Hauen und Stechen um geschätzte 250 Milliarden Euro

18.10.2001
Im letzten Teil unserer Serie "Private Altersvorsorge" erläutert Werner Staudte* die voraussichtlichen Eckdaten der so genannten "Riester-Rente" und wägt Vor- und Nachteile verschiedener Modelle gegeneinander ab.

Zwischen Lebensversicherungen, Investmentgesellschaften, Banken und Sparkassen ist ein Hauen und Stechen um die staatlich geförderte private Altersvorsorge entbrannt. Es geht bis zum Jahre 2010 um mindestens 250 Milliarden Euro, die über die Riester-Rente neu an privater Ersparnis aufgebracht werden. Sicher eine Summe, um die es sich zu streiten lohnt.

Bei voller Ausschöpfung der neuen staatlichen Förderung der privaten Altersvorsorge ab 2002 kämen bis zum Jahre 2010 Zuflüsse an den Kapitalmarkt heraus, die Analysten des Helaba Trust auf bis zu 400 Milliarden Euro schätzen. Es werden aber mit Sicherheit nicht all jene Lohn- und Gehaltsempfänger und Selbständige, die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind, an der Riester-Rente teilnehmen. Sie können in den Jahren 2002 und 2003 bis zu ein Prozent ihres Vorjahreseinkommens anlegen, das in der Sozialversicherung der Versicherungspflicht unterliegt. Das wären nach den Berechnungen des Arbeitsministeriums für Steuerpflichtige ohne Kind 88 Mark pro Jahr, mit einem Kind 74 Mark und mit zwei und mehr Kindern 59 Mark.

Darauf gibt es eine Grundzulage von 75 Mark und eine Zulage je Kind von 90 Mark. Ehepartner können beide die Förderung beanspruchen. Wer ab 2004 zwei Prozent seines Einkommens bis zur Beitragsbemessungsgrenze aufbringt, ab 2006 drei Prozent und von 2008 an schließlich vier Prozent, bekommt jeweils den maximalen Fördersatz.

Jeder Dritte wird nicht mitmachen

Bernd Jansen, Vorstandschef der Inter Versicherung in Mannheim, schätzt, dass mindestens 60 bis 70 Prozent der Berechtigten die staatlichen Zuschüsse und Steuervorteile in Anspruch nehmen werden. Bernhard Schareck, der erste Mann im Vorstand der Karlsruher Lebensversicherung, glaubt, dass jeder Dritte nicht mitmacht. Die Gründe für die Abstinenz können vielfältig sein. Da wird es jene geben, die meinen, dass sie auch ohne "das größte Altersvermögensprogramm aller Zeiten" - so Originalton Bundesarbeitsminister Walter Riester - schon genug für die finanzielle Sicherheit im eigenen Alter getan haben und tun.

Es wird sicher eine größere Gruppe von Mitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung geben, die heute schon so hohe Abzüge und finanzielle Belastungen haben, dass sie sich den zusätzlichen Aufwand einfach nicht leisten können. Und es wird zweifellos auch eine Schar besonders cleverer Anleger zusammenkommen, die von dem neuen Produkt nichts halten, die Angebote langweilig finden und sich lieber auf die eigene Initiative verlassen.

Dabei wäre der Ausgleich der immer größer werdenden Versorgungslücken für die meisten Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung dringend notwendig. Denn es geht ja nicht nur um die mit höherem Einkommen immer größer werdende Kluft zwischen dem guten Verdienst im beruflichen Leben und den wesentlich bescheideneren Einkünften im Ruhestand (siehe ComputerPartner 34/01, Seite 32). Selbst derjenige, der meint, mit seinen bisherigen Lebensversicherungen, Investmentfonds, Immobilien und anderen Kapitalanlagen die Lücke zwischen dem letzten Gehalt und der ersten Rente im Ruhestand schon weit gehend geschlossen zu haben, rechnet falsch.

Denn es tut sich ein neuer Riss auf. Das Rentenniveau - berechnet für den so genannten Eckrentner mit 45 Versicherungsjahren und dem Alter 65 - wird von jetzt etwa 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens im Laufe der nächsten Jahre auf 67 Prozent gesenkt. Das ist wegen der veränderten Bevölkerungsstruktur - immer weniger Berufstätige müssen im Umlageverfahren für immer mehr Rentner sorgen - unumgänglich. Daher ist die Riester-Reform, also zumindest der Übergang für einen zunächst noch kleinen Teil der Altersvorsorge auf das Kapitaldeckungsverfahren, in der Tat ein historisch bedeutsamer Schritt.

