Helmut Wilke will mit starken Partnern zweistelliges Wachstum erreichen

13.09.2001
Vor gut zwei Monaten hat Helmut Wilke die Nachfolge von Helmut Krings als Deutschlandchef von Sun Microsystems angetreten. Mit seiner Erfahrung aus dem Software- und Servicebereich will er dem Hardwareunternehmen neue Impulse geben und die Kooperation mit Partnern noch vertiefen.

Die Versuchung war einfach zu groß: Als das Angebot kam, die Geschäftsleitung von Sun Microsystems zu übernehmen, überlegte Helmut Wilke nicht lange, sondern griff sofort zu. "Sun ist eine erstklassige Adresse", erklärt Wilke. "Es ist ein Unternehmen, das weltweit gut dasteht, hervorragende Ergebnisse erzielt und sehr stabil ist." Ein weiterer Anreiz war für ihn auch, die Nachfolge von Helmut Krings anzutreten, der immerhin 17 lange Jahre das Unternehmen geführt hat und eine Art Institution war.

Sun macht es seiner Aussage nach neuen Leuten relativ leicht, trotz seiner Größe. Es geht recht locker und unkompliziert im Hause zu. Deshalb hat sich Wilke auch von Beginn an sehr wohl gefühlt. "Es war mit Sicherheit ein Schock für die Mitarbeiter, dass Helmut Krings aufhörte", räumt Wilke ein. "Sie fanden es einerseits sehr schade, andererseits halten sie es vielleicht auch nicht für schlecht, wenn da mal einer kommt, der einfach zehn Jahre jünger ist. Manch einer zog auch etwas die Augenbrauen hoch, da ich ja kein klassischer Hardwaremann bin, sondern aus dem Softwarebereich komme, und sie fragten sich, welche Akzente ich wohl setzen würde. Insgesamt aber war das Willkommen sehr positiv."

Ein Mann für alle Fälle

Wilke bringt wichtiges Know-how mit, das die wenigsten langjährigen Sun-Mitarbeiter vorzuweisen haben. Die Jahre des Hyperwachstums sind für alle in der IT-Branche vorbei. Es reicht als Erfolgsrezept laut Wilke nicht aus, noch mehr Server zu verkaufen. Man brauche auch ein paar neue Ideen. Und die kann er bieten, da er viel internationale Erfahrung mitbringe und auch "mal über den Tellerrand gekuckt" habe.

Er verfügt eben auch über Erfahrungen mit Firmen, denen es mal eine Zeit lang nicht so gut ging und wo man nach mehreren Jahren Wachstum dann sogar auch den Rückwärtsgang einlegen musste. "Wenn die Zeiten hart werden, fehlt es gerade jungen Firmen an Managern, die wissen, wie man Kosten senkt oder Personal abbaut", berichtet Wilke. "Zum Glück steht das bei uns im Moment nicht an, aber das Sun-Management hat wohl gedacht, es sei gut, jemanden zu haben, der erstens von außen kommt und zweitens reichlich Managementerfahrung im Gepäck hat."

Dieses Wissen soll Wilke nun für Sun einsetzen, nicht in Richtung Einsparung, sondern mit Blick auf das Unternehmenswachstum. "Deutschland ist eine der größten und stabilsten Wirtschaftsnationen der Welt. Als ich unseren CEO und Chairman Scott McNealy fragte, was er von Deutschland erwartet, hat er mir persönlich gesagt, wir müssten noch schneller, noch größer werden." Wilkes Ziel ist demnach, die Marktanteile im Storage- und Highend-Server-Bereich zu halten und auszubauen sowie das Ultra-Sparc IV einzuführen. Vor allem im Storage-Segment sieht er schöne Wachstumszuwächse.

Dieser Bereich ist nach Ansicht von Wilke für viele Unternehmen von strategischer Bedeutung. Konkurrent EMC hat die Chancen schon frühzeitig erkannt und ist in diesem Segment Marktführer. Alle anderen Hardwarehersteller einschließlich Sun waren etwas langsamer. Doch laut Wilke arbeitet man daran aufzuholen. "Wir sind mit unserer T3-Linie sehr erfolgreich und haben noch eines draufgesattelt, indem wir den Deal mit Hitachi gemacht haben und damit eine echte Alternative komplett über die gesamte Bandbreite zu den EMC-Produkten anbieten können." Hinzu kommt der nach Wilkes Ansicht "exzellente Deal" mit HDS, der gut strukturiert ist und "sicherlich EMC noch einigen Kummer bereiten wird".

