Hersteller gehen in die Offensive

03.11.1999

MÜNCHEN: Mit Horrorszenarien und Halbwahrheiten schüren einige halbseidene IT-Händler die Angst der Kunden vor der Jahr-2000-Umstellung. Weil ihnen rechtlich nicht beizukommen ist, will Compaq seine Kunden zumindest öffentlich warnen.Jahr-2000-Testprogramme und Lösungen gibt es zuhauf, kompetente Beratung und konkrete Aussagen sind indes Mangelware. Selbst Versicherungen schrecken nicht davor zurück, mit selbstgestrickten Lösungen noch eine schnelle Mark bei ihren Kunden zu machen.

Auch einige schwarze Schafe der IT-Branche haben Blut geleckt: Sie nutzen die Verunsicherung der Kunden, um mit fragwürdigen Methoden die eigenen Kassen zu füllen. Die Vorgehensweise ist immer die gleiche: Telefonisch werden Unternehmen mit dem Angebot einer Präsentation der Y2K-Problematik und eines kostenlosen Checks der vorhanden Geräte akquiriert. Bevorzugte Ansprechpartner sind dabei überforderte Jahr-2000-Beauftragte.

Hat der Kunde erst mal angebissen, wird die Darstellung des Jahr-2000-Problems mit viel Dramatik und noch mehr Fachbegriffen gewürzt, der anschließende Geräte-Check gibt dem Opfer den Rest. Denn der "Y2K-Spezialist" kommt immer zum gleichen Ergebnis: PCs und Server sind größtenteils nicht Jahr-2000-fähig. Der Händler macht ein meist völlig überteuertes Angebot. Mit viel Glück kommt die betroffene Firma sogar mit einer Software-Lösung davon.

Für einen besonders aggressiven Vertreter dieser Spezies hält Compaq den Detmolder Händler Hans-Jürgen von Donop. Seine Verkaufsstrategie sei eine Mischung aus Übertreibungen, angewandter Psychologie und einer Reihe von Halbwahrheiten, meint Compaqs Jahr-2000-Beauftragter Michael Gerner. "Und die angebotene Lösung ist so sinnvoll, wie wenn man einem Fisch das Schwimmen beibringen will." Rechtlich könne man gegen den Mann aber nichts ausrichten:

"Er bewegt sich in einer Grauzone." Selbst gegen die Aussage, die Produkte der führenden Hersteller wären nicht Jahr-2000-fähig, könne man nichts ausrichten: "Die müßte uns erst schriftlich vorliegen." Compaq habe sich deshalb entschlossen, vor der Vorgehensweise des Händlers zu warnen: "Wir müssen unsere Kunden schützen", so Gerner.

"Wir müssen unsere Kunden schützen"

Von Donop ist über die Vorwürfe empört: "Die kriegen doch das Problem nicht in den Griff." Offenbar gebe es aber eins, sonst reagiere Compaq nicht so heftig, schießt er zurück. Der Detmolder Händler legt großen Wert auf die Feststellung, daß er keinen Grund hat, einen Hersteller besonders "heraus- oder herunterzuheben". Ihm sei bei den bisherigen Tests nur eben noch kein PC von Compaq, Dell oder IBM untergekommen, der sich definitiv als Jahr-2000-fähig durch alle Ebenen erwiesen habe. "Bei Siemens sieht es schon besser aus", meint von Donop. Compaq versuche, ihm eins auszuwischen, weil er nachweisen könne, daß die Geräte des Herstellers nicht in Ordnung seien: "Das ist die Tour eines Marktführers, seine Felle zu retten."

Laut Compaq verkauft von Donop eine Software-Lösung, die die meisten der Kunden gar nicht brauchen. "Die hat nur Sinn, wenn es sich um Betriebe handelt, die selbstgestrickte Applikationen verwenden. Eigentlich ist das nur ein Nischenmarkt", meint Gerner. Bei Standard-Geräten wäre die Softwarelösung zwar nicht unbrauchbar, aber seiner Meinung nach völlig überflüssig: "Der Nutzen ist sehr fraglich." Doch das teile von Donop bei seiner Demonstration den Kunden eben nicht mit. "So gesehen sagt er bei der Beratung ja die Wahrheit, verschweigt dabei aber wichtige Informationen", entrüstet sich Gerner.