Am Anfang nur ganz kleine Brötchen

Dass sich die vereinigten Finanzdienstleister so um die Riester-Rente balgen, ist nur mit den mittelfristig guten Perspektiven zu erklären. Denn kurzfristig hat dieses Produkt viel mit den vermögenswirksamen Leistungen nach dem Vermögensbildungsgesetz oder den AS-Fonds (Altersvorsorge-Sondervermögen) zu tun: Am Anfang werden ganz kleine Brötchen gebacken. Aber der Verwaltungsaufwand für die bescheidenen Beträge ist so hoch, dass sich die Anbieter mit Recht für die Startphase sagen können: Außer Spesen noch nichts gewesen.

Aber wehe, man ist nicht dabei oder gehört bei dem großen Endspurt um die Kunden zu den Nachzüglern. Denn die Riester-Rente dient - so sehen es alle großen Allfinanzvertriebe - als Einstiegsprodukt, als Türöffner bei den Kunden. Gerhard Stroka, Manager bei den Inter Versicherungen, bestätigt diese Einstellung auch für die Assekuranz: "Wir rechnen mit einer hohen Zahl von Abschlüssen für die Riester-Rente. Doch unser Erwartungshorizont ist weiter gespannt und schließt eine allgemeine Ausweitung des Geschäftes ein. Als Auswirkung unserer intensiven Beratung in Verbindung mit der Versorgungsanalyse für unsere Kunden erhoffen wir uns den Kundeneinstieg in weitere Versorgungsverträge."

Überhaupt den Fuß in die Tür bekommen

Die Investmentgesellschaften haben weniger Chancen und einen schlechteren Start als die Assekuranz. Erschwerend für ihre Aktivitäten ist besonders die jetzige Börsenflaute, die nicht gerade zum Einstieg in einen chancenreichen Aktienfonds ermuntert. Auch die Garantie für die eingezahlten Beiträge geht auf Kosten der Rendite. So ist Horst Zirener, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Deutscher Investment- und Vermögensverwaltungs-Gesellschaften,eher bescheiden. Er erklärt, dass es wichtig ist, bei der Riester-Rente überhaupt den Fuß in die Tür zu bekommen, um den Versicherern das Feld nicht allein zu überlassen. Der Verband rechnet damit, dass die Fondsbranche bestenfalls einen Anteil von einem Drittel bis zu 40 Prozent des zusätzlichen Spargeldes auf sich vereinigen kann.

Finanzprodukte für die Riester-Rente müssen einige Bedingungen erfüllen, wenn sie das Zertifikat mit dem Bundesadler erhalten und damit werben wollen. Erstes und wichtigstes Kriterium ist die Verpflichtung des Anbieters, nach Abschluss der Sparphase zumindest die eingezahlten Beiträge zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums auch die für die private Vorsorge gewährten staatlichen Zulagen. Diese Gelder müssen in Form einer lebenslangen Rente mit gleichbleibenden oder steigenden Monatsraten ausgezahlt werden.

Das ist eine Vorschrift, über die sich die Versicherungswirtschaft freut und die Investmentgesellschaften ärgern. Denn bei einer Anlage der Gelder ganz oder teilweise in Aktien ist angesichts der Kursschwankungen an der Börse eine feste Monatsrente im Alter kaum darstellbar. Diese lässt sich nur mit Renten- oder offenen Immobilienfonds verwirklichen. Damit geht aber ein möglicher Renditevorsprung gegenüber der Versicherungswirtschaft verloren, denn langfristig gesehen ist die Performance von Aktien anderen Anlageformen überlegen. So wäre den Fonds eine flexible Auszahlung des angesammelten Kapitals lieber gewesen.

Dabei hätte freilich die Gefahr bestanden, dass am Ende der Vertragslaufzeit auf einen Schlag ein großer Betrag ausgezahlt und anschließend nur noch eine symbolische Monatsrente von einem Euro gezahlt worden wäre. Das wollte Finanzminister Eichel vermeiden und hat deshalb die Vorschriften geändert. Möglicherweise haben die Ausführungsbestimmungen des Zertifizierungsgesetzes für die Altersvorsorgeverträge auch heute noch nicht ihre endgültige Form und werden noch einmal nachgebessert.

