Mangelnde Weiterbildungsmögichkeiten und wenig Kontakte

Homeoffice schadet der Karriere

Peter Marwan lotet kontinuierlich aus, welche Chancen neue Technologien in den Bereichen IT-Security, Cloud, Netzwerk und Rechenzentren dem ITK-Channel bieten. Themen rund um Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen bei der Nutzung der neuen Angebote durch Reseller oder Kunden greift er ebenfalls gerne auf. Da durch die Entwicklung der vergangenen Jahre lukrative Nischen für europäische Anbieter entstanden sind, die im IT-Channel noch wenig bekannt sind, gilt ihnen ein besonderes Augenmerk.
Trotz vielfältiger digitaler Kommunikationsmöglichkeiten halten Angestellte in KMU die Zeit im Homeoffice aus Karrieresicht für schwierig: Fast zwei Drittel von ihnen fürchten, dass die berufliche Weiterentwicklung auf der Strecke bleibt.
Im Homeoffice fühlen sich besonders jüngere Arbeitnehmer schlecht mit den Kollegen vernetzt und fürchten, Karrierechancen zu verpassen.
Im Homeoffice fühlen sich besonders jüngere Arbeitnehmer schlecht mit den Kollegen vernetzt und fürchten, Karrierechancen zu verpassen.
Foto: Creative Lab - shutterstock.com

Später aufstehen, Stau nur vor dem Bad und nicht auf der Autobahn, lockere Beinkleider im Video-Meeting - die Arbeit im Homeoffice kann einige Annehmlichkeiten bieten. Sie kann aber durch parallele Kinderbetreuung, schwierige Work-Life-Balance und technische Unzulänglichkeiten auch negative Seiten haben. Und sie könnte sich auf Dauer negativ auf die Karriere auswirken. Das fürchtet zumindest ein großer Teil im Auftrag von Sharp Business Systems befragten Büroangestellten in KMU in Deutschland.

Den Ergebnissen der Studie zufolge rechnen 61 Prozent aller Befragten in Deutschland mit negativen Auswirkungen auf ihre berufliche Weiterentwicklung. Weitere Hauptsorgen gelten der wirtschaftlichen Stabilität (32 Prozent), dem eigenen Arbeitsplatz (37 Prozent), Schwierigkeiten bei der Work-Life-Balance (30 Prozent) und abnehmender Sozialkompetenz aufgrund der Isolation (31 Prozent). Für die Studie wurden über 1.000 Büroangestellten in deutschen KMU zu den möglichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Arbeitnehmer und die Entwicklung der Arbeitswelt befragt.

Mehr als die Hälfte der Angestellten (53 Prozent) gaben dennoch an, dass Remote-Arbeit sie produktiver gemacht hat. Das sind etwas weniger als bei einer Ende 2020 von der Krankenkasse DAK veröffentlichten Umfrage. Da gaben drei Viertel der Befragten na, dass sie zuhause produktiver arbeiten als im Büro. Zwei Drittel lassen sich zudem daheim weniger leicht ablenken als an ihrem Arbeitsplatz im Büro. Dreiviertel der von der DAK befragten, regelmäßigen Homeoffice-Arbeitern gelingt es, ihre gewohnte Tagesstruktur beizubehalten. Ein Viertel leistet auch im Homeoffice Überstunden ab.

Im Homeoffice droht Abkopplung

Bei den von Sharp befragten sind 70 Prozent mit der zur Verfügung stehenden Technologie zufrieden. Allerdings fühlt sich die Hälfte dennoch von ihrem Team abgeschnitten. "Das wiederum scheint mit ein Grund dafür zu sein, dass sich 46 Prozent der Befragten im Homeoffice schlecht motivieren können.

Fast zwei Drittel (61 Prozent) beklagen zudem, dass es im Homeoffice schwieriger ist, über die Abläufe im Unternehmen informiert zu bleiben", berichtet Sharp. Auf der Strecke blieben zudem offensichtlich auch Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung sowie zum Erwerb von Kompetenzen, die für einen Karriereaufstieg erforderlich sind.

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"Wir sehen den zunehmenden Trend, dass Arbeitnehmer in der gegenwärtigen Situation sich selbst überlassen werden", bestätigt Viola Kraus, Organisationspsychologin bei der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung (DGfK), die Ergebnisse. "Besonders für jüngere Mitarbeiter stellt das ein Problem dar, da wichtige berufliche Fähigkeiten ohne die entsprechende Interaktion im Team nur unzureichend entwickelt werden können."

