Hewlett-Packard schwört auf Erfolge im Einsteigerbereich

14.10.1999

ATHEN: Anläßlich der weltweiten Produktpräsentation ihrer neuen Entry-Level-Server breiteten sich HP-Manager über ihre Zukunftsvorstellungen im Markt aus. Dabei setzen sie auf alle Plattformen: ihr eigenes HP-Ux genauso wie jetzt auch Linux. Neu ist: Sie wollen ihren Anteil im Servermarkt im Low-End innerhalb eines Jahres verdoppeln.Ob Hewlett-Packard sein etwas altväterliches Image nicht langsam aufpolieren möchte, stichelte ein Teilnehmer der Produktvorstellung der Serverfamilie HP 9000 L-Klasse in Athen die Garde der HP-Spitzenmanager an. Altväterlich sei das Auftreten der Firmenoberen - und auch mit den Unix-Produkten sei doch wohl kein Blumentopf mehr zu gewinnen, setzte er für die Manager auf der Bühne unhörbar hinzu. Doch die wußten auch so, was es geschlagen hatte - Janice Chaffin (Vice President und Generalmanager für das Enterprise Computing weltweit) und der Marketingoberste im Unternehmen, Patrick Rogers, sprangen nur zu gern auf das Thema an: "Es ist richtig,

als 'funky' galten wir lange nicht", räumte die Managerin gutgelaunt ein. Aber: "Das ändert sich derzeit - wohl auch durch unsere neue CEO." Carly Fiorina hat anläßlich ihrer Beförderung bei HP (siehe ComputerPartner 27/99, Seite 9) - wenn auch stark verspätet - das Internet-Zeitalter eingeläutet, und seither heißt es an allen Ecken und Enden "E-Commerce" oder "E-Services".

L-Server von Kopf bis Fuss auf Internet eingestellt

So verwundert es auch nicht, daß die neuen Server des Herstellers von Kopf bis Fuß auf Internet eingestellt sind. "Fachleute schätzen, daß sich der Datenverkehr im Internet in zehn bis fünfzehn Jahren um das 25fache erhöhen wird", so ein HP-Manager. "Da stellen wir uns mit unseren Servern drauf ein." Unix, HP-UX, Linux und verschiedene andere Unix-Derivate - aber auch Windows NT und Windows 95/98 werden in die Strategie mit einbezogen. "Und das ist doch sicher nicht altbacken, sondern sehr modern und flexibel", verteidigt er die aktuelle HP-Ausrichtung gegenüber ComputerPartner.

Ein weiteres Zeichen für frischen Wind: Die Zielgruppe für die Serversysteme heißt nicht mehr vorrangig Großkundenbereich, sondern Mittelstand und kleine Unternehmen. Der Einstiegsbereich für Unix-Server wurde schlicht nach unten hin vergrößert.

Ob Unix, Linux oder NT - unterstützt wird alles

1998 betrug der Marktwert der Unix-Entry-Level-Server 6,4 Milliarden Dollar, was die neue Klientel jetzt dazusteuern wird, muß sich erst noch zeigen. Sicher ist man sich bei HP aber darüber, daß das Internet auch in Zukunft immer mehr Forderungen an die Serverleistung stellen wird, "die NT wohl schlicht nicht allein erfüllen kann", wie Chaffin vermutet. Deshalb ist und bleibt Unix ein Thema. Wenn auch nicht das einzige. Weltweit wächst der Unix-Markt etwa um zehn Prozent, in Europa um zwölf Prozent, schätzt IDC für 1998. Den mit 35 Prozent Marktwachstum boomenden NT-Markt will das Unternehmen daher nicht vernachlässigen. Flexibilität ist angesagt. "Da liegt die Zukunft", gerät Chaffin ins Schwärmen. "Und da haben wir so viele Ideen - von großväterlich kann da nicht mehr die Rede sein!"