Doch so viel steht fest:

- Mindestens die eingezahlten Gelder und die staatlichen Zuschüsse müssen bei Rentenbeginn bereitstehen. Dagegen haben die Fondsanbieter lange gewettert. Sie sehen sich mit dieser Vorschrift in ihrem Bemühen, ein möglichst großes Vermögen für ihre Riester-Kunden zu erzielen, unzulässig gebremst. Damit werden, so der Bundesverband der Investmentgesellschaften, große Renditechancen für heute junge Menschen vertan.

- Leistungen aus den Verträgen dürfen nicht vor Beginn des 60. Lebensjahres gewährt werden, es sei denn, der Kunde ist schon vorher in Rente gegangen.

- Die Abschluss- und Vertriebskosten für die Riester-Produkte müssen auf zehn Jahre gestreckt werden. Das passt wiederum vielen Versicherungsvertretern und -maklern nicht, die ihre Abschlussprovision möglichst sofort haben wollen. Also werden die Versicherungsunternehmen diese Kosten vorfinanzieren müssen.

- Die Kunden haben Anspruch auf eine feste oder steigende Monatsrente bis zum Lebensende.

- Die gewählte Form der Kapitalanlage muss vor Pfändung und Abtretung gesichert sein.

- Der Sparer muss einmal jährlich darüber unterrichtet werden, wie sein Geld angelegt und wozu es verwendet wird.

- Der Vorsorgevertrag muss das Recht vorsehen, einen Teil des angesammelten Kapitals zeitweise für den Erwerb von Wohneigentum zu verwenden. Der Sparer gibt sich also gewissermaßen selbst einen zinslosen Kredit. Dieses Einbeziehen auch der Immobilien in die Riester-Förderung war bis zum Schluss umstritten.

Wer all diese Kriterien erfüllt, bekommt von einer beim Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen extra eingerichteten Abteilung ein Zertifikat, gleichsam ein staatliches Gütesiegel. Das sagt freilich nichts darüber aus - und das ist eine große Einschränkung für den Wert des Zertifikates -, ob der Vertrag für die private Altersvorsorge wirtschaftlich tragfähig ist und ob der Anbieter des Produktes seine Zusagen auch erfüllen kann. Zudem gibt es die Zertifizierung erst im Dezember dieses Jahres.

Ob das die 70 Mitarbeiter, die eigenes dafür freigestellt sind, schaffen, ist zweifelhaft. Denn sie wollen alle Anträge, die bis zum 30. November 2001 vorliegen, mit Wirkung zum 1. Januar 2002 zertifizieren. Erst dann gibt es die staatliche Förderung, die zum ersten Mal 2003 rückwirkend für das Vorjahr gezahlt wird.

Mit Frühstart ein großes Stück ergattern

Aber auch ohne Zertifikat und letzter Gewissheit über die Vorschriften sind hierzulande von Versicherungsgesellschaften schon einige hunderttausend "Riester-Verträge" abgeschlossen worden. Die Manager von rund einem Dutzend Gesellschaften argumentieren mit der Komplexität der Produkte und der Größe der Aufgaben, die zu bewältigen sind. Sie weisen auf das für das Endergebnis vorteilhafte frühere Eintrittsalter und den Zinseszinseffekt hin.

Im Grunde ist der Frühstart aber dazu bestimmt, sich ein möglichst großes Stück vom Kuchen abzuschneiden. Gesellschaften, die Riester-Produkte verkauften und bereits Verträge unterschreiben ließen, wurden von Verbraucherschützern prompt abgemahnt. Sie versprachen daraufhin, bei gesetzlich noch notwendigen Anpassungen die Verträge auf eigene Kosten nachzubessern.

Den Lebensversicherungsunternehmen fällt es mit Abstand am leichtesten, Angebote zu entwickeln, die den Richtlinien des neuen Gesetzes entsprechen. Die Assekuranz setzt vor allem auf zwei Produktlinien: die klassische private Rentenversicherung und die fondsgebundene Lebensversicherung. Mit der konservativen Rentenversicherung lassen sich die Anforderungen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zwar am leichtesten erfüllen. Der Kunde muss sich dann aber angesichts eines verschwindend geringen Risikos auch mit einer relativ bescheidenen Rendite zufrieden geben.

