cancom-Manager.

Auch ist er davon überzeugt, dass sich Apple mit der von Steve Jobs ausgerufenen "Digital-Hub"-Strategie klar vom SMB-Markt wegbewegt, die professionelle Klientel links liegen lässt. "Leistungsfähige Rechner für die Medienbranche sucht man bei Apple derzeit vergebens. Technologisch gesehen ist das Unternehmen nicht mehr konkurrenzfähig. Und das Schlimme dabei: Es gibt nicht mal eine Roadmap. Die Partner müssen sich ständig überraschen lassen, was an neuen Produkten kommen wird. Derzeit zielt offensichtlich alles darauf ab, Marktanteile im Consumer-Geschäft zu gewinnen und die eigenen Online-Shops zu pushen. Anders ist es nicht zu erklären, warum einige Modelle exklusiv nur dort zu beziehen sind", schätzt Gatzka die Situation ein.

Ihn würde es jedenfalls nicht wundern, wenn in einigen Monaten die ersten Apple-Stores nach amerikanischem Vorbild in Deutschland aufmachen. Auch das mag Steinhoff so nicht gelten lassen. "Was die Öffentlichkeit und damit die Partner mitbekommen, ist die starke Medienpräsenz von Steve Jobs. Und es ist doch mehr als verständlich, dass er auf seine Art und Weise versucht, mit den neuen Apple-Produkten neue Märkte und Zielgruppen anzusprechen. Eine öffentliche Roadmap wird es aber sicherlich nicht geben. Trotzdem: Es gibt keinerlei Grund oder Anzeichen dafür, dass Apple den gerade in Europa sehr starken SMB-Markt vernachlässigen wird."

Vertragsänderungen tabu

Große Enttäuschung hat sich bei Weinmann aber auch deshalb breit gemacht, weil er nach eigenem Bekunden immer wieder versucht hat, einige Vertragspunkte ändern zu lassen, nachdem ihm selbst seine Hausjuristen und Berater von einer Unterschrift des auf irischem Recht basierenden Vertrages abgeraten haben. "Ich bin nur auf taube Ohren gestoßen. Steinhoff kann oder will da nichts machen", äußert sich der Vorstandschef gegenüber ComputerPartner. Seiner Meinung nach trägt die Blockadepolitik auch einen Namen: Europachef Pascal Cagni. "So wie ich den kenne, ist dem egal, was die Partner wollen, der zieht die Sache jetzt eiskalt durch." Dazu Steinhoff: "Es ist richtig, dass es keine Sonderverträge geben wird. Europaweit haben alle ein und denselben Vertrag. Das ist gerecht. Denn wenn wir bei einem Händler eine Ausnahme machen, stünde jedem dieses Recht zu. Das wollen wir vermeiden. Deshalb halten wir daran fest."

Fast schon besänftigend fügt Steinhoff hinzu: "Sicherlich ist ein Vertrag ein Stück Papier, auf dem alles schwarz und weiß geregelt wird. Aber mir wäre es recht, wenn man uns danach messen würde, wie wir die Zusammenarbeit leben." So schlecht könne der Vertrag gar nicht sein, denn bis dato hätten fast alle unterschrieben. Und die eine oder andere lokale Regelung werde es sicherlich noch geben, stellt der Apple-Oberste in Aussicht.

Weinmann ist sich indessen sicher, dass Apple es sich vor allem mit seinen im SMB-Markt tätigen Händlern endgültig verscherzt hat. Für sein Unternehmen sei jedenfalls nun der Zeitpunkt gekommen, ernsthafte Konsequenzen zu ziehen. Er sieht sich ab sofort nicht länger an die bisher stille Abmachung gebunden, in dem in Apple-Kreisen als "Einkaufs-Bibel" bezeichneten "Media-Solutions-Katalog" keine PCs anzubieten. Ergo: Fein säuberlich werden im druckfrischen Katalog auf einigen Doppelseiten je ein Apple- und ein mit annähernd gleichen Leistungsdaten ausgestattetes PC-System des Herstellers HP gegenübergestellt. Die Preisdifferenzen von 1.000 Euro werden dabei prominent herausgestellt, kein potenzieller Einkäufer kann sie übersehen.

"Wir werden unseren Kunden künftig neben Apple-Rechnern auch PC-Systeme anbieten. Und das sehr konsequent. Und wir werden unsere Medienkompetenz bei gemischten Umgebungen dazu nutzen, um neues Wachstum für uns zu generieren", erklärt Weinmann die neue Strategie. "Wir wollen damit nicht provozieren. Wir reagieren damit nur auf die Tatsache, dass der Apple-Markt stagniert, und dem Trend folgen, dass der Kunde verstärkt auch PC-Systeme in der Medienproduktion einsetzt. Unsere Erfahrung zeigt, dass bereits die Hälfte aller professionellen Anwender neben Apple-Rechnern auch PCs verwendet", führt der Vorstandsvorsitzende weiter aus, der im laufenden Geschäftsjahr einen konzernweiten Umsatz von 300 Millionen Euro anstrebt.

HP-Maschinen anzubieten habe im Übrigen einen ganz besonderen Grund, unterstreicht Weinmann seinen Schachzug: "Ich denke mal, dass den Kunden die Entscheidung noch etwas leichter fallen könnte. Schließlich bringen die ihre Sachen ja alle auf HP-Druckern zu Papier."

www.apple.de

www.cancom.de

ComputerPartner-Meinung:

In Apples Vertriebskanal ist der Teufel los, seit der neue Partnervertrag bekannt wurde. Apples Handelsriese Cancom sucht nun ganz bewusst die Auseinandersetzung und gießt mit dieser Aktion jede Menge Öl ins Feuer. Der Streit könnte eskalieren, denn Cancoms Kampagne könnte eine unkalkulierbare Signalwirkung für den Markt haben. Potenzielle Apple-Kunden werden mehr als verunsichert, wenn ihnen ihr Lieferant unmissverständlich darlegt, dass Apple nicht länger die erste Geige spielt. Die lodernden Flammen dürften selbst in der Pariser Europazentrale kaum mehr zu übersehen sein. Das Apple-Management ist jetzt auf ganzer Linie gefordert. Es muss entscheiden, ob es das mehr als rissige Tischtuch mit Cancom mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wieder flicken will oder seinerseits alles unternimmt, um Cancom von der Festtafel an den Katzentisch zu verweisen. Der hier angerichtete Schaden ist jedenfalls schon jetzt kaum wieder gutzumachen. (cm)

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