Zweistelliges Wachstum anvisiert

Der kämpferische Geschäftsführer hat sich viel vorgenommen. Er will im Geschäftsjahr 2001/2002 (30. Juni) in Deutschland ein zweistelliges Wachstum erreichen. Derzeit befindet sich der Markt in einer Delle, aber Wilke hat den Eindruck, dass es nicht mehr schlechter werde. Im vergangenen Jahr konnte Sun aufgrund der großen Nachfrage aus dem Dotcom- und Telco-Lager ein Wachstum von 60 Prozent hinlegen.

Dass diese Zahlen in diesem Jahr nicht wiederholt werden können, ist allen Sun-Managern klar. "Wir werden in den ersten beiden Quartalen sicherlich nicht besser werden können als im Vorjahr", kontert Wilke allzu hohe Erwartungen. "Aber wir stellen uns so auf, dass wir in der Tat wachsen. Die Höhe des Wachstums hängt ein bisschen davon ab, wie Anfang nächsten Jahres das Geschäft wieder anzieht, vor allem im Bereich UMTS-Lizenzen. Wir sind sehr stark im Telecombereich. Wir gehen davon aus, dass die Unternehmen wieder Anwendungen brauchen, um UMTS-Lizenzen in Nutzung zu setzen."

Weitere Märkte mit Zukunftspotenzial sind seiner Meinung nach Banken, Behörden und die Automobilindustrie. Dazu kommt der Mittelstand, für den Sun gerade gemeinsam mit den Partnern Branchenprojekte entwickelt.

Erste Signale für höhere Investitionspläne erwartet er zum Jahresende. Aber auf Prognosen lässt er sich nicht ein. "Selbst unser Chef hat für dieses Quartal noch keine Umsatzprognose abgegeben", erzählt Wilke. "Er hat gesagt, wir erwarten schwarze Zahlen, und wir hören sie zur Mitte des Quartals. Und auf weitere Nachfragen der Analysten hat Scott dann irgendwann gesagt: Ja, wenn ihr es nicht wisst, woher soll ich es dann wissen? Ich selber glaube, man holt sich leicht rote Ohren, wenn man Prognosen aufstellt. Die Fluktuation des Marktes, sowohl nach oben als auch nach unten, ist im Moment so schnell, dass es einfach zu schwierig ist, konkrete Aussagen zu machen."

Kundenwunsch: mehr Service

Sun muss sich derzeit mit einer verstärkten Nachfrage nach Service auseinander setzen. "Wir sind eigentlich kein Service-Provider und wollen strategisch auch keiner sein", stellt Wilke klar. "Wir sehen uns als Produkt-Company, und zwar als eine der Wenigen, die es noch am Markt gibt." In diese Kategorie gehören seiner Meinung nach noch Intel und Microsoft. "Wir sehen hier auch unseren Umsatzschwerpunkt", fährt Wilke fort. "Wir selbst machen keine Applikationen, das läuft konsequent über unsere Partner. Unsere Kunden drängen uns vielmehr, verstärkt Systemservice anzubieten."

Laut Wilke sagen sie sich: Ich kaufe eine Plattform, um eine hohe Verfügbarkeit sicherzustellen. Diese Verfügbarkeit hängt aber nur zu einem Bruchteil von der Hardware ab. 80 Prozent der gemeldeten Störungen und Probleme sind letztlich auf fehlende Backup-Konzepte, Betriebsführungskonzepte, schlecht geschulte Mitarbeiter oder Umweltfaktoren im Rechenzentrum zurückzuführen. Deshalb soll Sun nicht nur im Vorfeld beraten, sondern sich auch dafür verantwortlich zeigen, dass das System immer einwandfrei läuft.

"Wir werden eigentlich mehr in die Verantwortung genommen, als wir wollten", berichtet Wilke. "Dadurch ist der Dienstleistungsbereich wie Basisservice, Rechenzentrums-Service, Maschinen-Tuning und so weiter sehr stark gewachsen. Inzwischen liegt der weltweite Umsatzanteil der Wartungsarbeiten bei 16 Prozent." Im Grunde sei der Anteil immer noch sehr gering, da Sun viel von den Partnern machen lasse, so Wilke. In diesem Bereich wolle man sich bei Sun besonders stark in Sachen Zertifizierung der Partner einsetzen, damit diese stärker im Servicebereich seien.

