I/O-Technologie

02.11.1999

MÜNCHEN: Bedenkt man die in den letzten Jahren erfolgten Leistungs- und Kapazitätssprünge bei Workstations und Servern fielen die Innovationen im Bereich der I/O-Technologien vergleichsweise gering aus. Noch streiten sich die Experten, ob die traditionelle SCSI-Schnittstelle den bandbreitenhungrigen Applikationen langfristig gewachsen ist oder demnächst von neuen Technologien wie beispielsweise dem Fibre-Channel-Interface abgelöst wird.Ist die Zukunft der I/O-Technologie parallel oder seriell? Werden zukünftig neue serielle Schnittstellen wie Firewire oder Fibre-Channel die am Markt fest etablierten parallelen Schnittstellen wie beispielsweise SCSI auf breiter Front ablösen? Oder wird der Einsatz von seriellen I/O-Lösungen auf Nischenmärkte reduziert sein? Fragen, die Entwickler und Experten in den letzten Jahren sehr heftig und konträr diskutierten.

Hervorgerufen durch speicherhungrige Anwendungen beträgt die Zunahme der Datenmenge nach IBM-Erhebungen derzeit 70 Prozent pro Jahr. Parallel zum Datenvolumen steigen die Ansprüche der Anwender: Fehlertoleranter Datenzugriff, skalierbare Leistung und Kapazität, Flexibilität und Plattformoffenheit, Ausfallsicherheit, einfache Handhabung, Investitionsschutz und insgesamt niedrige Kosten lauten die Forderungen

Daß die SCSI-Schnittstelle allen Unkenrufen zum Trotz noch lange nicht tot ist, verdankt sie ihrer kontinuierlichen Weiterentwicklung. Die Vorteile von SCSI-Systemen liegen nach Ansicht vieler Experten auf der Hand: OEMs können heute durch den Einsatz abwärtskompatibler SCSI-Komponenten ihre Systeme schnell und problemlos aufrüsten. Der wichtige "Time-to-market-Faktor" kann dadurch deutlich reduziert werden.

Also doch nur das bewährte Motto: Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach? Nein, meint Robert Suu, erfahrener SCSI-Experte und bei der Adaptec Deutschland GmbH zuständig für das Händlergeschäft. "Wir sehen Technologien wie Fibre-Channel definitiv nicht als einen Ersatz für SCSI, sondern ausschließlich als Nischenlösung im Bereich von Storage Area Networks. De facto gibt es heute kein signifikantes Geschäft mit Fibre-Channel-Produkten, und es werden noch einige Jahre vergehen, bis sich diese Technologie fest im Markt etabliert hat."

Nachdem Adaptec jahrelang eigene Chips für Fibre-Channel-Controller entwickelt hatte, verkaufte das Unternehmen letztes Jahr die komplette Fibre-Channel-Entwicklungsabteilung an das Technologieunternehmen Jaycor. Man vergaß jedoch nicht, sich im Gegenzug eine Minderheitsbeteiligung zu sichern.

Derweil setzt der Hersteller nach eigenen Angaben weiterhin auf starke Wachstumsraten im SCSI-Markt. Nicht zuletzt durch kräftige Preissenkungen soll SCSI einem breiteren Anwenderkreis auch in kleinen und mittleren Unternehmen zugänglich gemacht werden. Um 20 Prozent senkte Adaptec kürzlich die Preise für Ultra-2-SCSI-Hostadapter. Dies sei allerdings keine Kampfansage an die Fibre-Channel-Technologie, denn so Suu: "Wer unsere Preispolitik verfolgt, wird feststellen, daß wir, sobald eine neue Technologie in Stückzahlen verfügbar ist, diese im Preisniveau an die Vorgängergeneration anpassen."

Während Anwender zur Zeit in großem Umfang auf Ultra-2-SCSI umsteigen, befindet sich die Entwicklung der Nachfolgetechnologie Ultra-160/m bereits in der Endphase. Im Spätsommer sollen die ersten Hostadapter verfügbar sein. Mit einer Datentransferrate von maximal 160 MB/s wird bei diesen Produkten erstmals die Leistungsfähigkeit von aktuellen Fibre-Channel-Adaptern (100 MB/s) übertroffen. Doch damit nicht genug. Nach Aussage von Suu befinden sich konkrete Entwicklungspläne für SCSI-Adapter mit Transferraten von 320 und 640 MB/s bereits in den Schubladen der Entwickler.

