HP/Schadt-Connection sorgt bei Händlern und Kunden für massive Irritationen

20.03.1998

MÜNCHEN: Ein Drama in mehreren Akten spielte sich in den letzten Wochen im Stuttgarter Raum ab. Die Hauptakteure in diesem Schauspiel: Ein Kunde, ein HP-Vertriebspartner, die Firma "Computerworld for Hewlett-Packard", der Discounter Schadt und Hewlett-Packard. Die Inszenierung nimmt starke Anleihen bei Friedrich Schiller: Kabale und Liebe.Überrascht reagierte Ulrich Bechtel, Inhaber und Geschäftsführer der Bechtel EDV-Beratung GmbH in Bönnigheim, als ihn ein langjähriger Kunde am Sonntag, den 1. Februar, anrief, um seinen Rat einzuholen. Dieser hatte in der schwäbischen Zeitung "Sonntag Aktuell" ein gar zu verlockendes Angebot entdeckt: Pentium-II-PC, 233 MHz, 32 MB SDRAM, 3-Gigabyte-Festplatte... Und allem Anschein nach auch noch Hewlett-Packard-Systeme. Prangte doch das HP-Logo auf dem 24fach-CD-ROM-Laufwerk des angepriesenen Geräts - das Ganze zum äußerst aggressiven Preis von 1.799 Mark. Es handelte sich dabei um eine Anzeige des "ersten Stores für Hewlett-Packard-Produkte, Computerworld for Hewlett-Packard", in der Lange Straße, Ecke Kronprinzenstraße, Stuttgart.

Bechtel riet seinem Kunden nach eingehendem Studium der Offerte im Vertrauen auf die Marke Hewlett-Packard dazu, das Angebot wahrzunehmen. Gesagt, getan: Dieser fuhr daraufhin nach Stuttgart und erstand für zwei seiner Firmen - gegen Barzahlung, auf die der Computershop bestand - jeweils fünf Exemplare.

Computerworld-Angebot: Vermeintliche HP-PCs

Wirklich gelungen war die Überraschung jedoch, als man die PCs auspackte: Bei den guten Stücken handelte es sich nämlich keineswegs um HP-Rechner, sondern ganz offensichtlich um No-Name-Geräte, die in Sachen Ausstattung mehr als zu wünschen übrig ließen. Nicht nur, daß die PCs mit jungfräulichen Festplatten (ohne jedes Betriebssystem - für 150 Mark nachträglich zu erwerben - und ohne sonstige Software) eintrafen; auch war weit und breit keine Maus (und schon gar kein HP-Logo mehr) zu sehen. Jedes der Exemplare unterschied sich in der Farbe, in der Tastatur, im Netzteil sowie anderen Komponenten vom anderen - eine für die im Idealfall homogene Rechnerlandschaft eines Unternehmens eher ungünstige Ausgangssituation. "Das war einfach irgendwie zusammengewürfeltes Zeug," empfand Bechtel, dessen Firma die Schnäppchen-Installation durchführen durfte. Wer sich hinter dem Angebot verbarg: Es handelte sich ganz offensichtlich einen Ableger der Firma Schadt Computertechnik aus Stuttgart.

"Verschärfte Fortsetzung"

Kurz entschlossen griff Bechtel zum Telefon und bat die Firma um Aufklärung über die wundersame Verwandlung der vermeintlichen HP-PCs. Mehr als die Gegenfrage: "Wie kommen Sie denn darauf, daß es sich hierbei um HP-Rechner handeln könnte?" konnte der EDV-Berater dem Sonntags-Anbieter jedoch nicht entlocken.

Fest überzeugt, daß "hier der Verbraucher in einem hohen Maß getäuscht werden soll", wandte sich der Bechtel-Geschäftsführer telefonisch und auch mit einem Schreiben an Hewlett-Packard. Die erbetene Stellungnahme von Kurt Sibold, General Manager

Commercial Channel Organization der Hewlett-Packard GmbH in Böblingen, blieb jedoch - laut Bechtel - zunächst aus.

Als der Bechtel-Chef dann am 12. Februar in der "Bietigheimer Zeitung" erneut auf eine Anzeige der Firma Schadt - diesmal unter ihrem Namen - stieß, witterte er Verrat: Erkannte er in den dort feilgebotenen Rechnern doch genau die PCs wieder, die sein Kunde zwei Wochen zuvor anstelle der vermuteten HP-PCs erhalten hatte - mit praktisch der gleichen Konfiguration, nur um 100 Mark günstiger.

Endgültig die Nase voll hatte der Händler jedoch, als Schadt (unter dem Namen "Computerworld for Hewlett-Packard") mit dem Titel "Verschärfte Fortsetzung" am 15. Februar erneut die Werbeflächen der "Sonntag Aktuell" nutzte: Diesmal bot das Stuttgarter Unternehmen waschechte Hewlett-Packard-Brio-PCs an - und zwar für 1.799 Mark, einem Preis, der seiner Erfahrung nach weit unter dem Händlereinkaufspreis (HEK) lag. Nach Recherchen von ComputerPartner bei zwei Broadline-Distributoren betrug der HEK für ein solches HP-Brio-Modell zum Zeitpunkt der Anzeige tatsächlich noch rund 2.100 Mark.

