HP-Manager Sibold: "Für die Assemblierer hat das letzte Stündlein bereits geschlagen"

28.11.1997
BÖBLINGEN: Hewlett-Packard hält an seinem Anspruch auf die Vormachtstellung im PC-Markt fest. Bis zum Jahr 2000 will man sich mit einem Weltmarktanteil von 15 bis 20 Prozent auf dem Siegerpodest wiederfinden.Mit neuen, flexiblen Fertigungsprogrammen will das Unternehmen vor allem den PC-Assemblierern das Wasser abgraben. Zudem wollen die Böblinger den Markt der kleinen und mittleren Unternehmen knacken.

BÖBLINGEN: Hewlett-Packard hält an seinem Anspruch auf die Vormachtstellung im PC-Markt fest. Bis zum Jahr 2000 will man sich mit einem Weltmarktanteil von 15 bis 20 Prozent auf dem Siegerpodest wiederfinden.Mit neuen, flexiblen Fertigungsprogrammen will das Unternehmen vor allem den PC-Assemblierern das Wasser abgraben. Zudem wollen die Böblinger den Markt der kleinen und mittleren Unternehmen knacken.

Die nach eigenen Angaben größte und tiefgreifendste Umstrukturierung seit Gründung will Hewlett-Packard erfahren haben. Davon betroffen waren rund 80.000 der weltweit rund 120.000 Mitarbeiter des Unternehmens. "Kunden- statt Produktorientierung" lautet nunmehr das Motto des neu aufgestellten Konzerns. Stellten bis dato die verschiedenen Produktbereiche wie PCs, Server, Peripherie oder Massenspeicher die Säulen der Unternehmensorganisation dar, bilden nach der Umstrukturierung verschiedene Kundensegmente - vom Großkunden bis zum privaten Endanwender - die Basis. Alle Vertriebsbereiche haben fortan Zugriff auf die gesamte Produktpalette (siehe Grafik).

Bisher reiner Verdrängungswettbewerb

Ob die neue Formierung allerdings längerfristig Bestand haben wird, bezweifelt selbst Kurt Sibold, General Manager der Commercial Channels Organization bei der Hewlett-Packard GmbH in Böblingen. "Wer sich nicht ständig verändert, wird sehr schnell überholt. Zeitkritische Umstrukturierungen werden für Unternehmen in diesem Markt immer wichtiger für das Überleben", rechtfertigt er die mittlerweile fast schon im Jahresturnus stattfindenden Neugliederungen. Daß es bei HP aber nicht ums blanke Überleben geht, sondern ein überproportionales Wachstum der Erträge die Zukunft des Unternehmens kennzeichnen soll, ist offensichtlich. Nicht anders ist der erneute Führungsanspruch, bis zum Jahr 2000 der weltweit führende PC-Hersteller zu werden, zu deuten. Auch über die möglichen Wege auf das Siegertreppchen ist man sich bereits im klaren. "Die Topten der PC-Branche versuchen bislang über den Verdrängungswettbewerb ihre Rangfolge zu bestimmen. In der Konsequenz ist man mal ein Quartal weiter oben in der Statistik wiederzufinden, mal ein paar Plätze weiter unten. Wer aber seine Marktanteile signifikant ausbauen will, muß neue Marktsegmente erobern. Und genau das werden wir tun. Wir wollen einen Marktanteil von 15 bis 20 Prozent erreichen", tönt Sibold.

Der Manager will zwei Bereiche ausgemacht haben, denen er "überproportionale Potentiale" einräumt. Kleine bis mittlere Unternehmen - zu neudeutsch small and medium business (SMB) - ist einer davon. "Unsere Aufgabe muß es also nun sein, sowohl unsere Partner als auch die SMBs zu motivieren, auf HP zu setzen", erläutert Sibold die nächsten Schritte. Der HP-Mann will hierzu speziell für dieses Kundensegment geschulte Vertriebsbeauftragte - 30 an der Zahl - einsetzen. Sie sollen als Mittler zwischen Handel und Kunde dienen, den Partnern somit die Türen der SMBs öffnen.