Erweiterbarkeit und Sicherheit sprechen für Fibre-Channel

Argumente, die Rainer Hilsenbeck, Marketingleiter beim Wiesbadener Speicherspezialisten TIM GmbH nicht überzeugen. "Wir müssen weg von der reinen Betrachtung der Leistung. Es geht bei der Fibre-Channel-Architektur um das Thema 'Storage Area Networks' und damit, zumindest nicht primär, um den Datendurchsatz."

Seiner Ansicht nach zwingen server-orientierte SCSI-Architekturen Netzwerkmanager heute in zunehmendem Maße, Kompromisse bei solch kritischen Faktoren wie Erweiterbarkeit, Systemverfügbarkeit und Sicherheit einzugehen. "Will ein Administrator die Speicherkapazität erweitern, was mittlerweile alle paar Monate notwendig ist, und neue SCSI-Devices installieren, ist er bisher gezwungen, den kompletten Server herunterzufahren." Auch beim Thema Clustering bieten SANs im Vergleich zu traditionellen SCSI-Architekturen, seiner Ansicht nach, deutliche Vorteile. Nicht zu unterschätzen sind laut Hilsenbeck auch Sicherheitsaspekte. Aufgrund der höheren Distanzen, die sich mit der Fibre-Channel-Verkabelung realisieren lassen, ergibt sich mehr Spielraum für Datensicherungsmaßnahmen, zum Beispiel in Brandfällen.

"Fibre-Channel muß zur Zeit als reine Marketingmaschine herhalten. Ich bin jedoch sicher, daß im High-End-Bereich, wie beispielsweise bei großen Industrieunternehmen mit entsprechender Infrastruktur, SAN-Architekturen sehr schnell greifen werden", glaubt Hilsenbeck. Bereits im laufenden Jahr erwartet er eine deutliche Zunahme bei SAN-Adaptionen, beispielsweise im Bereich von Hochverfügbarkeitsanwendungen. Der Trend weg von sogenannten "Server-centric"-Netzwerken hin zu "Storage-centric"-Netzwerken ist seiner Meinung nach nicht aufzuhalten.

Die daraus resultierende Konsequenz ist für Hilsenbeck klar: Zumindest langfristig wird Fibre-Channel SCSI als I/O-Technologie ablösen.

Unterstützung erhält Hilsenbeck von den Dataquest-Analysten. In einer aktuellen Studie prognostizieren die Marktforscher, daß Fibre-Channel Ultra-SCSI bis zum Jahr 2001 in puncto Umsatz überholt und bis zum Jahr 2002 einen Marktanteil von über 70 Prozent erreicht haben wird.

I/O-Zukunft offen

Während Hersteller wie Sun, DEC, NCR, Intel und Microsoft mittlerweile mehr oder minder offen Partei für die Fibre-Channel-Technologie ergreifen, halten sich andere noch alle Türen offen. Die Taktik von Compaq, HP, IBM und 3Com läßt sich derzeit am besten mit dem Begriff "entschiedenes Vielleicht" beschreiben. Einerseits zeigen sie sich der Fibre-Channel-Entwicklung gegenüber offen und positiv, andererseits hat man jetzt gemeinsam mit Adaptec eine sogenannte Future I/O-Initiative (www.futureio.org) ins Leben gerufen. Ziel ist es nach eigenem Bekunden, einen neuen I/O-Standard zu definieren, der den Datentransfer zwischen leistungsstarken Servern und Peripheriegeräten steigern soll. (sd)

Ultra-SCSI (unten) contra Fibre-Channel (links). Im Kampf um die Vormachtstellung im Bereich von High-End I/O-Lösungen ist die Entscheidung noch lange nicht gefallen.

Rainer Hilsenbeck, Marketingleiter bei der Wiesbadener TIM GmbH, geht davon aus, daß dieses Jahr in vielen Unternehmen der Umstieg von SCSI auf Fibre-Channel beginnt.

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