I-Team: "Boykottaufruf" gegen Ingram schockt die Partner

12.12.2002
Mit einer Mailing-Aktion wollte die I-Team Systemhauskooperation ihr Weihnachtsgeschäftankurbeln. Doch die Aufforderung an die Partner, Umsätze von Ingram abzuziehen und sie wahlweiseActebis oder Tech Data zuzuwenden, erweist sich als Eigentor: Die "Begünstigten" wollen mit der Promo plötzlich nichts mehr zu tun haben.

Die I-Team Systemhauskooperation hat einen wirklich schönen Slogan: "Wir wollen unsere Kunden nicht zufrieden stellen, wir wollen sie begeistern." Nur ging der aktuelle Versuch einer praktischen Umsetzung total daneben: Zwar schlägt die "Actebis-Promo für Einkäufer" hohe Wellen im Markt - allerdings anders, als von den Schweinfurtern erhofft.

"Ziel der Aktion ist es, Umsätze direkt von Ingram abzuziehen und Actebis (oder Tech Data) zuzuwenden", heißt es in einem Schreiben, das den Mitgliedern der Kooperation in den vergangenen Tagen ins Haus flatterte. Händler, die bis zum 31. Dezember Umsatzzuwächse bei den beiden Distributoren - und/oder Umsatzminderungen bei Ingram - nachweisen können, nehmen an einer Verlosung teil. Dem Sieger winken 2.400, dem Zweitplatzierten 1.200 und dem Dritten 600 Euro (siehe Bild). Wessen geistiges Kind das Mailing sein soll, erfahren die Partner auch: "Actebis hat hierzu eine Sondertreueprämie bereitgestellt, die an Firmen, die Umsätze von Ingram zu Actebis verschieben, ausgeschüttet wird."

Provokation unerwünscht: Partner gehen auf Distanz

Die Tinte auf dem Papier war noch nicht trocken, da erklärte Tech Data schon den freiwilligen Verzicht auf die ungewollte Förderung: "Diese Aktion war weder von uns initiiert, noch stimmen wir mit dem Vorgehen überein, noch war sie mit uns abgesprochen", beteuert Geschäftsführer Martin Furuseth gegenüber ComputerPartner. Es handle sich vielmehr um eine interne Initiative der I-Team-Kooperation mit ihren Mitgliedern, auf die Tech Data keinerlei Einfluss habe oder hatte: "Sicherlich ist die I-Team-Kooperation mit ihren Mitgliedern ein Kundenstamm, zu dem wir eine gute und langjährige Geschäftsbeziehung unterhalten", so Furuseth weiter."Und sicherlich ist man auch immer erfreut und bemüht, mit seinen Kunden gemeinsam mehr Umsatz zu generieren, aber von dieser Aktion müssen wir uns ausdrücklich distanzieren."

Zu einem Eigentor par excellence könnte die Angelegenheit dank Actebis-Chef Michael Urban werden. Denn der zieht ebenfalls die Notbremse: "Mit dem Passus gegen Ingram haben wir nichts zu tun." Der Manager bestätigt aber auch, dass der Umsatzbonus von Actebis dafür verwendet werden sollte, die Mitglieder anzuspornen. "Wir möchten, dass I-Team bei uns mehr Umsatz macht. Das kann nur durch die Mitglieder geschehen. Die Prämie, die in einer höheren Umsatzstaffelung herauskommt, wird durch die Ausschüttung an die Mitglieder weitergereicht." Von einem direkten Aufruf, dem Wettbewerber Umsätze abzuziehen, sei aber nie die Rede gewesen, so Urban: "Das finde ich auch nicht gut." Ein Gespräch über das Mailing habe es bereits gegeben. Dennoch sei I-Team als eine vollkommen eigenständige Gesellschaft zu sehen: "Wir schreiben denen nichts vor."

Motivation oder Boykottaufruf: die rechtliche Seite

Auf Abstand zu gehen, kann sicher nicht schaden, denn rechtlich ist die Sache auch nicht ganz ohne, wie der Münchner Rechtsanwalt Jürgen Schneider von der Kanzlei Zwipf Rosenhagen Partnerschaft, bestätigt: "Nach meiner Auffassung verstößt die geplante Prämienaktion mit dem Ziel, Umsätze von Ingram abzuziehen, gegen die guten Sitten im Geschäftsverkehr und ist damit wettbewerbswidrig." Die Firma Ingram könnte deshalb nicht nur verlangen, dass man diese Aktion unterlässt, sondern auch Schadensersatz geltend machen."Die Aktion stellt einen so genannten Boykottaufruf dar, der sich gezielt gegen die Firma Ingram richtet." Bei der Auslobung der "Treueprämie" handelt es sich nach Auffassung von Schneider zudem um eine unzulässige, nicht sachbezogene Beeinflussung der Einkäufer. "Es gehört zwar zum Wettbewerb, einem Konkurrenten Kunden auszuspannen. Hierzu dürfen jedoch keine unzulässigen Mittel eingesetzt werden." Um die "Treueprämie" zu bekommen, werden hier die angesprochenen Einkäufer möglicherweise Kunden der Firma Ingram dazu veranlassen, aus bereits bestehenden Verträgen mit Ingram auszusteigen. "Eine solche Verleitung zum Vertragsbruch wäre in jedem Falle wettbewerbswidrig."