Roadshows in "wirtschaftsstarken Regionalzentren"

Begleitend dazu will Sibold Roadshows in verschiedenen "wirtschaftsstarken Regionalzentren" wie beispielsweise Augsburg oder Reuttlingen veranstalten. Hier erhofft man sich, eher auf das neue Klientel zu stoßen, als in Großstädten wie München oder Hamburg. Dem Mittelständler sollen die Vorzüge aufgezeigt werden, die die Anschaffung einer IT-Infrastruktur mit sich bringt. Daß man sich hierbei einer nutzenorientierten Argumentation bedienen muß, weiß auch Sibold. "Die müssen wir mit konkreten Lösungen ansprechen. Die kaufen ja auch keine Bohrmaschinen weil sie so toll sind, sondern weil man damit Löcher bohren kann", so der Vertriebschef.

ECTO-Programm wird weiter ausgebaut und ergänzt

Parallel dazu wollen die Böblinger ihr ECTO-Programm (Assemblierung der HP-PCs beim Distributor) ausbauen. Das bisher nur von Actebis angebotene Programm - Großhändler Frank & Walter bietet es lediglich für die neue Modellreihe Brio an - soll künftig allen Distributoren zugänglich sein, die die technischen Voraussetzungen mitbringen. Als nächster Kandidat wird C2000 gehandelt. Zudem wird es um einige weitere Komponenten verfeinert, an denen zur Zeit unter Hochdruck gearbeitet wird. Mit "E-Modell" und "Vendor Express" sollen nach Wunsch von Sibold die Arbeit für den Wiederverkäufer vereinfachen. Gewinnt dieser nämlich einen Auftrag über mindestens 400 PCs, werden die fertig konfigurierten Rechner auf Wunsch des Partners direkt beim Kunden angeliefert. HP tritt dann als eine Art Subunternehmer auf. Zudem soll es das Fertigungsmodell "Vendor Express" ermöglichen, daß - ein größeres Projekt vorausgesetzt - PCs mit speziellen Komponenten, die HP normalerweise nicht anbietet, bestückt werden können.

"PC-Preise werden dramatisch nach unten fallen"

Auf wessen Kosten diese beiden Programme gehen, dürfte klar sein. Sibold nennt das Kind beim Namen: "Die Stunde der Assemblierer hat damit geschlagen. Deren Erfolg in der Vergangenheit wird jetzt ein Ende finden", glaubt er zu wissen. "Wir werden uns von den 40 Prozent "Andere", die bei den Studien zu den PC-Marktanteilen noch immer in den Kuchendiagrammen auftauchen, einen ganz großen Teil abschöpfen", so Sibold weiter. Er sieht in den Programmen eine deutliche Verkürzung der Fertigungskette, was seiner Einschätzung nach die Preise für PCs um weiter 15 bis 20 Prozent nach unten drücken dürfte. "Da kann kein Assemblierer mehr mithalten. Markenware wird sich durchsetzen", ist er sich sicher. Auch Direktanbieter Dell könne man dann die Stirn bieten, erklärt Sibold weiter. "Die werden über kurz oder lang aber sowieso an ihre natürlichen Grenzen stoßen. Die sind stark bei größeren Aufträgen, gewinnen aber kaum Einzelaufträge. Das ist nach wie vor die Domäne des klassischen IT-Händlers, und damit bleibt Dell ein ganz gewaltiges Potential verschlossen", meint der HP-Manager. Daß HP auf dem Weg zur Marktführerschaft noch an Herstellern wie Fujitsu, IBM, Vobis und Compaq vorbeiziehen muß, bereitet Sibold kaum Probleme. Er ist sich sicher, daß die neuen Fertigungsprogramme erfolgreich sein werden und man so die Konkurrenz abhängen wird. Selbst vor möglichen "Nachahmern" habe er keine Angst, schließlich verfüge HP nach wie vor über einen beträchtlichen Know-how-Vorsprung, der nur schwerlich aufzuholen sei.

Der erklärte Gegner heißt SNI

Einzig und allein Siemens Nixdorf bereitet ihm echtes Kopfzerbrechen. Derzeit führen die Paderborner den PC-Markt im Business-Bereich laut Marktforscher Dataquest mit knapp 18 Prozent an, HP kann gerade mal mit etwas über sechs Prozent aufwarten. "SNI könnte sich als echtes Problem erweisen. Aber nicht weil die so gut sind, sondern weil man sie überhaupt nicht einschätzen kann", kommentiert Sibold und resümiert: "Aber so ist das nun einmal bei einem solchen Konzernriesen. Der läuft nicht einfach gerade aus, sondern der wankt hin und her. Und wie soll man da überholen?" (cm)

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