Hersteller machen Distributor Magirus das Leben schwer

19.01.1996
STUTTGART: In letzter Zeit, so versichern autorisierte Vertriebspartner von Magirus Datentechnik, habe sich die Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Distributor stark zum Vorteil für alle Beteiligten entwickelt. Doch hausgemachte und herstellerspezifische Probleme werden auch noch in nächster Zeit für Turbulenzen sorgen.Es ist schon ein Leid mit den Lieferanten: Hewlett-Packard hat Lieferprobleme, Frame Technology gilt in Deutschland nicht gerade als pflegeleichter Partner und das Digital-Chaos ist mittlerweile schon sprichwörtlich. Magirus Datentechnik in Stuttgart kann ein Lied davon singen, denn der Distributor hat sie alle im Programm. Doch eine kurze Umfrage unter den Vertriebspartnern ergab erstaunliches: Sie bringen viel Verständnis für ihren Value-Added-Distributor auf.

STUTTGART: In letzter Zeit, so versichern autorisierte Vertriebspartner von Magirus Datentechnik, habe sich die Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Distributor stark zum Vorteil für alle Beteiligten entwickelt. Doch hausgemachte und herstellerspezifische Probleme werden auch noch in nächster Zeit für Turbulenzen sorgen.Es ist schon ein Leid mit den Lieferanten: Hewlett-Packard hat Lieferprobleme, Frame Technology gilt in Deutschland nicht gerade als pflegeleichter Partner und das Digital-Chaos ist mittlerweile schon sprichwörtlich. Magirus Datentechnik in Stuttgart kann ein Lied davon singen, denn der Distributor hat sie alle im Programm. Doch eine kurze Umfrage unter den Vertriebspartnern ergab erstaunliches: Sie bringen viel Verständnis für ihren Value-Added-Distributor auf.

Das war nicht immer so. Noch Mitte des letzten Jahres gab es böse Stimmen, die Magirus-Geschäftsführer Fabian von Kuehnheim vorwarfen, die Abläufe in seinem Unternehmen für die Partner nicht transparent genug zu machen, mit der Logistik hapere es und die Unterstützung durch die Marketingabteilung scheitere oft genug an mangelndem Personal.

Dabei beschäftigt von Kuehnheim rund 150 Mitarbeiter, davon allein 60 im Außendienst. An sieben Stellen in Deutschland gibt es eine Zentralstelle für die Magirus-Händlerfeuerwehr. "Beratung funktioniert nur, wenn der Mitarbeiter maximal zwei Stunden mit dem Auto zum Kunden braucht, sonst fährt er nicht hin", weiß von Kuenheim.

Damit, so verkündet er stolz, unterscheide sich Magirus von allen anderen nennenswerten Distributoren in Deutschland. "Es gibt ein paar kleinere, in einer Umsatzklasse von 20 bis 50 Millionen, aber die sind selten in der Lage, wirklich die gesamte Region zu bedienen", erklärt der Chef des 250-Millionen-Mark-Unternehmens.

Ein solcher Mitarbeiterstamm will natürlich auch finanziert sein. Deshalb meldete Magirus seinen Rückzug aus dem Hardware-Massengeschäft und verlegte sich auf den Lösungsbereich mit wartungsintensiven Softwareprodukten und das Hardware-Business mit mittlerer und großer Datentechnik. "Wir mußten uns auf Bereiche konzentrieren, in denen der Kunde auch bereit ist, unsere Leistung zu honorieren", faßt von

Kuehnheim den Umschwung von Magirus zusammen.

Das kostete Zeit und Partner. Innerhalb kürzester Zeit schrumpfte der Händlerstamm des Distributors von ursprünglich 13.000 auf knapp 300 zusammen. Im März letzten Jahres gab von Kuehnheim bekannt, sich vorrangig um das UNIX-Geschäft kümmern zu wollen. Wer nur noch Produkte kaufen will, wird an Azlan verwiesen. Durch den IBM-Deal und den rasanten Boom im CAD-Markt kamen jetzt in kürzester Zeit wieder 300 neue Handelspartner dazu. Magirus Datentechnik hat also in jedem Fall ein lebhaftes Jahr hinter sich.

Ein Ende der teilweise stürmischen Turbulenzen ist nicht in Sicht. Zum einen plant von Kuehnheim, im Sommer einen weiteren Lieferanten aufzunehmen, welcher, wird aber noch nicht verraten. Und die derzeitigen Magirus-Zulieferer zeichnen sich nicht gerade durch großartige Zuverlässigkeit aus. "Frame und Digital sind zur Zeit im Bereich Logistik meine Baustelle", klagt von Kuehnheim.