I-Team-Chef Sievers: eine interne Angelegenheit

I-Team-Geschäftsführer Rüdiger Sievers ist die Aufregung nicht geheuer: "Prinzipiell verstehe ich nicht, warum das für die Öffentlichkeit interessant sein soll. Das ist doch eine interne Angelegenheit von I-Team", so seine erste Reaktion. Dann räumt er Fehler ein: "Der zweite Absatz (Treueprämie von Actebis, Anm. d. Red.) ist falsch formuliert: Die Prämie stammt aus den Geldern des Bonus, den wir bekommen." Die Aktion sollte den Umsatz mit Actebis steigern, um insgesamt als I-Team eine höhere Umsatzstaffelung zu bekommen.

"Ich hatte das mit dem I-Team-Händlerbeirat besprochen", erklärt Sievers und bestätigt: "Die Aktion geht von I-Team aus. Das ist keine Angelegenheit von Actebis." Der Manager versichert, dass der Aufruf nie als Provokation gegen Ingram gedacht gewesen sei: "Wir haben mit Actebis, Tech Data und der Also ABC Trading GmbH Rahmenvereinbarungen. Wenn wir das Jahresziel erreichen, dann bekommen wir einen Bonus. Mit Ingram haben wir keine Vereinbarung. Deshalb stand eben auch Tech Data zur Auswahl." Auch der zweiteI-Team-Geschäftsführer Cemal Osmanovic versteht die Aufregung nicht: "Auch Ingram startet Aktionen, um Umsätze der Systemhäuser für sich zu gewinnen."

Dass seine Händler mit Ablehnung reagieren (siehe Kasten), will Sievers nicht glauben. "Wenn es wirklich so ist, dass das die Partner nicht reizt, dann verstehe ich nicht, warum sich schon 30 Mitglieder für die Aktion angemeldet haben." Osmanovic räumt allerdings ein, dass die Reaktionen gemischt ausgefallen sind: "Manche Systemhäuser haben gewachsene Lieferantenbeziehungen. Genauso, wie unsere Partner uns gegenüber loyal sind, sind sie es auch gegenüber ihrem Einkaufspartner. Wieder andere fanden die Idee gut."

2003 wird es wohl zu keinen Missverständnissen mehr kommen. "Es wird im nächsten Jahr keine Bonusregelung mehr geben. Unter anderem auch deswegen, weil wir versuchen festzustellen, ob Bonus für Umsatzsteigerung sorgt", so Sievers. "Umsatzboni auf Zielerreichung machen nur dann Sinn, wenn sie auch erreichbar sind", so auch Osmanovic. Durch die wirtschaftliche Situation mit einem teilweise starken Umsatzeinbruch würden die Ziele aber nicht erreicht und damit auch kein Bonus ausgeschüttet werden. "Das ist für die Systemhauspartner frustrierend und bringt keinen Mehrwert. Daher werden wir auf Bonusvereinbarungen mit Distributoren in Zukunft verzichten."

Dass das aktuelle Mailing rechtlich nicht in Ordnung sei, habe er nicht geahnt, sagt Sievers: "Wir haben die Aktion nicht juristisch geprüft. Vielleicht schickt uns Ingram eine Abmahnung, dann verbuche ich das unter Erfahrung." Osmanovic betont: "Wir wollten uns in keiner Weise wettbewerbswidrig verhalten oder gegen die guten Sitten verstoßen."

Das Urteil bei Ingram ist schon gefallen

Das Urteil bei Ingram Micro ist jedenfalls schon gefallen: Nicht nur "niveaulos" sondern auch "unsinnig" sei diese Aktion, man wundere sich sehr darüber, sagt Michael Kaack, Vorsitzender der Geschäftsführung. "Wir hätten sicher kein Geld für so etwas übrig." Es sei denkbar, dass die ausgelobten Prämien über Preise und Margen wieder reingeholt werden: "Welcher Mehrwert wird denn den Partnern hier eigentlich geboten?" Große Auswirkungen auf sein Haus scheint er hingegen nicht zu befürchten: "Wir gehen davon aus, dass die Kunden weiterhin dort einkaufen, wo sie das beste Preis-Leistungs-Verhältnis und die beste Betreuung bekommen - und nicht irgendwelchen Prämien hinterherjagen." Ärgerlich sei das Ganze aber doch, denn der IT-Handel sei schließlich keine Lotterie, soKaack: "Wir müssen alle mit der aktuellen Wirtschaftslage kämpfen, da ist meiner Meinung nach kein Platz für solche kindischen Spiele." Bei Ingram habe man jedenfalls eine andere Auffassung von gesundem Wettbewerb: "Wir kämpfen für uns - und nicht gegen andere." (gn/mf)

Lesen Sie dazu auch den Offenen Brief auf Seite 3.

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