Etwa 70 Prozent des Hardwaregeschäftes werden über Partner abgewickelt. Insbesondere im Telco-Bereich gebe es wohl noch einige wenige Kunden, die direkt mit Sun das Geschäft abschließen wollen. Das Ziel sei jedoch, die meisten Geschäftssegmente, wie beispielsweise auch die Finanzen, komplett über den Partner laufen zu lassen. "Der Kunde braucht mehr als eine Plattform", so Wilke. "Er braucht auch Applikationen, er braucht ein SAP, er braucht E-Business-Anwendungen. Dafür suchen wir systematisch Value-Added-Partner. Diese betreuen wir dann teilweise direkt und teilweise über unseren General-Value-Partner DNS, mit dem wir schon seit vielen Jahren verbunden und sehr erfolgreich sind."

Da der Partnermarkt ebenfalls in Bewegung ist, sucht Sun weiterhin Partner, die sich in bestimmten Marktsegmenten gut auskennen und die auch in Schulungen sowie Weiterentwicklung investieren. Wichtigstes Kriterium für Wilke ist Kontinuität und Vertrauen. Der Hersteller selbst verdient in den meisten Fällen nur am Hardwareverkauf. Deshalb werden bei Sun die Partner ausgemustert, die auf mehreren Beinen stehen, mit dem Unternehmen in einen Deal reingehen und am Ende dann doch die Maschinen der Konkurrenz verkaufen.

"So etwas macht einer nur einmal mit uns", lautet die harte, aber verständliche Antwort auf "Fremdgehen". "Wir sind ja auch keine Service-Company, sondern ein Systemlieferant. Wir brauchen deshalb Partner. Sun plus Partner ist in meinen Augen mehr als die mitbewerbenden Firmen, die verstärkt alles aus einer Hand anbieten, auch Service."

Trotz eines scheinbar komplizierten Vertriebsnetzes kommt es bei Sun zu keinem Channel-Konflikt. Dank des ausgeklügelten Provisionsmodells, bei dem die Vertriebsmitarbeiter mehr verdienen, wenn der Deal über die Partner geht, ist das Unternehmen sehr partnerorientiert.

Von Freunden und Feinden

Wilke ist ein Mann des offenen Wortes. Während er Linux als Freund betrachtet, gehört Microsoft keinesfalls in diese Kategorie. Dafür hat sich die Gates-Company zu halbherzig mit Java beschäftigt. Auch die Hardwarekonkurrenz bekommt ihr Fett weg. "Wir geben zwölf Prozent der Umsätze für Forschung und Entwicklung aus. Das ist mehr, als jeder andere investiert", berichtet Wilke. "Compaq und HP haben in der Tat gesagt: Das sparen wir uns. Und jetzt sind sie die Logistikvertriebsarme von Intel. Wir hingegen haben den Ehrgeiz, eigene Produkte zu verkaufen und nicht von Intel abhängig zu sein. Sicherlich wird Intel viel in die Entwicklung seiner Standardprodukte investieren, aber die müssen erst einmal dorthin kommen, wo wir heute sind. Das ist doch ein Marktsegment oberhalb der Ebene, auf der Intel bisher gespielt hat."

www.sun.de

ComputerPartner-Meinung:

Helmut Wilke passt sich nahtlos an die konsequente Denkweise von Sun an. Das Unternehmen fährt weiterhin auf seiner eigenen Produktschiene einschließlich Solaris und erwartet auch vom Partner absolute Treue. Wilkes Motto "Wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein" verdeutlicht das Selbstbewusstsein des Serverherstellers. (go)

Facts & Figures

Der neue Chef von Sun Microsystems

Helmut Wilke trat am 1. Mai 2001 als Geschäftsführer der Sun Microsystems GmbH und Vice President Germany/Austria in die Unternehmensleitung ein. Zum 1. Juli 2001 übernahm er die Aufgabe von Helmut Krings, der 17 Jahre die Geschicke des Unternehmens leitete.

Wilke war zuvor in verschiedenen Positionen in der IT-Branche tätig. Er leitete als Geschäftsführer die deutsche Niederlassung des US-Softwareherstellers Ingres. Anschließend übernahm er beim Datenbankspezialisten Gupta die Verantwortung für das Europageschäft. Knapp drei Jahre lang war der 50-Jährige bei der Software AG als Vorstand verantwortlich für den weltweiten Vertrieb, Marketing und Services.

Vor gut anderthalb Jahren wechselte er in die USA und leitete als Chief Executive Officer (CEO) die Geschäfte der US-Tochter der Software AG. In seiner Funktion bei Sun unterstehen Wilke die Bereiche Vertrieb, Marketing sowie Personal- und Finanzwesen für das Systemgeschäft. (go)

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