Das bekommen vor allem die Partner zu spüren. "Es gab beispielsweise ein massives Frame-Problem", beschreibt von Kuehnheim. "Die haben Frame Maker 5.0 angekündigt und nicht rausgebracht. Dann haben sie es doch endlich fertigbekommen - und dann war es Schrott." Kräftige Worte, aus denen abzusehen ist, in welchem Maß ihm seine Partner deswegen zugesetzt haben müssen.

In puncto Frame hagelt es nämlich regelmäßig Händlerschelte. Jens Hibbe, Geschäftsführer der MCE-ETV GmbH in München, weiß Hintergründe: "Der Frame-Bereich hat Probleme - bei Magirus haben da ein paar Leute gewechselt", so der langjährige Magirus-Kunde. "Aber das liegt weniger an Magirus als an Frame, die wohl wegen der Fusion mit Adobe recht lang gemauert haben. Zudem hat Frame mit ihrem beratungsintensiven Frame Maker in Deutschland strukturelle Probleme." Offenbar ist da dem einen oder anderen Mitarbeiter der Kragen geplatzt. Hier liegt wohl auch der Grund für einen weiteren Kritikpunkt: "Wir stellen zur Zeit fest, daß der Schulungsbereich in diesem Umfeld nicht genügend ist."

Ein Fachhändler, der ebenfalls seit geraumer Zeit mit Magirus arbeitet, setzt da noch eine Beschwerde drauf: "Als Ansprechpartner für Schulungen sollte sich Magirus beim Endkunden wirklich nicht darstellen. Da fehlt es nämlich an Kompetenz."

Darauf kontert der Magirus-Vordere umgehend:

"Alle Händler - auch die kompetenten - haben am Ende das Frame-Training von uns. Aber es kommt darauf an, wie der Frame Maker eingesetzt wird: Setzt ihn der Endkunde als Projektprodukt ein, wird er oft über die Programmierstelle modifiziert.

Und da ist der Partner vor Ort einfach näher dran, weil er diese Änderungen begleitet oder gar selber durchführt. Dann kommt irgendwann der Punkt, wo wir da nicht mehr liefern können."

Insgesamt fühlt sich von Kuehnheim an der Frame-Misere unschuldig:

"Ein Händler kann im Endeffekt nicht unterscheiden, ob Magirus das Problem ist oder Frame. Wenn der Hersteller einen Distributor fehlerhaft beliefert, dann knallt es in dessen rationalisierter Logistik sehr schnell. Da ist man dann ressourcenmäßig einfach überfordert."

Ähnliche Alpträume bereitet ihm noch immer das DEC-Geschäft. "Da ist die schlechte Verfügbarkeit zusammengekommen mit der Reorganisation vor einem Jahr. Ich kaufe heute die Rechner bei der SBU, die Platten bei der Storage Division und die Netzwerke bei der Netzwerkdivision. Doch der Händler will eine komplette Maschine geliefert bekommen. Da ist das für ihn nicht mehr transparent, daß wir von fünf Divi-

sions die Teile bekommen haben, von der sechsten aber nicht."

Er kann nur hoffen, daß Digital seinen Plan, eine entsprechende Koordinierungsstelle einzurichten, bald in die Tat umsetzt.

Soviel Geduld hat nicht jeder. Uwe Siegesmund beispielsweise, Geschäftsführer der Netvision GmbH in Garching bei München und seit Mai Magirus-Partner, hat bereits Konsequenzen aus dem Chaos mit DEC gezogen. "Ich weiß nicht genau, was da im Hintergrund abläuft, aber augenfällig ist, daß Azlan beispielsweise bevorzugt beliefert wird", bemerkte er. "Deshalb kaufe ich dort in letzter Zeit sehr stark." Recht ist das dem Netzwerkanbieter nicht, denn er schätzt Magirus als zuverlässigen Partner, der seine Anfragen schnell beantwortet, eine größere Produktvielfalt habe und ihm - last not least - ein angenehmes Zahlungsziel eingeräumt hat. Sein Vorschlag: "Da sollte Magirus bei DEC mal mächtig auf den Tisch hauen."

Mit seiner Entscheidung steht Siegesmund nicht allein da. Auch die Systec GmbH in Nürnberg hat sich dazu durchgerungen, ihre Bestel-

listen jetzt auch an andere Distributoren zu schicken. "Aber Magirus bleibt unser zentraler Lieferant", versichert Systec-Vertriebsleiter Christian Oestheimer.