Bessere Ergebnisse verspricht die zweite Variante: die fondsgebundene Lebensversicherung. Sie ist als Riester-Produkt in der Regel so konstruiert, dass ein Teil der eingezahlten Beiträge in einer normalen Rentenversicherung angelegt wird. So kann die Garantie erfüllt werden, dass zumindest die eingezahlte Summe und die gewährten Zulagen in der Leistungsphase für die lebenslange monatliche Zusatzrente bereitstehen. Der verbleibende Teil der Beiträge einschließlich der in der Rentenpolice erwirtschafteten Überschussbeteiligung fließt in Investmentfonds. Je nach Vermögensstruktur und Anlagepolitik dieser Fonds winkt dem Ries-ter-Kunden langfristig eine höhere Rendite als bei der braven Rentenversicherung.

Nach diesem Muster - Fonds kombiniert mit einer Versicherung - werden auch die meisten Tarife der Investmentbranche sowie der Banken und Sparkassen gestrickt sein. Denn so lassen sich am besten das Garantieversprechen und die Perspektive einer dennoch hohen Rendite miteinander verbinden. Die Kombiverträge sind auch deshalb wahrscheinlich, weil heute die meisten Banken, Sparkassen, Fonds- und Versicherungsgesellschaften miteinander verschwis-tert und verschwägert sind und schon bisher stark auf Allfinanzdienstleistungen gesetzt haben.

Für Kombinationen dieser Art zwei Beispiele:

- Die "Förder-Rente" der Deutschen Bank und deren Tochtergesellschaft Deutscher Herold vereinigt in sich Rentenversicherung und Fondsanlage. Die geforderte Sicherheit bietet die Rentenversicherung. Die garantierte Monatsrente kann erhöht werden, indem die Fondsanteile in eine konventionellere Art der Kapitalanlage, also beispielsweise festverzinsliche Wertpapiere, umgeschichtet werden. Das ist erstmals nach drei Jahren Laufzeit möglich und kann später auch wieder rückgängig gemacht werden.

- Die den Sparkassen verbundene Deka-Gruppe führt ebenfalls Rentenversicherung und Fondsanlage zu einem Riester-Produkt zusammen. Für die Rentenpolice, die zusätzlich zu Beitragssumme und Förderzulagen eine Mindestverzinsung von 3,25 Prozent garantiert, sind die öffentlichen Versicherer zuständig. Die Fondsanlage übernimmt die Deka und bietet dafür ganz unterschiedlich je nach Geschmack und Risikoneigung vier verschiedene "Töpfe" an. Bei der Variante "Ertrag" fließen 80 Prozent der Gelder in Rentenwerte und nur 20 Prozent in Aktien. Wer auf "Wachstum" setzt, sieht sich einer Mischung zwischen Renten und Aktien von 60 zu 40 gegenüber. Dabei sind sowohl die Rentenwerte als auch die Dividendenpapiere europa- und weltweit gestreut. In der Variante "Chance" schrumpft der Rentenanteil auf 30 Prozent, und die vierte Möglichkeit "Chance Plus" birgt mit 90 Prozent Aktien das größte Risiko, aber auch die größten Chancen.

Wenn der Inhaber einer Riester-Rente seine Rentenansprüche nicht erlebt, werden das bis dahin eingezahlte Deckungskapital und die Überschüsse für eine Zeit von mindestens zehn Jahren als Rente an die Hinterbliebenen ausgezahlt. Wer dagegen im Alter von mindes-tens 60 Jahren in den Genuss seiner Zusatzversorgung kommt, wird bei diesem Bonbon noch einen bitteren Beigeschmack verspüren: Im Unterschied zur gesetzlichen Rente, bei der nur der so genannte Ertragsanteil versteuert werden muss, unterliegen die Leis-tungen aus Riester-Verträgen voll der Steuerpflicht.

*Werner Staudte ist freier Wirtschaftsjournalist in Dietzenbach.

Riester-Rente

Hoher Einsatz geplant

Das Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK hat mehr als 1.000 Bundesbürger gefragt, wie sie es mit der Ries-ter-Rente halten. Dabei ergaben sich große Informationslücken über die vorgesehene staatliche Förderung. Das drückt sich auch darin aus, dass diejenigen, die mitmachen möchten, wesentlich mehr als den Sparbeitrag aufwenden wollen, der maximal durch die Förderzulage begünstigt wird. Sie wollen 195 Mark im Monat zusätzlich zu ihren bisherigen Aufwendungen für die Altersvorsorge und andere Sparformen in Riester-Verträge stecken. Das ist mehr als doppelt so viel, wie ein Alleinstehender ohne Kinder im kommenden Jahr bei der Riester-Rente für die maximale staatliche Förderung aufbringen müsste. (ws)

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