Hitachi stellt erstes DVD-RAM-Drive vor: Standardisierung liegt weiterhin im Argen

03.06.1998

MÜNCHEN: Aufgrund fehlender Titel verläuft die Nachfrage nach DVD-ROM Laufwerken - zumindest in Europa -, bisher recht schleppend. Mit dem wiederbeschreibbaren DVD-RAM-Laufwerk GF-1050 möchte Hitachi dem Markt jetzt neue Impulse geben. Daß es bis heute de facto keinen Konsens über einen verbindlichen DVD-RAM-Aufzeichnungsstandard gibt, betrachtet der Hersteller nicht als Hindernis.Wer als Anwender statt auf DVD-RAM zukünftig auf CD-R, CD-RW oder Zip-Medien setzt, entscheidet sich effektiv dafür, nicht an der nächsten Stufe technologischer Entwicklung teilzuhaben." Auf diesen knappen Nenner bringt es Peter Scatchard, Marketing- manager Information Equipment Department bei Hitachi Europe GmbH in Düsseldorf. Er stützt seine Behauptung auf die Vorhersagen der Marktforscher. Nach deren Berechnungen soll der weltweite Markt für DVD-Laufwerke bis zum Jahr 2000 auf mehr als 70 Millionen Stück angestiegen sein. Der Anteil wiederbeschreibbarer DVD-RAM-Laufwerke an dieser Zahl wird nach Meinung der Experten 30 Millionen Einheiten betragen.

DVD-Titel sind derzeit noch Mangelware

Nach der Einschätzung von Nick Sundby, Optical Storage Product Manager bei Hitachi Europe, bieten DVD-RAM-Laufwerke gegenüber bisherigen Low-cost-Wechselspeichersystemen einen entscheidenden Vorteil. "Bei DVD-RAM-Laufwerken handelt es sich um eine neue Klasse von Speichersystemen. Sie machen den Zugang frei zur DVD-Softwarewelt, von der wir erwarten, daß sie die PC-Landschaft über die nächsten Jahre grundlegend verändern wird." Davon ist in Europa zur Zeit allerdings noch nichts zu spüren. Während in den USA bereits schätzungsweise 500 DVD-Titel in den Regalen stehen, ist das Angebot an lokalen europäischen Titeln mehr als dürftig. Das räumt auch Scatchard ein. Er glaubt nicht, daß Spielfilme auf DVD-ROM der Technologie im Computerbereich zum Durchbruch verhelfen. Vielmehr setzt er auf aufwendige, interaktive und mit Videosequenzen versehene DVD-Anwendungen wie die neue Microsoft Encarta oder neuartige Computerspiele. Eine Herausforderung, die völlig neue Anforderungen an Software-Entwickler stellt und sich nicht von heute auf morgen realisieren läßt.

Erste Anzeichen einer wachsenden Nachfrage nach DVD-Technologie sind nach Angaben von Hitachi allerdings bereits zu erkennen. Prognosen europäischer Rechnerhersteller und Distributoren belegen ein steigendes Interesse an DVD-Produkten. Marktbeobachter rechnen damit, daß Europa in diesem Jahr zumindest den Anschluß an die Entwicklung des US-Marktes findet.

Universelles Multifunktions-Laufwerk

D er Bedarf an Speicherkapazität steigt rasant. Der Ausbau komplexer Datennetze, das Internet oder multimediale Informationsverarbeitung sind nur einige Beispiele für speicherintensive Anwendungen. Als "All-in-one"-Laufwerk sollen DVD-RAM-Laufwerke nach den Vorstellungen der Anbieter den DVD-Markt stimulieren und gleichzeitig für eine Homogenisierung bei den Speichermedien sorgen. Kompatibel zu allen CD- und DVD-Medien (CD-ROM, CD-R, CD-RW, DVD-ROM) könnten wiederbeschreibbare DVD-RAM Laufwerke eine universelle Alternative zu Wechselspeichern von der Floppy über Jaz-Laufwerke bis hin zu Tape-Drives darstellen. Die günstigen Medienkosten von etwa einem Cent pro Megabyte, die deutlich geringer sind als bei vergleichbaren Speichersystemen, erhöhen nach den Worten von Sundby noch den Anreiz, auf DVD-RAM umzusteigen.

Preis steht noch nicht fest

Mit einer Speicherkapazität von 2,6 Gigabyte bei Verwendung einseitiger Medien beziehungsweise von 5,2 Gigabyte bei doppelseitigen Medien bietet das Hitachi GF-1050 DVD-RAM-Laufwerk die Kapazität von mehr als 3.000 Floppy Disks. Die zum Einsatz kommenden Phase Change Medien müssen vor dem ersten Gebrauch formatiert werden. Dabei hat der Anwender die Wahl sich entweder für eine Formatierung nach dem UDF- (Universal Disk Format) oder dem Windows FAT16/FAT32-Standard zu entscheiden. Die formatierte Kapazität beträgt mit UDF-Format 4,6 beziehungsweise 2,3 Gigabyte. Bei Verwendung des FAT16/FAT32-Format liegt sie mit vier beziehungsweise zwei Gigabyte etwas darunter.

