Hauen und Stechen im Grafikkartenmarkt

24.09.1998

MÜNCHEN: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Diesen eigentlich simplen Spruch von Michail Gorbatschow würden die meisten Player im Bereich Grafikkarten wohl blind unterschreiben. Denn jetzt - alle Jahre wieder naht das Weihnachtsgeschäft - geht es zur Sache. Der Kampf um Marktanteile, Technologievorsprung und Verfügbarkeit ist in vollem Gange."Im Grafikkartenmarkt findet Kannibalismus statt. Vor der Einführung neuer Produkte startet bereits der Krieg um die Marktanteile - und der wird natürlich über die Preise ausgetragen", beschreibt ein Insider anschaulich den Konkurrenzdruck im Geschäft mit Grafikboards und Chips.

Entsprechend dem steigenden Druck unter den Wettbewerbern in der heißen Phase des Absatzgeschäftes, gedeihen auch die Gerüchte. Jeder plaudert über jeden in der Branche: Diesmal hat es - mal wieder - die Matrox GmbH bei München erwischt. Von Lieferproblemen ist die Rede, Budgetkürzungen sollen anstehen, Verlust der Marktführerschaft in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz), und die Rekordumsatzmarke vom letzten Jahr scheint in unerreichbare Höhen zu entschwinden, glauben jedenfalls Wettbewerb und Marktbeobachter. Angeheizt wurden die Spekulationen durch offizielle Statements aus der Zentrale in Ontario. So kündigten die Kanadier bereits an, daß sie das Rekordergebnis vom letzten Jahr (mit 690 Millionen Dollar) 1998 nicht toppen können und daß sie ihr Marketingbudget um die Hälfte kürzen.

"Diese Ankündigungen haben Matrox als globalen Player betroffen. Der Bereich DACH arbeitet relativ selbständig. Sicher spüren wir auch die angestrengte Preis- und Margensituation im Grafikkartenbereich, aber man kann bei uns nicht von extremen Kürzungen sprechen", kommentiert Bengt Hessel, Prokurist und Managing Director der Matrox Electronic Systems GmbH in München, die Spekulationen. "Sicher wird es auch für uns schwierig, den Umsatz vom letzten Jahr zu übertreffen. Das liegt aber auch an der Preispolitik im Grafikchip- und -Board-Bereich von Intel. Gerade auch weil wir hier weiter einen hohen Marktanteil haben - höher als Compaq und Siemens in ihrem Segment und den können diese Hersteller auch nur schwer noch weiter ausbauen", bemerkt der Matrox-Chef ironisch.

Keine extremen Kürzungen bei Matrox GmbH

Der Wettbewerb urteilt da übereinstimmend: "Matrox-Produkte werden nach wie vor im Fachhandel- und Retail-Bereich stark nachgefragt. Die Brand-Awareness ist hoch. Aber Platz eins bei den Marktanteilen ist in Deutschland schon lange dahin." Begründung: "Sie sind stark im 2D-Bereich, die 3D-Entwicklung haben sie klar verpennt", meint ein Wettbewerber. Und: "Das neue Board ÔG200È ist nicht State-of-the-Art. Wenn nicht technologisch bald was Neues kommt, sieht es düster aus", will ein anderer wissen.

Hessel sieht die Lage anders: "Unser neues Produkt, der G200, fürs Jahresendgeschäft ist bereits seit Anfang August lieferbar. Unser Wettbewerb kommt mit seinen Neuheiten erst im Oktober oder November auf den Markt." Trotzdem räumt er ein: "Unser Umsatz hat im ersten Halbjahr etwas gelitten. Das liegt daran, daß unsere Produkte Millennium II und Mystique 220 nicht mehr ganz frisch waren."

Bleibt also die spannende Frage, wer ist nun Marktführer in Deutschland? Diamond soll nach verkauften Stückzahlen vorne liegen: Im vierten Quartal will der Hersteller, so Vertriebschef Uwe Schlottmann, immerhin 300.000 Stück absetzen. Auch ATI, bisher im mittleren und unteren Segment agierend, hat noch was in der Hinterhand: "Im Oktober/November bringen wir ein Top-Produkt auf den Markt, das uns Segmente im High-end-Bereich erschließen wird - daran hat es bei uns bisher gefehlt", meint Joachim Skorra, Marketingmanager bei ATI in München. Ein Mitarbeiter aus der Distributionsszene hält diese Einschätzung für realistisch: "Momentan hat Diamond die Nase vorn. Aber ihre neue Grafikkarte zum Ende des Jahres wird ATI auf Platz eins bringen."

Beim harten Verdrängungswettbewerb ist den Herstellern fast jedes Mittel recht, um sich gegenseitig bei Vertriebspartnern und Handel zu diskreditieren: Eine andere Branchenspekulation besagt nämlich, daß der Matrox-Geschäftsbereich Grafikkarten an einen Konkurrenten verkauft werden soll. Insider halten diese Annahme aber für "das übliche Gerücht". Denn: "Es gibt seit zwei Jahren Übernahmephantasien, was Matrox betrifft. Das Unternehmen wäre sehr teuer, gemessen an technologischer Entwicklungsarbeit und Umsatzmarke. Und wer könnte es sich leisten?", fragt sich ein Marktbeobachter. Matrox-Chef Hessel meint zu den Gerüchten um einen möglichen Verkauf des Unternehmens kurz und bündig: "Blödsinn!" (ch)

Hopp oder Top: Millennium G200 von Matrox wird von Hersteller und Wettbewerb verschieden eingeschätzt. Matrox meint aber die Nase vorn zu haben, weil ihr neues Produkt für das Jahresendgeschäft bereits seit August verfügbar ist.

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