Magirus-Partner Hibbe leistet seinem Distributor beim Thema DEC kräftig Schützenhilfe: "Ich habe nicht das Gefühl - wie einige Kollegen, daß Azlan bevorzugt beliefert wird", widerspricht er. "Was bei der Auswahl eines Distributors für den Händler entscheidet, ist, inwieweit dieser vordisponiert. Da bin ich mit Magirus immer gut gefahren." Wenn bei Digital gerade einmal wieder ein Lieferengpaß herrscht, wie zuletzt mit Netzwerkomponenten, so seine Erfahrung, fallen alle Distributoren in das gleiche Loch. "Man kann doch nicht erwarten, daß ein Distributor versucht, so ein Loch mit Lagerhaltung für ein halbes Jahr zu stopfen."

Mit seinen HP-Kunden steht von Kuehnheim aller Voraussicht nach auch Ärger ins Haus - und der ist teilweise hausgemacht, wie der Magirus-Chef zugibt: "Unser HP-Geschäft hat sich so beschleunigt, daß wir es personell nicht bewältigen können. Der Markt hat das noch nicht gemerkt, HP selber hatte ja jetzt selber drei Monate lang Lieferprobleme. In ein paar Wochen wird das aber wohl ganz deutlich."

Doch trotz der ernstzunehmenden Kritikpunkte kann von Kuehnheim relaxen: Seine Handelspartner honorieren die bislang erzielten Verbesserungen im Hause Magirus mit Lob: "Die Logistik funktioniert mittlerweile besser als bei den meisten anderen Distributoren", stellt MCE-Geschäftsführer Hibbe erleichtert fest. Oestheimer lobt: "Wir finden vor allem das gemeinsame Marketing mit Magirus gut." Ganz begeistert war Netvision-Geschäftsführer Siegesmund von der Zusammenarbeit mit der Einkaufsabteilung des Distributors: "Viele Distributoren kaufen immer soviel Masse ein, daß aus Versehen oft mal das richtige dabei ist. Bei Magirus läuft das qualifizierter ab. Wir haben mit dem Stuttgarter Einkäufer hier zusammengesessen und analysiert, welche Produkte wir hier brauchen, um erfolgreich zu sein. Magirus hat sich genau diese Sachen dann auf Lager gelegt."

AUF DEN ZAHN GEFÜHLT: Theorie & Praxis

Das Value-Added-Distribution-Programm (VAD) des Stuttgarter Unternehmens Magirus Datentechnik GmbH ist jetzt drei Jahre alt.

Fabian von Kuehnheim, Geschäftsführer der Magirus Datentechnik GmbH in Stuttgart, faßt für ComputerPartner die Inhalte und Ziele des Programms zusammen:

"Das VAD-Konzept geht davon aus, daß es im EDV-Markt immer Produkte geben wird, die erklärungsbedürftig sind. Das gilt sowohl für den Endkunden als auch für das Systemhaus oder den Händler. Wir stellen eine Vertriebsleistung zur Verfügung, die das ausfüllt.

Wir haben die Erfahrung gemacht, daß man dabei bestimmte Prämissen setzen muß und daß Beratung über Telesales nicht funktioniert. Man braucht einen Außendienst: Verkäufer und Vertriebsingenieure. Im deutschsprachigen Raum stellen wir den an neun Standorten - sieben in Deutschland und je einen in Wien und Bern - zur Verfügung. Unser Fokus liegt also auf Vor-Ort-Vertrieb und Vor-Ort-Beratung.

Wir liefern unseren Vertriebspartnern Arten von Support, die er weitervermarkten kann. Der Kunde merkt im Endeffekt gar nicht, ob der Partner das macht oder wir. Natürlich kann der Partner auch seine Leistung mit unserem Support kombinieren. Zu unseren weiteren Dienstleistungen für die autorisierten Partner gehören das Training, Pre- und Post-Sales-Support und Consulting."

Mit diesem Programm und der großen Anzahl von 60 Außendienstmitarbeitern, so von Kuehnheim, unterscheide sich sein Unternehmen von allen anderen nennenswerten Distributoren in Deutschland . Doch den Partnern ist die Einzigartigkeit des Programms wohl nicht so recht bewußt:

"Daß es da sowas wie eine richtige Support-Abteilung gibt - das ist mir noch nicht aufgefallen", gibt ein Partner zu Protokoll. Er greife zwar gerne auf Marketinghilfen des Hauses Magirus zurück, aber das würden andere Distributoren ja auch bieten. Alle von ComputerPartner befragten waren sich einig, daß sie den technischen Support beim Kunden lieber selber machen. Zum einen, weil das den meisten Umsatz bringe, zum anderen, weil sie selber da kompetenter seien. Ein VAD-Partner aus Bayern: "Wir greifen dann auf Magirus zurück, wenn uns einmal die personellen Kapazitäten fehlen. Was den technischen Support angeht, da haben wir das Know-how."