Keine Offenbarung ist die Zugriffszeit des Laufwerks. Laut Spezifikation wird sie bei DVD-Medien mit 210 Millisekunden, bei CD-ROM-Medien mit 150 Millisekunden ausgewiesen. Damit liegt sie etwa doppelt so hoch wie bei aktuellen CD-ROM-Laufwerken.

Flexibel zeigt sich Hitachi bezüglich Schnittstelle und Bauform. Drei Versionen des DVD-RAM-Laufwerks sind geplant. Dem internen SCSI-Laufwerk GF-1050, das voraussichtlich Anfang April verfügbar sein wird, soll im Juni mit dem GF-1000 das interne E-IDE-Laufwerk folgen. Abgerundet wird das Produktspektrum im dritten Quartal mit einer externen SCSI-Version (GF-1050).

Bedeckt halten sich die Hitachi-Verantwortlichen momentan noch bezüglich verbindlicher Preisangaben. Man kann sich einen Preis vorstellen, der sich in der Größenordnung von Iomegas Jaz-Laufwerken, sprich: bei etwa 1.200 Mark, bewegt, so die vorsichtige Schätzung seitens Scatchard. Hinsichtlich der Kosten für beschreibbare DVD-RAM-Medien verweist er an Panasonic. Das Unternehmen kündigte kürzlich in den USA doppelseitige DVD-RAM Medien zu einem Preis von 40 Dollar an. Die Tatsache, daß die Entwicklung des DVD-Marktes bis heute deutlich hinter den Erwartungen der Analysten zurückblieb, hat diverse Ursachen. Die Wurzel des übels liegt allerdings darin begründet, daß die DVD-Technologie mehr als alle Technologien bisher eine Brücke zwischen Unterhaltungs- und Computerindustrie schlagen muß. Interessengegensätze zwischen beiden Lagern erwiesen sich bisher als der größte Bremsklotz, wenn es galt die DVD-Technologie basierend auf einem gemeinsamen Standard voranzutreiben.

Um Standard wird noch gerungen

Nachdem sich alle Beteiligten nach langen Kontroversen im letzten Jahr endlich auf einen verbindlichen DVD-ROM Standard geeinigt haben, ist jetzt der Kampf um einen Standard für wiederbeschreibbare DVDs voll entbrannt. Er gipfelt darin, daß aktuell nicht weniger als drei konkurrierende Konzepte um die Gunst des Marktes buhlen. Während auf der einen Seite Hitachi, Toshiba und Matsushita die oben beschriebene DVD-RAM-Spezifikation propagieren, arbeiten auf der anderen Seite Sony, Philips, Hewlett-Packard, Mitsubishi, Ricoh und Yamaha an einem Produkt, das sie als DVD-RW- Laufwerk bezeichnen. Komplettiert wird das Durcheinander durch NEC, die mit dem MMVF (Multimedia Video Format) einen eigenständigen Weg beschreiten.

Vergleicht man die Spezifikationen der Konkurrenten, stellt man fest, daß die Unterschiede in vielen Bereichen marginal sind. Nach Meinung der Experten verfügt die DVD-RAM-Technologie den Wettbewerbern gegenüber derzeit allerdings über einen Entwicklungsvorsprung von mehreren Monaten. Daraus jedoch den Schluß zu ziehen, daß die Würfel bereits gefallen sind und vollendete Tatsachen verbindliche Standards schaffen, erscheint nach den Erfahrungen der Vergangenheit relativ gewagt.

Daß der Einstieg in die DVD-RAM- Technologie gegenwärtig nicht ohne Risiko ist, räumt auch Hitachi-Manager Scatchard ein. Dennoch setzt er auf Zweckoptimismus. "Unser DVD-RAM-Laufwerk ist das einzige, das zur Zeit verfügbar ist. Da wir uns an den Richtlinien des DVD-Konsortiums orientieren, gehen Kunden, die sich dafür entscheiden, das kleinste Risiko ein." Die Praxis hat gezeigt, daß im europäischen Markt, im Vergleich zum marketingorientierten US-Markt, Kaufentscheidungen sehr rational getroffen werden. Ob Hitachis Argumentation unter diesem Blickwinkel ausreichen wird, potentielle Käufer zu überzeugen, bleibt allerdings abzuwarten. (sd) n

Halle 12, Stand D06

Hitachi-Manager Scatchard (oben) setzt auf den "Time-to-market"-Faktor frei nach dem Motto: "The early bird catches the worm".

Das DVD-RAM Laufwerk GF-1050 von Hitachi. Die Schublade kann sowohl Medien in Cartridges als auch beliebige CD- und DVD-ROM-Medien aufnehmen.

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