Hilfe bei Help-Desk: Für wen rentiert sich der Eintritt in den

20.02.1998

HAMBURG: Viele Unternehmen gehen dazu über, Hilfe bei EDV-Problemen außerhalb der eigenen Firma zu suchen. Oder sie greifen nach Software-Lösungen wie den Help-Desk-Systemen. Wohl dem Systemhaus, das hier schon mit Know-how aufwarten kann. Doch dazu gehört schon einiges, mahnt Joachim E. Wolbersen*.

Lange Zeit schien ein Gros der Branche besonders eine Erfahrung zu teilen, nämlich die, daß mit Service schlicht kein Geld zu verdienen sei; gleichgültig, daß viele Marktstudien das Gegenteil behaupteten. Im Gegenteil: Service vertilge auch noch die letzten Margen, die mit dem Verkauf erzeugt werden, hieß es oftmals. Wie Rufer in der Wüste erscheinen diejenigen Autoren, die in den letzten Jahren durch Bücher und Zeitschriftenartikel versuchten, Servicebewußtsein und Serviceorientierung zu fördern.

Die unter uns, die das Auf und Ab des EDV-Marktes miterlebt haben, konnten soviel Neues in den Botschaften nicht entdecken. Nur, daß sich Systemhäuser vor allem dadurch von Massenverbrauchern und "Kistenschiebern" abgrenzen, daß sie Service lieferten. Doch das galt immer schon. Der Aufbau einer soliden Stammkundschaft funktionierte und funktioniert noch immer am besten durch umfassende Betreuung und aktiven Einsatz als Problemlöser. Aber wie kann dieser Service heute finanziert werden?

Hersteller suchen dringend Partner

Diejenigen, die noch mit den Konzepten der achtziger Jahre arbeiten, befinden sich oft genug in finanziellen Schwierigkeiten, weil ein umfangreicher Service nicht mehr kostenfrei zur Verfügung gestellt werden kann. Diejenigen, die ihr Heil im Massengeschäft suchten, befinden sich in der Positionsklemme: zu klein um mit den Großen auf tragfähiger Basis konkurrieren zu können, aber zu groß - und mit zu großen Kosten belastet - um umfassenden Service im IT-Umfeld bieten zu können.

Die Lösung des Dilemmas liegt nahe: Suche einen neuen Markt mit guten Wachstumschancen, spezialisiere Dich und erzeuge so wieder Margen, die ein langfristiges Überleben sichern. Was liegt näher, als sich auf ein Gebiet zu konzentrieren, das man aus dem effeff kennt: nämlich der Hilfe bei EDV-Problemen? Tatsächlich hat sich hier in den letzten Jahren ein interessantes Arbeitsgebiet etabliert.

Interne EDV-Abteilung mit Service oft überfordert

Die Unterstützung der EDV-Nutzer ist aufgrund der gestiegenen Komplexität der Anwendungen und der hohen Abhängigkeit des Unternehmers von einer funktionierenden EDV-Infrastruktur beinahe überlebenswichtig geworden. Die EDV-Abteilung ist in der Abwicklung dieser Service-Aufgaben häufig überfordert. Es fehlen nicht nur die Mitarbeiter, die den Benutzerservice liefern sollen, es fehlt auch an Know-how, wie der Service organisiert werden kann. Eingehende Probleme werden irgendwie, irgendwann von irgendwem gelöst. Eine vorausschauende Problemanalyse oder gar Problemvermeidung findet nicht statt, denn es fehlt am Grundsätzlichen: Informationen über Art und Häufigkeit des auftretenden Problems zum Beispiel.

Was tun? Software kaufen! Mittlerweile gibt es über 150 Software-Pakete für den Help-Desk- und Benutzerservice. Immer mehr Hersteller, häufig aus den USA und dem europäischen Ausland, drängen auf den größten Markt Europas und suchen händeringend nach Vertriebspartnern mit regionalen Know-how.

Denn der Leistungsdruck in den Unternehmen ist so groß geworden, daß beispielsweise das englische Marktforschungsunternehmen "Input" in einer Studie aus dem Jahre 1996 für Deutschland ein Marktvolumen von 90 Millionen US-Dollar ermittelte. Aussagen der befragten Entscheider führten zusammen mit weiteren Vergleichsdaten zu einem prognostiziertem Marktwachstum von plus 48 Prozent jährlich und einem erwarteten Marktvolumen von 630 Millionen US-Dollar im Jahr 2000.

Erste Erfahrungen mit HelpDesk sind zumeist bitter

Eine Chance für Systemhäuser und Value Added Reseller also? Die erste Lektion ist häufig bitter: Ein Help-Desk-System ist keine Textverarbeitungssoftware. Sie greift ein in das Herz der EDV-Umgebung eines Unternehmens, weil für einen effizienten Service eine Vielzahl von Daten benötigt werden, wie die Beschaffung, Software-Verteilung, das Netzwerk-Management, die Inventarisierung und Sicherheit. Help-Desk-Systeme werden im Rahmen von Einführungsprojekten implantiert und entwickeln sich schnell zum strategischen System. Denn durch die Gesamtschau - beispielsweise auf Benutzer, Equipment und Probleme - ermöglichen sie eine Steuerung des operativen, taktischen und sogar strategischen EDV-Geschäfts einer Firma. Gefragt sind daher nicht nur technische Fähigkeiten, sondern auch Kenntnisse über Serviceorganisation und Projektmanagement.