Auch diese Vorwürfe weist von Donop weit von sich: "Ich bin doch nicht verantwortlich für die Angst der Leute", meint er. Sondern die Hersteller, weil sie keine konkrete Stellungnahme zur Jahr-2000-Problematik abgeben würden. Er mache kein Geschäft mit der Angst, sondern kläre über die möglichen Schwierigkeiten und entsprechende Lösungen auf.

Keine Stellungnahme zur Y2K-Problematik

Tatsächlich ergaben die Recherchen von ComputerPartner einige Ungereimtheiten bei den Aussagen von Donops. Beispielsweise bezüglich des von ihm eingesetzten Jahr-2000-Check-Programms, an dessen Seriosität der Händler erst gar keinen Zweifel aufkommen lassen will: "Das ist fünffach zertifiziert". Demnächst auch vom TÜV Bayern - zumindest wirbt von Donop damit. Allerdings weiß man dort nichts davon. Das Programm ist den Mitarbeitern gar nicht bekannt.

Eine entsprechende schriftliche Stellungnahme liegt ComputerPartner vor. Mit dieser Tatsache konfrontiert, verweist der Händler auf den Lieferanten, der das Programm europaweit vertreibt und die Zertifizierung in die Wege geleitet haben soll. Doch da gab es offenbar ein großes Mißverständnis: Man habe beim TÜV zwar Mitte vergangenen Jahres angefragt, doch die Kapazitäten dort seien erschöpft, so ein Mitarbeiter. Frühestens im Juni dieses Jahres habe man mit einem Ergebnis rechnen können und habe es deswegen gelassen. Das Vertriebsunternehmen distanziert sich schnell und deutlich von Donops Werbebotschaft: "Wir machen keine Werbung mit Sachen, die nicht stimmen. Das ist doch verrückt."

Diversen Testberichten zufolge ist das Programm zumindest in einem Punkt sehr zuverlässig: Es melde fast immer ein Problem der Real-Time-Clock. Von Donop bleibt dennoch unbeirrt: "Wir ziehen die Glaubwürdigkeit aus Erfahrung." Die habe man hauptsächlich in Großbritannien gemacht. Zum Beweis legt er ein Schreiben vor, in dem als Referenzen unter anderem die Royal Air Force, die British Telecom und IBM genannt werden.

"Glaubwürdigkeit aus Erfahrung"

"Das ist ja ein starkes Stück", meint Hans-Jürgen Götz, Director PC-Marketing bei IBM. Seine Kollegen in Greenock/England hätten von Donop wegen ähnlicher Statements bezüglich Freigabe und Unterstützung durch IBM schon mal abgemahnt. Götz will der Sache jetzt nachgehen: "Denkbar ist alles. Wir haben seine SW ja auch einmal gekauft, zum Testen und Beurteilen. Könnte ja sein, daß er so etwas dann gleich als Referenz nimmt..." Auch bei der deutschen Niederlassung von Big Blue sei der Händler kein Unbekannter: "Man glaubt gar nicht, wie beschäftigt unsere Leute sind, seit der Mann in Erscheinung getreten ist", meint Götz.

Das läßt sich von Donop, der nach eigenen Angaben seit 15 Jahren "in der EDV-Branche" tätig ist, nicht gefallen: Er sei jederzeit bereit, seine Präsentation, den Check und die Lösungen in der ComputerPartner-Redaktion zu demonstrieren, seine Vorgehensweise von Fachleuten überprüfen zu lassen: "Wir arbeiten sauber, offen und klar", betont von Donop. Allerdings nur gegen Bares: "Da steckt eine Menge Know-how dahinter, das müssen Sie doch verstehen."

Nach Ansicht des geschäftstüchtigen Unternehmers stellen sich die führenden Hersteller aber ohnehin laufend selber bloß: "Fragen sie doch mal bei Compaq, IBM oder Dell nach einer Jahr 2000-Fähigkeits-Garantie, Sie werden keine bekommen", so von Donop. Von J+J Solutions BV allerdings auch nicht: "Ich bitte sie. Wir sind alle lang genug in der EDV-Branche, um zu wissen, daß das Wahnsinn wäre. Denken Sie an die Chaos-Theorie und Murphys Gesetz: Was passieren kann, passiert." (mf)

Die Zeit bis zur Jahr-2000-Umstellung läuft: So mancher Händler nutzt sie für eine schnelle Mark.

Stellungnahme des TÜV Bayern: "Die Aussage ist irreführend."

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