Honorar mit "integrierter"Karenzentschädigung?

18.12.2003
Auftraggeber zeigen sich sehr kreativ, wenn es darum geht, die Klippe der fehlenden Karenzentschädigung zu umschiffen. Daher ist beim Kleingedruckten zum Thema Stundensätze höchste Vorsicht angebracht.

Nach der jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. April 2003 (Az.: III ZR 196/02) ist unter bestimmten Umständen (siehe ComputerPartner 46/03, Seite 77) ein Wettbewerbsverbot für Freiberufler nur wirksam, wenn eine Karenzentschädigung vorgesehen ist.

Die muss mindestens 50 Prozent des letzten durchschnittlichen Honorars betragen und während der Dauer des Wettbewerbsverbots gezahlt werden.

Neue Strategien der Auftraggeber

In letzter Zeit scheinen die Auftraggeber im IT-Bereich durch neue Bestimmungen in ihren Vereinbarungen die Klippe der fehlenden Karenzentschädigung auf eigene Art und Weise umschiffen zu wollen.

So finden sich in Verträgen, die ich von Freiberuflern zur Prüfung vorgelegt bekomme, Formulierungen wie: "Im Stundensatz von 50 Euro ist eine Karenzentschädigung von fünf Prozent bereits enthalten" oder "Beim vereinbarten Stundensatz von 70 Euro ist die gesetzlich vorgeschriebene Karenzentschädigung bereits berücksichtigt".

Es stellt sich die Frage, ob dies eine wirksame Vereinbarung einer Karenzentschädigung gemäß den Vorschriften der § 74 ff. HGB darstellt.

Wie bereits oben erwähnt, verlangt das HGB eine Karenzentschädigung von mindestens 50 Prozent des zuletzt bezogenen Honorars, das für die gesamte Dauer des Zeitraums des Wettbewerbsverbots zu zahlen ist.

Im obigen ersten Beispiel bedeutet dies, dass die Karenzentschädigung bei einem Stundensatz von 50 Euro mindestens 25 Euro betragen müsste. Die festgesetzten 5 Prozent = 2,50 Euro (!) sind also mehr als weit von 50 Prozent entfernt.

Und da nach § 75 d HGB alle Vereinbarungen, die von den Vorschriften zur Karenzentschädigung zu Ungunsten des Freiberuflers abweichen, nichtig sind, kann eine derartige Regelung rechtlich keinen Bestand haben und ist daher unwirksam. Dies hat zur Folge, dass damit auch das Wettbewerbsverbot unwirksam ist, da es an einer wirksam vereinbarten Karenzentschädigung fehlt.

Im zweiten Beispiel wird schlicht behauptet, die Karenzentschädigung sei bereits in das Honorar "eingepreist". Legt man die Mindestens-50-Prozent-Grenze als Maßstab an, so bedeutet dies, dass das eigentliche Honorar hier 46,67 Euro (was zzgl. 50 Prozent = 23,33 Euro ziemlich genau 70 Euro ergibt) beträgt.

Gegen die rechtliche Wirksamkeit einer solchen Regelung spricht zunächst einmal, dass § 74 b HGB vorschreibt, die Karenzentschädigung während der Dauer des Wettbewerbsverbots jeweils am Schluss eines jeden Monats zu zahlen. Eine vorgezogene Zahlung ist zumindest gesetzlich nicht vorgesehen, wenngleich auch nicht explizit ausgeschlossen.

Ein weiteres gewichtiges Gegenargument ergibt sich jedoch aus der Kombination der Bestimmung des § 74 c HGB in Verbindung mit betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Nach § 74 c HGB muss sich der Freiberufler auf die ihm zustehende Entschädigung anrechnen lassen, was er während der Dauer der Gültigkeit des Wettbewerbsverbots als Einkommen erzielt. Somit ist die hier im zweiten Beispiel offenbar vorweggenommene freiwillige Zahlung der Karenzentschädigung wenig glaubhaft und unter betriebswirtschaftlichen Aspekten auch vollkommen unsinnig. Schließlich ist nicht vorhersehbar, ob der Freiberufler nach Abschluss des Projekts aufgrund des Wettbewerbsverbots keine Einkünfte erzielen kann oder ob er in einem anderen Projekt tätig ist, sodass seine dort erlangten Einkünfte auf die Karenzzahlung anzurechnen wären.

Hinzu kommt, dass die Karenzentschädigung nach § 74 HGB für die gesamte Dauer des Wettbewerbsverbots zu zahlen ist. Da die vertraglichen Regelungen zum Wettbewerbsverbot fast immer Zeiträume von einem bis zu zwei Jahren umfassen, folgt hieraus, dass bei Projekten von weniger als der festgelegten Dauer des Wettbewerbsverbots eine Nachzahlung beziehungsweise Ausgleichszahlung der zum Zeitpunkt des Endes des Projektes respektive des Vertrags dann noch offenen Karenzentschädigung erfolgen müsste. Davon habe ich allerdings bis heute noch nie gehört.

Aus diesen Erwägungen halte ich auch eine Regelung wie im zweiten Beispiel für rechtlich unwirksam.

Bei Licht besehen stellen sich Regelungen wie die beiden hier dargestellten Bestimmungen für den Freiberufler sogar als vorteilhaft dar. Sie sind auf der einen Seite, wie oben erläutert, unwirksam und daher für den Freiberufler nicht zu beachten, machen aber auf der anderen Seite deutlich, dass der Auftraggeber den Freiberufler ähnlich einem kaufmännischen Angestellten, für den die gesetzlichen Bestimmungen über Wettbewerbsverbote uneingeschränkt gelten, einstuft. Damit schlägt sich der Auftraggeber das Argument, es handele sich beim Freiberufler um einen freien Mitarbeiter, für den diese Normen ohnehin nicht gelten, selbst aus der Hand.

Fazit

Ein Honorar mit "integrierter" Karenzentschädigung ist betriebswirtschaftlich unsinnig und nicht plausibel und kann einem vereinbarten Wettbewerbsverbot nicht zur rechtlichen Wirksamkeit verhelfen. Ich möchte jedoch betonen, dass dies meine eigene, wenngleich auch begründete Meinung darstellt. Rechtsprechung zu diesem speziellen Aspekt ist mir bislang nicht bekannt.

Weitere Informationen unter: www.dr-grunewald.de

Rechtsanwalt Dr. Benno Grunewald, Bremen, ist Justitiar des Berufsverbandes Selbständige in der Informatik (BVSI).

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