Havi: Schluss mit dem Kabelsalat bei Heimelektronik

09.07.2000
Selbst für absolute Hifi-Freaks ist der ständige Kabelsalat bei modernen Stereoanlagen ein einziges Ärgernis. Interagieren können nur die wenigsten Geräte, und wenn, dann nur die eines Herstellers. Das soll sich mit dem Netzwerkstandard für Home Audio-Video-Interoperability, kurz Havi, in Zukunft ändern.

Wer sich nicht gerade mit einer Minianlage zufrieden gibt, hat es meist mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Steckern, Fernbedienungen und einem Wust von Kabeln zu tun. Bei einer Dolby-Surround-Anlage können da gut und gerne 100 Kabelverbindungen nötig sein. Und hat man nach schweißtreibender Arbeit alles angeschlossen, dann klappt vielleicht die Wiedergabe einer Videoquelle nicht, weil sich S-VHS und herkömmliche AV-Anschlüsse nicht vertragen.

Wenn der Fernseher Ebbe im Kühlschrank anzeigt

Führende Hersteller wie Grundig, Hitachi, Panasonic, Philips, Sharp, Sony, Thomson und Toshiba haben das Problem erkannt und sich schon 1996 zum Havi-Konsortium zusammengeschlossen. Ziel des Konsortiums ist die Entwicklung eines digitalen Standards, bei dem jeweils nur ein Kabel für das Weiterleiten und die Aufnahme von Informationen nötig ist. Entstehen soll somit eine Art ringförmiges Netzwerksystem, bei dem alle Geräte miteinander verbunden werden und kommunizieren können. Einzig für Strom, Antennen und Lautsprecher würden somit noch zusätzliche Kabel anfallen.

Über andere drahtgebundene und drahtlose Standards wie Jini (Java Intelligent Network Infrastructure) und Bluetooth ließe sich das System auch auf die gesamte Haushaltselektronik ausweiten. Die Vorstellungen der Entwickler kennen keine Grenzen: Klingelt zum Beispiel das Telefon, würde sich automatisch das Radio leiser stellen. Nebenbei könnte man sich am Fernseher über den Kühlschrankinhalt oder den Heizölstand informieren. Havi kann aber noch mehr. So soll es in Zukunft möglich sein, über das Internet von einem beliebigen Ort der Welt aus die gesamte Elektronik im Haushalt zu steuern.

Kein Wunder, dass sich mittlerweile auch IT-Riesen wie Intel, Microsoft und zuletzt Hewlett-Packard dem Havi-Konsortium angeschlossen haben, das nun schon über 35 Mitglieder zählt. Ein namhafter Hersteller fehlt jedoch in der Liste, und das aus gutem Grund. Bang & Olufsen hat mit "Beolink" oder "Masterlink" schon vor zehn Jahren ein ähnliches System entwickelt, das alle Geräte der eigenen Marke miteinander vernetzt. Und das Masterlink-Geschäft will sich die dänische Hifi-Designerschmiede natürlich nicht durch einen neuen Standard verderben lassen.

400 Millionen Bit pro Sekunde

Die vom Havi-Konsortium favorisierte Schnittstelle für den neuen Standard ist die IEEE-1394-Steckerverbindung, auch Firewire oder bei Sony "I-Link" genannt. Tatsächlich hat Sony schon 1995 begonnen, Camcorder mit dem IEEE-1394-Steckkontakt auf den Markt zu bringen. Doch Havi-fähig sind sie noch lange nicht, da Camcorder und Computer nicht ohne weiteres miteinander kommunizieren können. Dafür bedarf es so genannter Device Control Modules (DCM), die für die Übermittlung der Steuerbefehle an Havi-Geräten zuständig sind. Ältere IEEE-1394-Geräte werden zwar erkannt, können somit aber keine anderen Komponenten steuern. Selbst bei Havi-Geräten gibt es solche mit eingeschränkter (Intermediate AV Devices, IAV) und solche mit voller (FAV) Steuerfunktionalität einschließlich so genannter Havlets für die Java Virtual Machine.

Vorteil dieser IEEE-1394-Technologie ist eine Übertragungsgeschwindigkeit von 400 Millionen Bit pro Sekunde - genug, um auch mehrere Bild- und Tondatenströme kreuz und quer durch die ganze Wohnung zujagen.

Technisch steht Havi praktisch nichts mehr im Wege, und auch Feinheiten wie Kopierschutzfragen sind mittlerweile geklärt. Tatsächlich sollen schon im nächsten Jahr die ersten Geräte mit der neuen Technik auf den Markt kommen. Doch bis sich der neue Standard auf breiter Front durchsetzt, dürften noch Jahre vergehen. Denn es wäre wenig sinnvoll und zu teuer, analoge Geräte nachträglich um eine Digitalschnittstelle aufzurüsten. Somit bleibt den Herstellern vorerst keine andere Wahl, als für den Übergang auf eine Notlösung auszuweichen: Fernseher und Verstärker müssten als Schaltzentralen zusätzlich zu IEEE-1394 weiterhin Cinch-, Scart-, AV- und S-VHS-Buchsen bieten. (kh)

www.havi.org

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