Handspring: Die Wiederverkäufersind enttäuscht

17.10.2002
Der amerikanische PDA- und Smartphone-Hersteller Handspring will 20 Prozent seines Mitarbeiterstabes einsparen. Neben den Niederlassungen in Großbritannien und Holland fiel diesen Maßnahmen auch das deutsche Vertriebsbüro in Dornach bei München zum Opfer. Die Betreuung der drei Länder soll künftig die Genfer Europa-Zentrale in der Schweiz mit übernehmen.

Die deutschen Mitarbeiter erfuhren es einige Tage vor der Veröffentlichung - die Partner wurden ein paar Tage später per E-Mail davon in Kenntnis gesetzt. Nach dem Motto: "Der Letzte macht das Licht aus" wurden die Mitarbeiter der deutschen Niederlassungen praktisch von heute auf morgen auf die Straße gesetzt. Bis zum 31. Oktober 2002 wird Regional-Sales-Manager Stefan Kühn, noch die nötigen Aktivitäten abwickeln, dann ist Schluss.

Mit einem buchstäblichen K.o.-Schlag beendete die amerikanische Muttergesellschaft die Aktivitäten der drei europäischen Niederlassungen. Kostenreduzierungen seien angesagt, so Allen Bush, LeiterinUnternehmenskommunikation bei Handspring. Besonders hart trifft es das Marketing des weltweit tätigen Unternehmens. Diese Aktivitäten will Handspring in Zukunft den Mobile-Carriern überlassen. "Wir werden weiterhin über die traditionellen Vertriebskanäle wie Fachhändler und Systemintegratoren verkaufen. Parallel dazu wollen wir verstärkt mit TK-Carriern zusammenarbeiten, um unsere Communicator-Produkte (Treo) über deren Kanäle zu vertreiben", erklärt Allen Bush auf Anfrage von ComputerPartner die zukünftige Strategie.

Dass der radikale Umstieg von der Visor-PDA-Produktlinie auf das Treo-Smartphone ein Grund für die rückläufigen Umsatzzahlen ist, sieht auch Handspring: "Sicherlich ist dies, neben vielen anderen marktwirtschaftlichen Faktoren, auch einer der Gründe. Auf längere Zeit gesehen, rechne ich mir allerdings für den Communicator-Markt weit höhere Einkommenschancen aus", führt die Unternehmenssprecherin weiter aus. Außerdem sei, ihrer Meinung nach, noch eine Menge Aufklärungsarbeit vonnöten, um die Verkäufe in diesem Produktsegment voranzutreiben.

Der Channel wird's schon richten

In Deutschland wurde der Treo-Vertrieb über die Distribution abgewickelt. Diese fühlt sich derzeit im luftleeren Raum. "So etwas Überraschendes habe ich noch nie erlebt", sagt Wilfried Korsinnek, Produkt-manager bei der NT-Plus-Gruppe. Genauso erstaunt war die TK-Abteilung bei Actebis. "Die Mitarbeiter von Handspring Deutschland haben sich nach Bekanntwerden bei uns gemeldet und uns persönlich mitgeteilt, was Stand der Dinge ist", erzählt Stefan Stein, Business-Unit-Manager bei Actebis.

Distis enttäuscht

Beide Distis sind enttäuscht. Die im Oktober gelaufene IT-Handelsaktion "Try Treo" (siehe ComputerPartner 35/02, Seite 20) bezeichnen beide Distributoren als erfolgreich. Die Distribution erachtet das Produkt "Treo" als innovativ und ausbaufähig. "Jetzt sollte das Marketing eigentlich weitergehen", meint der NT-Plus-Manager. Doch "es ist nicht die klassische Aufgabe eines Distributors, ein Produkt zu pushen", so Korsinnek weiter.

Wie sich die Betreuung von der Schweiz aus entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Der dortige Mitarbeiter scheint nach Aussagen der Distis mit der derzeitigen Situation überfordert zu sein. "Bis heute gibt es uns gegenüber keine Konzeption oder Aussagen bezüglich dem zukünftigen Marketing seitens Handspring", stellt Korsinnek fest. Die Distribution wird dennoch ihren Job weitermachen wie bisher, und die Fachhandelskunden seien bisher noch relativ gelassen. Dennoch "machen solche Aktionen einen Hersteller nicht unbedingt berechenbarer", kritisiert Korsinnek den Hersteller, der seinen Stand auf der Hausmesse des Distributors am 5. Oktober leer stehen ließ.

www.handspring.com

ComputerPartner-Meinung:

Dass ein Hersteller vor dem Weihnachtsgeschäft drei europäischen Niederlassungen den Hahn zudreht, zeugt entweder von massivem Kostendruck oder von Dummheit. Die deutsche Mannschaft hatte im vergangenen Jahr einen guten Job gemacht. Dennoch hat sie die Ziele der amerikanischen Mutter offenbar verfehlt. Die Ex- und-Hopp-Methode wird der weiteren Marktpositionierung des "Treo" eher schaden als sie fördern. (bw)

Zur Startseite