ComputerPartner befragte Fabian von Kuehnheim zur Bedeutung der Distributoren für die Fachhandels- und Systempartner.

?Steve DeWindt, Ex-Marketing- und Vertriebsleiter bei Computer 2000 und nun bei Ameriquest, hat anläßlich der Eurochannels eine interessante These aufgestellt: In Zukunft werden die Distributoren den Vertrieb für die Händler übernehmen. Genauer: Der Händler akquiriert die Kunden, der Distributor liefert aus. Würde Magirus den Vertrieb für seine Partner übernehmen?

Kuehnheim Wir machen das teilweise. Aber nicht im Sinne von Steve DeWindt. Für Computer 2000 mag das vielleicht gelten, die haben ein anderes Händlerpotential. Im Massenmarkt erfolgt der Vertrieb ja immer mehr über das Marketing. Und das ist etwas, was die Händler zumeist nicht allzu gut beherrschen. Ich halte es daher für einen logischen Gedanken, daß C2000 über das Marketing ihren Händlern die Kunden zutreibt.

?Und Magirus? Wenn nicht im Sinne von Steve DeWIndt - bei welcher Gelegenheit übernehmen Sie den Vertrieb für Ihre Partner?

Kuehnheim Wir entwickeln für unsere Händler auch Marketingkonzepte - aber nicht generell, sondern individuell. Das muß er auch bezahlen, das kostet den ein Heidengeld.

?Abgesehen vom Marketing - kommt es vor, daß Magirus direkt Kunden akquiriert?

Kuehnheim Das kommt vor - besonders im Lösungsgeschäft wie beispielsweise bei Frame. Da wir den exklusiv vertreiben, haben wir auch eine Herstellerfunktion.Es gibt quasi kein großes Frame-Projekt, wo nicht einer unserer Verkäufer mit involviert war. Das ist auch notwendig, weil hier manchmal Haftungen, Generalunternehmerschaften zu übernehmen sind, die den einzelnen Händler überfordern. Oder ein Großkunde, der an acht Standorten sitzt - dem nutzt ein Händler in Berlin gar nichts, wenn er ein Problem in Hamburg hat. Da sind wir dann gezwungen, zwei oder drei Systemhäuser dranzusetzen.

Wir sind auch involviert, wenn wir ein Produkt in neue Anwendungsfelder treiben wollen. Ich mache keinen Hehl daraus, daß wir zur Zeit enttäuscht über den Absatz von Frame-Produkten im Financing-Bereich sind. Wir haben keine Händler, die stark in diesem Sektor sind. Also versuchen wir zur Zeit, hier Referenz-

installationen selber zu gewinnen.

?Das dürften ihre Partner gar nicht gerne sehen, schließlich hängt da doch das ganze Folgegeschäft dran?

Kuehnheim Das erfüllt natürlich ein Händler. Aber er muß auch lernen, was "der Dreh" beim Verkauf ist. Aber daß der Distributor dem Händler auf Dauer das Geschäft abnimmt? Nein! Dann hätte der Händler keine Daseinsberechtigung mehr. Wenn ich alles direkt mache - warum soll ich ihm dann noch Rabatt geben? Wenn der Distributor auf den Händler verzichtet, verzichtet er auch auf seinen Multiplikationsfaktor. Wir setzen sehr auf die Händler und fakturieren heutzutage keine Umsätze mit Großkunden. Wir akquirieren und geben sie weiter. Wir gewähren dann zwar weniger Rabatt, aber der Partner hat die Chance des Folgegeschäftes.

?Aber es läuft doch nicht immer alles so friedlich ab. Gibt es da nicht eine Grauzone?

Kuehnheim Damit ist auch ein Distributor wie wir konfrontiert. Was machen Sie beispielsweise mit den EDV-Häusern, die der Großindustrie gehören? Ist die Debis, die Mannesmann-Datenverarbeitung jetzt ein Endkunde oder ein Systemhaus? In dem Fall weiß man, wem die Häuser gehören, aber das ist nicht immer so klar und wird manchmal ganz bewußt verheimlicht.

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