Handy-Praxistest

22.10.1998

ComputerPartner TestMÜNCHEN: Ein Mobiltelefon ist für den Fachhändler heutzutage genauso ein Arbeitsmittel wie Fax und Internet. Aber nicht nur, denn immer öfter findet man Handys auch im Warensortiment von IT-Händlern. Höchste Zeit für einen ComputerPartner-Test des neuen Alleskönners Siemens "S15E".

Die kompakte, attraktive Verkaufsverpackung enthält außer dem Dualband-Handy (D- und E-Netz) mit dem Standard 650-Milliamperestunden-Akku in Nickel-Metall-Hydrid-Ausführung auch noch Ladegerät und Gürtelclip sowie die 30-seitige Bedienungsanleitung.

Die Montage des Gürtelclips erinnert an die Steinzeit der Mobiltelefone. Wie der schwarze Aufkleber auf der Gehäuserückseite entfernt werden soll, ohne Messer oder andere gefährliche Gegenstände zu verwenden, bleibt ungeklärt. Zusätzlich muß das dann bereits verkratzte Gerät noch mit einer Schraube zur Befestigung des Clips malträtiert werden. Das Einlegen der kleinen Sim-Karte klappt noch recht ordentlich, dieselbe zu entfernen ist allerdings nichts für schwache Nerven. Solch ein Gefummel haben skandinavische Mobilfunkhersteller schon lange abgestellt, von einer praktikablen Lösung wie beim Schwestermodell "S6" ist diese Neuerscheinung weit entfernt. Den Akku aufzusetzen, ist ebenfalls etwas knifflig, da die Führung ungenau und schwergängig ausfällt. Die Batterie zu entfernen, ist schier unmöglich - ob mit Gürtelclip oder ohne. Das Betätigen des Freigabeknopfes ist eine Zumutung. Abgebrochene Fingernägel sind noch die harmloseste Nebenerscheinung. Kurzum: eine glatte Fehlkonstruktion.

Nach dem Willkommen-Bildschirm wird die Pin-Geheimnummer der Karte abgefragt. Zumindest sollte es so funktionieren. Beim Testgerät jedoch leuchtete eine LED erst grün, dann rot und anschließend blockierte die Tastatur bei erleuchtetem, leerem Display. Also wird die Notfallmaßnahme eingeleitet: Akku nochmals raus, noch einen Fingernagel opfern und das Gerät erneut starten. Nach dem vierten oder fünften Mal klappt es dann auch, und solange das Handy eingeschaltet bleibt, funktioniert es einwandfrei. Dies sei ein Defekt, und das Gerät werde ausgetauscht, vermeldet die Siemens-Hotline. In der Zwischenzeit wird der Test mit einem privat geliehenen S15E weitergeführt.

Akkuladen wird zum Ratespiel

Der Akku ist im Auslieferzustand nur teilgeladen und muß mit dem mitgelieferten Netzgerät auf volle Leistung gebracht werden. Beim Laden wird der Anwender im dunkeln gelassen, inwieweit der Akku geladen wurde. Da auch in der Betriebsanleitung nichts über Ladedauer oder -systematik steht, wird nur durch Entfernen des Netzsteckers der Zustand der Batterie angezeigt - für die Lebensdauer des Stromspeichers bestimmt nicht besonders förderlich. Einen fortschrittlichen Lithium-Ionen-Akku ohne Memory-Effekt bietet Siemens erst gar nicht an.

Wer nun erwartet, daß das knapp 700 Mark teure Gerät mit ergonomischen Highlights, zukunftsweisendem Design oder einfacher Bedienung brilliert, wird enttäuscht. Was es kann, zeigte es auf einer Fahrt durch Skandinavien. Flexibel wie nie zuvor, weil automatisch, sucht es sich den stärksten Anbieter und bucht sich in dessen Netz ein. Im Grenzgebiet zwischen Norwegen und Schweden wechselten die Provider mehrfach, ohne daß auch nur ein Tastendruck nötig war. Das manuelle Einbuchen mit Länderkennung und Netzkennzahl gehört beim S15E der Vergangenheit an.

Die Gesprächsqualität ist hoch, die Stabilität der Verbindung sehr gut. Sogar ein Tunnel durch 300 Meter norwegisches Qualitätsgebirge ließ die Sendeleistung gerade mal um einen Punkt auf der Display-Skala sinken. Auf über 1.000 Testkilometern konnte keine einzige abgebrochene Verbindung festgestellt werden. Aufgrund der vorher beschriebenen Unzulänglichkeiten eine echte Überraschung. Allerdings tauchte dafür ein anderer Fehler auf: Das Telefon schaltet sich sporadisch ohne ersichtlichen Grund ab.

Das defekte Gerät hatte für uns indes den Vorteil, auch gleich den Siemens-Service zu testen. In Deutschland schafften es die Siemens-Leute nicht, in den 14 Tagen zwischen Kauf und Abreise ein Austauschgerät zu liefern. Nach kurzer Reaktionszeit und Austauschzusage für das Komplettgerät wollte Siemens nach zwölf Tagen plötzlich nur noch das Gerät ohne Zubehör tauschen, obwohl augenscheinlich Akku und /oder Ladegerät ebenso defekt waren. Aber selbst dies traf nicht rechtzeitig ein. Das Kärtchen mit den Hotline-Rufnummern des internationalen Siemens-Services war also die letzte Hoffnung für den Auslandsreisenden. Nachdem anfangs überhaupt kein Durchkommen in Stockholm war, ließ uns ein freundlicher Mitarbeiter wissen, daß dieses Handy in Schweden nicht verkauft wird und somit auch kein Austausch möglich sei. Das ist zwar Glück für Schweden, für uns aber keine Chance, ein neues S15E zu bekommen. Der E-plus-Service bot zwar einen Austausch an, aber nur in Deutschland, da German Parcel nicht nach Schweden liefert. Armes Handy-Deutschland. (kew/akl)

Siemens Dualband-Handy S15E: Die Tücken liegen im Detail.

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