I-Mode wird sich schwer tun in Europa

21.02.2002

Millionen Japaner können nicht irren, dachte sich Uwe Bergheim, Chef des Service-Providers E-Plus. Die Konsequenz daraus: E-Plus wird im März oder April I-Mode in Deutschland starten. Wenn man die nackten Zahlen anschaut, ist diese Überlegung durchaus nachvollziehbar. NTT Docomo hat mit dem mobilen Internetdienst I-Mode in Japan einen phantastischen Erfolg. Inzwischen "imoden" mehr als 30 Millionen Japaner, holen sich E-Mails, Horoskope, Fahrpläne, Spiele, Klingeltöne und Nachrichten aufs Handy. Und die laden sie sich von mittlerweile fast 2.000 offiziellen Seiten und über 50.000 inoffiziellen Seiten herunter. Im Land der aufgehenden Sonne ist man bereit, dafür zu zahlen.

Da wäre es doch gelacht, dachte sich Bergheim, wenn man diesen Erfolg nicht auch in Deutschland wiederholen könnte. Die Verträge mit NTT Docomo sind unterschrieben - bis 2012 gehört das deutsche I-Mode E-Plus. Die Frage ist nur, was sich Bergheim mit dem Unterzeichnen der Verträge da eingehandelt hat. Kann man ein asiatisches Konzept wirklich eins zu eins auf Europa übertragen? Nein, kann man nicht. Und dafür gibt es mehrere triftige Gründe.

Rund 40 Prozent des Datenverkehrs in Japan sind E-Mails. Die Japaner sind lange Zugfahrten gewöhnt. Da liegt es nahe, dass man währenddessen seine Post durchgeht. Die Europäer hingegen lieben ihr Festnetz-Internet. E-Mails werden am heimischen Computer gelesen und nicht in der U-Bahn. Außerdem haben die Europäer schon vor geraumer Zeit die SMS entdeckt. Warum sich also sich mit langen Bleiwüsten auf Mini-Displays herumärgern und die Augen kaputt machen, wenn man die kurze Zeit unterwegs mit ein paar knackigen Worten überbrücken kann: "Bin gleich daheim, schon mal Bier kalt stellen, Bussi."

Auch das Informationsbedürfnis kann inzwischen locker mit SMS-Diensten abgedeckt werden, und die sind häufig noch dazu kostenlos oder Teil des herkömmlichen Zeitschriften-Abos. Außerdem war I-Mode mit 9,6 Kbit bislang genauso langsam wie WAP. Wie schnell der Dienst in Deutschland sein wird, hat E-Plus noch nicht verraten. Naheliegend sind Übertragungsraten von 28,8 Kbit. Damit wäre I-Mode genauso schnell wie GPRS - der Dienst, der bereits verfügbar ist, ebenfalls paketorientiert arbeitet und die meisten Kinderkrankheiten wie fehlende Endgeräte und dergleichen hinter sich hat.

Ein weiterer Grund, warum I-Mode hier einen schweren Stand haben wird: Während NTT Docomo inzwischen mit Tausenden von Content-Anbietern zusammenarbeitet, wird es in Deutschland zunächst einmal nur 60 I-Mode-Seiten geben. Das ist selbst für den Anfang nicht sehr beeindruckend. Ebenso mau sieht es bei den verfügbaren Endgeräten aus: Zunächst wird es nur ein I-Mode Handy geben, das N21i von NEC. Noch nie gehört davon? Tja, das wird wahrscheinlich auch die Zielgruppe sagen, die E-Plus mit I-Mode erreichen will: die 15- bis 29-Jährigen. Ein Großteil dieser jungen Leute ist nämlich dummerweise Nokia-Fan. Nokia arbeitet zwar mit NTT Docomo im Bereich Multimedia Messaging für I-Mode zusammen, von einem finnischen I-Mode-Handy war bislang jedoch nicht die Rede.

Eines der stärksten Argumente von E-Plus für I-Mode sind die farbigen Inhalte der Dienste. Dazu braucht man farbige Displays - was das NEC-Handy auch bietet. Aber was bitte soll man mit einem farbigen Handy-Display im Briefmarkenformat? Grafiken herunterladen? Für Geld? (siehe auch Artikel auf Seite 42 dieser Ausgabe)

E-Plus-Chef Bergheim argumentiert: "Einer muss ja mal anfangen." Die Frage ist nur, womit einer mal anfangen muss - mit dem Start in ein Kamikaze-Unternehmen? I-Mode wird in Deutschland auf keinen Fall so ein Renner wie in Japan. Bestenfalls wird es ein Nischenmarkt, im schlimmsten Fall ein Flop wie WAP. Das allerdings sollte sich in den Zeiten von UMTS kein Netzbetreiber mehr leisten.

Gabriele Nehlsgnehls@computerpartner.de

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