Handschlag ist gut - ein Pflichtenheft ist besser!

12.02.1999
MÜNCHEN: Um im Projektgeschäft möglichen rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Kunden gut gewappnet entgegenzutreten, empfiehlt sich auf jeden Fall die Festlegung eines Pflichtenkatalogs beziehungsweise Pflichtenhefts. Was dabei zu beachten ist, verrät im folgenden Beitrag Volker Siegel*.

Das Pflichtenheft sichert dem Softwareersteller ein hohes Maß an Planungssicherheit bei der Durchführung von Projekten. Es hilft, Konflikte mit dem Vertragspartner zu vermeiden und die Kalkulation einfacher zu machen.

In Deutschland existiert mehr als nur ein Softwarehaus, das es sich leistet, auf Handschlag Projekte durchzuziehen. Solange ein Unternehmen am Markt eingeführt ist und sowohl das ausführende System- beziehungsweise Softwarehaus als auch der Kunde sich auf das gesprochene Wort verlassen können, ist das auch gut so.

Wenn allerdings bereits wenige Tage nach Projektbeginn die ersten Änderungswünsche an den Lieferanten herangetragen werden und der Kunde nicht bereit ist, dafür auch eine höhere Vergütung zu bezahlen, sieht das schon ganz anders aus. In der Praxis sind Vertragsänderungen die Regel, der fixierte Projektvertrag ist die absolute Ausnahme.

Daher sollte als eine Grundregel für die Vertragsgestaltung beim Projektvertrag die Festlegung eines Status Quo beherzigt werden. Dies erreicht man am einfachsten durch ein sorgfältig erarbeitetes Pflichtenheft (oder: "fachliche Feinspezifikation").

Dieses stellt nicht nur der geforderten Leistung (Erstellen einer wie auch immer gearteten EDV-Anlage oder eines Programms) die Gegenleistung - sprich Vergütung -, die hierfür gezahlt werden soll, gegenüber, sondern regelt auch die übrigen notwendigen Bestandteile des Projekts.

AUSGANGSPUNKT FÜR VERTRAGSÄNDERUNGEN

Der Softwareersteller oder Systemintegrator kann es zudem als Beweis für die gelaufenen Gespräche hernehmen. Damit wird es auch kalkulatorischer Ausgangspunkt für alle Vertragsänderungen. Nicht zuletzt schafft das Pflichtenheft schon bei der Erstellung des Angebots die nötige Klarheit bei der Kalkulation und bewahrt so manchen Auftragnehmer vor ruinös niedrigen Preisen bei der Angebotsabgabe. Damit kann das Pflichtenheft in folgenden drei Punkten bedeutsam werden:

- Angebotsabgabe

- Vertragsänderung

- Verzögerung, die nicht vom Softwarehaus selbst verursacht wurde.

Die Erstellung des Pflichtenheftes während der Planungsphase, also vor der eigentlichen Durchführung, wird in der Regel als Dienstvertrag gesehen. Daher schuldet der Ersteller auch keinen Erfolg.

Anders sieht es aus, wenn ursprünglich kein Pflichtenheft erstellt wurde, aber während der Durchführung des Projekts erstellt werden soll. Dann gelten meistens Werkvertragsregeln. Außerdem ist dann eine Extravergütung in der Regel nicht mehr drin. Daher sollte der Softwareersteller das Pflichtenheft vor der Projektdurchführung erstellen und eine Vergütung verlangen.

RECHT FORDERT BERATUNG VOM LIEFERANTEN

Häufig soll der Lieferant dem Besteller beratend zur Seite stehen. Die Rechtsprechung ist hier zunehmend restriktiv und bürdet dem Lieferanten zum Teil erhebliche Beratungspflichten auf. Schon um diese vollständig abzudecken, sollte das Pflichtenheft sorgfältig erstellt werden. Das ist auch vor allem gegenüber EDV-Laien sinnvoll, soweit es um technische Fragen geht.

Allerdings werden die Softwarelieferanten meistens nicht sehr tiefgehend über die Anforderungen, die an die EDV-Anlage in tatsächlicher Hinsicht gestellt werden, informiert. Spätestens dann, wenn der Ersteller der Software hier nicht rechtzeitig und gründlich nachfragt oder den Besteller auch bei der Erstellung des Pflichtenheftes hinzuzieht, kommt es in der Regel zu Konflikten.

Seit einiger Zeit setzt sich in der Rechtsprechung auch eine Mitwirkungspflicht des Bestellers auf, soweit es sich um inhaltliche Aufgabenstellungen und Anforderungen an die Software handelt. Allerdings soll sich darauf der Auftragnehmer nicht verlassen. Vielmehr soll er aufgrund seines höheren Wissens den Besteller auf die für ihn bedeutsamen Inhalte aufmerksam machen.

Wichtig ist daher, daß sich der Softwareersteller nicht unbesehen eine Verpflichtung zur Erstellung des Pflichtenheftes aufbürden läßt, ohne über die nichttechnischen Inhalte genau informiert zu sein. Sonst droht bei Fehlern eine nicht unerhebliche Haftung.

Wie soll nun ein gut geführtes Pflichtenheft aussehen? Grundsätzlich sind die meisten Lieferanten frei in der Gestaltung. Sinnvoll ist allerdings, sich an die DIN-Norm für Pflegedokumentationen (DIN 66231) zu halten. Dann vergißt der Lieferant nichts und kann auch die Pflegedokumente entsprechend dieser DIN-Norm leichter gestalten. Diese DIN-Norm ist in die zwei Unterpunkte "Fachliche Spezifikation" und "Technische Spezifikation" unterteilt.

In der fachlichen Spezifikation werden alle aus Sicht des Bestellers notwendigen Eigenschaften, die das Programm erfüllen soll, aufgelistet. So unter anderem die Verarbeitungsregeln, die Schnittstellen, die Zuverlässigkeit, die Benutzerfreundlichkeit und das Zeitverhalten (unter anderem mit der berühmten "Zugriffszeit"). Zunehmend bedeutsam wird seit der Entwicklung von PC-Lösungen hin zu Server- und Portallösungen vor allem die Portabilität, weil hier diejenigen Programme und Software bezeichnet sind, mit denen das Programm zusammenarbeiten muß.

In der technischen Spezifikation stehen die programmtechnischen Vorgaben wie die Programmiersprachen im Vordergrund. Weiterhin ist erforderlich, die Vorgaben aufgrund von Hard- und Softwareumgebung zu bezeichnen. Zuletzt sollte auch hier nochmals die Anforderung an die Dokumentation ausdrücklich beschrieben werden. Das ist in diesem Fall DIN 66 231.

* Volker Siegel ist Rechtsanwalt in München; v.f.siegel@gmx.de

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