"Also doch ein typisches Geschäft für das Systemhaus!" mögen Sie jetzt denken. "Projektmanagement haben wir auch früher schon betrieben, zum Beispiel bei der Einführung von Netzwerktechnologie." Nun, das ist im Service Management zwar hilfreich aber nicht ausreichend. Denn in keinem Bereich haben wir es so direkt mit demjenigen zu tun, der immer für eine Überraschung gut ist - nämlich dem Benutzer.

Deshalb müssen wir nicht nur die technischen Fragestellungen solide abdecken können, sondern auch kompetent auf die sogenannten "weichen Faktoren" eingehen können. Zur EDV-Einführung gehört eben auch die Entwicklung von Schulungskonzepten, um die Helpdesk-Mitarbeiter mit Methoden des Streßmanagement vertraut zu machen und aufzuzeigen, wie sie richtig mit ihren Benutzer kommunizieren können.

Diese Themen sind Neuland und sollen daher an Profis abgegeben werden. Unsere Kunden wollen Leistungen aus einer Hand. Es empfiehlt sich daher, Kooperationen zu suchen, um ein umfassendes Leistungsangebot zu schnüren.

Weitere Besonderheiten von Help-Desk Einführungen sind die relativ langen Projektanlaufzeiten. Dies beginnt bereits mit der Akquisition: Da es in den Unternehmen noch nicht allzu lange her ist, daß sich die Erkenntnis für die Notwendigkeit eines professionellen Benutzerservice durchgesetzt hat, finden wir vor allem zwei Dinge vor: Erstens eine große Unsicherheit in Bezug auf den richtigen Weg der Umsetzung und zweitens keine oder nur geringe Vorüberlegungen und Konzepte, auf denen sich aufbauen läßt.

Kooperationen suchen, um Know-how zu bündeln

Durch die zu leistende Grundlagenarbeit im organisatorischen Bereich ergeben sich Projektlaufzeiten zwischen drei Monaten und 1,5 Jahren, die auch personell bewältigt werden müssen. In der Akquisition bedeutet dies entsprechend lange Entscheidungswege und Budgets, die vorwiegend von größeren und großen Unternehmen aufgebracht werden können.

Die Kundenbasis reduziert sich dadurch beträchtlich. Also Finger weg vom Help-Desk? Nein, denn der Benutzerservice wird in seiner Bedeutung zukünftig rasch zunehmen. Wenn die Voraussetzungen stimmen, kann dies zu einem wichtigen Geschäftsfeld der Zukunft werden, das noch zu jung ist, um durch ruinösen Preiswettbewerb geschädigt zu sein.

Für wen kommt der Einstieg

Prüfen Sie daher selbst:

1. Besitzen Sie die Fachleute, die nicht nur technische Fragestellungen, sondern auch den organisatorischen gewachsen sind?

2. Haben Sie heute eine Kundenbasis, aus der heraus sich interessante Help-Desk-Projekte ohne übermäßigen Aufwand gewinnen lassen?

3. Können Sie Projektlaufzeiten von drei Monaten bis 1,5 Jahren mit ausreichend qualifiziertem Personal ausstatten?

4. Sind Ihre Mitarbeiter methodensicher im Umgang mit Projektmanagement?

5. Können Sie über Kooperationspartner oder eigene Kräfte auch die Projektschulungen für ein Projekt leisten?

6. Sind Sie in der Lage, Anlaufkosten von 50.000,- oder mehr zu verkraften?

7. Arbeiten Sie mit einem Hersteller zusammen, der Sie auch akquisitorisch unterstützen kann?

8. Besitzt dieser Hersteller eine klare Strategie für den Vertrieb und kann er Sie mit entsprechenden Materialien ausstatten?

9. Sind Sie von der Nachhaltigkeit seines Engagements überzeugt?

10. Ist Serviceorientierung kein Fremdwort für Sie?

11. Stellt das neue Leistungsangebot eine Ergänzung Ihres derzeitigen Leistungsspektrums dar?

12. Können Sie die Entwicklung von Schnittstellen und die Umsetzung von Integrationskonzepten im eigenen Hause übernehmen?

Wenn Sie auf neun Fragen oder mehr mit einem klaren "Ja" geantwortet haben, ist Help-Desk ein interessanter Markt für Sie.

Liegen Ihre Schwerpunkte eher im technischen Bereich, so könnte ein verwandter Bereich - das System Management - eine interessante Alternative darstellen.

Fazit: Wie jedes neue Geschäftsfeld birgt auch der Bereich Help-Desk Risiken und Chancen. Das schnelle Geld ist hier nicht zu machen. Bei geeigneten Voraussetzungen und dem Willen zur qualitativ hochwertigen, zuverlässigen Umsetzung ermöglicht dieser Markt jedoch zuverlässige Profile, auch in den nächsten Jahren.

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Solutions.

* Der Autor ist Präsident des Help Desk Institut e.V. in Hamburg

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