Partner ohne "Value add" haben das nachsehen

Das dürfte auch die Vertriebspartner von HP freuen, die am Unix-Geschäft (nur) zu 50 Prozent beteiligt sind, den Rest macht der Hersteller nämlich lieber selber. Doch im Midrange- und Small-Office-Umfeld - "da läuft doch nichts ohne Vertriebspartner", versichert Marketing-Mann Rogers. Aber: Bei den Partnern stößt die neue Ausrichtung nicht auf ungeteilte Gegenliebe. "Wer nichts mit Internet am Hut hat, fliegt rigoros raus", weiß ein Teilnehmer nach der parallel zur Produktvorstellung stattfindenden Channel-Veranstaltung zu berichten. Und auch im Distributorenumfeld macht sich bei so manchem Unruhe breit: "HP setzt voll auf VARs (Value Added Reseller), die Distributoren werden derzeit genau unter die Lupe genommen, ob und was sie in dem Bereich bringen", verrät einer, der sich der Überprüfung allerdings gewachsen fühlt.

Rudi Schmickl, auf Europaebene für den Bereich Business Critical Computing verantwortlich, beschreibt seine Pläne mit den Partnern knapp: Kompetenz und Service müssen erhöht werden - dafür garantiere er ihnen genug Marge, um Know-how aufbauen zu können (ein Einwurf seines Kollegen van der Fluit: "Mehr Marge als mit Sun!"). Auch im Low-End-Bereich, wie er versichert. Hier sei nicht mit dem rasanten Preisverfall des PC-Marktes zu rechnen. Und der Mittelstandsbereich, so Schmickl, "läuft absolut hundertprozentig über Partner." HP wird seine Partner schulen - "die Einstiegsveranstaltungen sind selbstversändlich kostenlos", wirbt Marketingchef Rogers.

Web-Server "Out of the Box" liefern

Überfordern wird HP seine Wiederverkäufer dabei kaum: Die neuen Einstiegsserver kommen komplett vorkonfiguriert mit HPs neuem HP-UX 11, Internet-Technologien wie E-Speak sowie "weiteren Optimierungs- und Sicherheitseigen- schaften". Die Allianz mit Broadvision

ermöglicht beispielsweise auch die Vorinstallation der E-Commerce-

Lösung "HP Commerce for the Millennium" für den Aufbau von Webseiten und das Hosting vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen.

"Was in dem Bereich vor allem zählt, ist die Geschwindigkeit", weiß ein HP-Produktmanager. Und wirft sich gleich stolz in Pose: "Bei den Internet-Benchmarks ist der L-2000 beispielsweise der schnellste Internet-Server, den es heute gibt." Die Preise (HP 9000 L1000 mit ein oder zwei Prozessoren sowie der L2000 mit ein bis vier Prozessoren) liegen vermutlich je nach Konfiguration zwischen 16.000 und "knapp unter 20.000 Dollar", wie Marketing- und Channel-Chef Peter van der Fluit ankündigt. "Damit sind wir wohl etwas teurer als Intel - dafür bieten wir auch mehr."

HP will an die Spitze des Einstiegsbereichs

Van der Fluit zeigt sich ähnlich zuversichtlich wie seine Kollegen, wenn er über den Server-Einstiegsbereich spricht. Im High-End- und Midrange-Bereich führe man den Markt bereits an. Bei den Entry-Level-Systemen hinkt HP derzeit allerdings noch hinterher: Laut IDC verkaufte Sun in 1998 die meisten Einstiegsserver (Marktanteil: 25,3 Prozent), gefolgt von IBM (16,1 Prozent) und Compaq (14,5 Prozent). HP liegt noch auf Rang vier (13,7 Prozent) im weltweiten Vergleich:

Doch van der Fluit ist zuversichtlich: "Der Low-End-Bereich wächst. Im Unix-Bereich im vergangenen Jahr um 18 Prozent für Server unter 50.000 Dollar - und wir wachsen mit, aber schneller als der Markt." Deshalb rechnet er sich auch gute Chancen aus, daß sein Unternehmen bald den Markt für Entry-Level-Unix-Systeme dominieren wird. (du)

Rudi Schmickl, europaweit für den Bereich Business Critcal Computing verantwortlich, verspricht sichere Margen auch im Low-End-Bereich

Frischer Wind: Janice Chaffin will Sun im Serverbereich das Fürchten lehren.

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