Angestellte vermissen Weiterbildungsangebote

Zu ähnlichen Ergebnissen kam kürzlich auch eine Umfrage von Degreed,Anbieter einer Weiterbildungsplattform im beruflichen Umfeld. Dort sagten 60 Prozent der weltweit Befragten aus der ITK-Branche, dass ihr Arbeitgeber Weiterbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten im Vergleich zum Niveau vor der Pandemie reduziert hat. Damit liegt dieser Wert über dem aller anderen Branchen.

In der Sharp-Umfrage sagten 58 Prozent der Befragten aus allen Branchen, dass Möglichkeiten zur Weiterbildung und Schulung während der Pandemie für sie wichtiger geworden sind. 39 Prozent wünschen sich von ihrem Arbeitgeber ausdrücklich Online-Schulungen oder unternehmensübergreifende, virtuelle Workshops, damit sie sich weiterhin neues Wissen und zusätzliche Fähigkeiten aneignen können.

Organisationspsychologin empfiehlt: verfügbare Technik nutzen

"Die auffallenden Ängste der Angestellten in Bezug auf ihre berufliche Entwicklung während der Pandemie sind mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Distanz zu ihren Teams und die mangelnde Anleitung durch erfahrene Kollegen zurückzuführen", analysiert Organisationspsychologin Kraus. Ihrer Ansicht ist es daher wichtig, dass Arbeitgeber die zur Verfügung stehenden Technologien nutzen und interaktive, virtuelle Weiterbildungsangebote und Plattformen bereitstellen, auf denen Peer-to-Peer-Lernen gefördert wird.

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Kraus weiter: "In erfolgreichen Unternehmen kommt es auf jeden einzelnen Mitarbeiter an. Je stärker sich die Art und Weise verändert, wie Menschen zusammenarbeiten, desto grundlegender ist es, jeden aktiv einzubinden und eine kontinuierliche Kommunikation zu fördern."

Zweiklassengesellschaft durch Homeoffice-Privileg?

Zwar nicht die DAK, aber sowohl Sharp als auch Degreed haben natürlich ein gewisses Eingeninteresse daran, dass Arbeitgeber trotz Pandemie weiterhin Weiterbildung anbieten oder entsprechende Technik beschaffen. Eine von Professor Stefan Süß vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf bereits im Frühsommer 2020 vorgelegte Studie ist da unabhängiger.

Wenn im Homeoffice "nebenher" Kinder betreut werden müssen, wird der Konflikt zwischen Arbeit und Privatleben am stärksten empfundenen.
Wenn im Homeoffice "nebenher" Kinder betreut werden müssen, wird der Konflikt zwischen Arbeit und Privatleben am stärksten empfundenen.
Foto: Lightfield Studios - shutterstock.com

"Wie einzelne Beschäftigte die Arbeit von zu Hause aus empfinden, hängt maßgeblich von der privaten Situation ab, zum Beispiel vom Alter der Beschäftigten, ihren Betreuungspflichten gegenüber Kindern und ihrer empfundenen sozialen Isolation durch das Homeoffice", erklärte Professor Süß. Einer damals unter seiner Leitung durchgeführten Studie zufolge prägt den empfundenen Konflikt zwischen Arbeit und Privatleben am stärksten, ob Kinder betreut werden müssen oder nicht. In der Studie der Uni Düsseldorf gaben die Beschäftigten im Durchschnitt einen selbst empfundenen Rückgang um ihrer Produktivität von rund zehn Prozent an.

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Ältere Arbeitnehmer kommen der Düsseldorfer Studie zufolge tendenziell besser mit der Homeoffice-Situation zurecht - so wie das auch aus der Sharp-Umfrage hervorgeht. Personen, die besonders technologieaffin sind oder Führungsverantwortung tragen schätzen ihre Produktivität übrigens durchgehend höher ein.

Das ist Professor Süß zufolge "entweder auf eine stärkere Selbstausbeutung dieser Gruppe zurückzuführen oder darauf, dass durch das Homeoffice Meetings und soziale Kontakte entfallen, die Führungskräfte ansonsten stark beanspruchen." Den Karriereaspekt berührt der Düsseldorfer Wissenschaftler nur indirekt. Aber er weist darauf hin, das Schätzungen zur Folge nur rund 40 Prozent aller Tätigkeiten generell aus dem Homeoffice darstellbar seien und warnt, "dass man eine Zweiklassengesellschaft in Unternehmen vermeiden muss, in der Höherqualifizierte und Besserverdienende im Homeoffice arbeiten und andere nicht."

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