Daraufhin beschloß Händler Bechtel, den Verkauf von HP-Systemen in Zukunft einzustellen, wandte sich aber noch an ComputerPartner, um Hintergründe zu erfahren. Bei "Computerworld for Hewlett-Packard" handle es sich um einen Unternehmensbereich der Firma Schadt mit Schwerpunkt auf HP-Produkten, erklärt HP-Manager Kurt Sibold gegenüber ComputerPartner. Schadt richte sich damit nicht an Privatkunden, sondern an kleine und mittlere Unternehmen (Small and Medium Business - SMB). Schadt-Vertriebsleiter Jürgen Schadt hält sich hier eher etwas bedeckt: "Das ist richtig, aber ich möchte hierzu noch nicht viel sagen. Die Dinge müssen noch etwas reifen."

"Computerworld for Hewlett Packard": Schadt rüstet für den SMB-Markt

Das Konzept ist also noch nicht spruchreif, allerdings klingeln bei Computerworld bereits die Kassen - wie das Beispiel mit den Pseudo-HP-Rechnern zeigt.

Abgesehen von den Wirren, die der Schadt-HP-Deal bei Endkunden auslöst, stiftet er auch bei den klassischen HP-Vertriebspartnern Unruhe: Denn der SMB-Bereich ist im klassischen Sinne das Territorium der Fachhändler, die die nötige Beratung und den Service etwa in Sachen Vernetzung und Wartung bieten können. Und genau diese hatte Hewlett-Packard Ende letzten Jahres im Sinn, um das SMB-Marktsegment zu knacken: Ein Großteil der 8.600 HP-Fachhandelspartner sollte die Produkte der Böblinger an kleine bis mittlere Unternehmen verkaufen (siehe ComputerPartner, Ausgabe 18/97, Seite 38).

Für Sibold ist der Begriff "Fachhändler" allerdings recht dehnbar: "Schadt ist für mich ein Fachhändler. Zumindest in Sachen Beratung - und darin unterscheidet sich doch ein Fachhändler im wesentlichen vom Retailer." Laut Sibold verfügt Schadt inzwischen über die entsprechende Belegschaft, die für die Beratung des SMB-Kunden erforderlich ist.

"Das ist es genau, woran wir arbeiten", äußert sich Schadt vorsichtig. "Computerworld für Hewlett-Packard" habe nichts mit dem üblichen Schadt-Filial-Konzept zu tun und werde sich von den Schadt-Filialen auch erheblich unterscheiden, erklärt der Vertriebsleiter des Stuttgarter Unternehmens.

"Ein Schulz Bürozentrum ist doch da auch nichts anderes - was die Beratung betrifft", findet Sibold. Allerdings: So ganz steht HP offensichtlich doch nicht zu seinem "Retailer" - das Ganze laufe ja deshalb auch unter einem anderen Namen, nämlich "Computerworld". Die Computerworld-Werbung mit den vermeintlichen HP-PCs fand Sibold dann auch gar nicht witzig: "Dummerweise hat Schadt mit der Anzeige in der Sonntag Aktuell den Eindruck erweckt, es handele sich um HP-Rechner," meint der HP-Mann. "Das wird in Zukunft unterbunden."

"Fachhändler" - ein dehnbarer Begriff

Jürgen Schadt ist sich hier keiner Schuld bewußt: "Wenn der Händler es nicht versteht, seine Kunden zufrieden zu stellen, dann muß er sich eben damit abfinden, wenn dieser zu uns kommt", findet er. "Wir wollten hier nicht täuschen. Der Kunde wurde zu 100 Prozent aufgeklärt, und das hat ihn offensichtlich nicht abgeschreckt", schildert Schadt den Vorfall aus seiner Sicht.

Viele haben aus dieser Geschichte gelernt:

1. Der Kunde, dem die Vielfalt seiner neuerworbenen Systeme keine rechte Freude bereiten wollte, und der sich bereits wegen erster Störmeldungen an seinen Fachhändler wenden mußte: Er wird die Hardware-Ausstattung seines Betriebs künftig wieder vertrauensvoll in die Hände des Fachhandels legen.

2. Herr Bechtel: Er hat die Zusammenarbeit mit Hewlett-Packard inzwischen auf Eis gelegt.

3. Die Firma Schadt Computertechnik: Wer sich mit fremden Federn schmückt, braucht für das Geschäft nicht zu sorgen.

4. HP? Direkt Angst, weitere Fachhandelspartner zu verlieren, hat Sibold nicht: "Man muß neue Schritte wagen. Natürlich wollen wir keine Partner vergraulen, aber wir müssen uns überlegen, wie wir auf die veränderte Marktsituation reagieren." (taf)

"Klarer Auftakt" für viel Wirbel waren die Pseudo-HP-PCs, die ein Kunde auf die Anzeige vom 1.2.98 erhielt.

Als "verschärfte Fortsetzung" empfindet auch ein HP-Vertriebspartner dieses Angebot vom 15.2.98.

Der in dieser Schadt-Anzeige (12.2.98) abgebildete Rechner erinnert einen Händler stark an die vermeintlichen HP-PCs.

Zur Startseite