IBM-Aktie lockt nach Kursabsturz zum Kauf

11.04.1999
MÜNCHEN: Der Absturz des IBM-Kurses zeigt die Anfälligkeit von Computeraktien bei "Gewinnwarnungen". Im Falle IBM ist die Reaktion allerdings übertrieben.

Nur 5,5 Prozent weniger Gewinn, nämlich 3,65 anstatt 3,85 Dollar pro Aktie, als ursprünglich für 1999 prognostiziert ließen die IBM-Notierung schlagartig um 15 Prozent auf 90 Dollar sinken. Wenn man den vorherigen Rückgang seit Mitte Juli hinzurechnet, ist die Nummer eins der Branche jetzt rund ein Drittel weniger wert. Statt 445 kostet der IBM-Konzern an der Börse nun 300 Milliarden Mark.

Daß das Jahr-2000-Problem im vierten Quartal 1999 und im ersten Quartal des kommenden Jahres zu Einbußen führen wird, ist eigentlich schon längst bekannt. Insofern überrascht es etwas, daß sich die Börsenanalysten jetzt über IBM "verärgert" zeigen. Vielleicht hätte der Konzern sich nicht ganz vom Y2K-Problem ausnehmen sollen. Laut CEO Louis Gerstner wird IBM in den folgenden Quartalen aber wieder recht gut verdienen. Die Analysten, IBM eigentlich wohlgesonnen, rechnen gar mit 10 bis 15 Prozent Ertragszuwachs bei 10 Prozent (knapp 100 Milliarden Dollar) mehr Umsatz im Jahr 2000. Sollte der Konzern, wie schon öfter in der Vergangenheit, einige Aktien als "beste Anlage" zurückkaufen, so würde das Ergebnis weiter (künstlich) klettern - eine beliebte Methode, den Aktionären den Shareholder Value schmackhaft zu machen.

IBM hat einiges zu bieten. Das Unternehmen ist in allen Sparten dermaßen präsent, daß seine Entwicklung als repräsentativ für die Branche gelten kann. Die noch junge Technology Group verkauft an andere Hersteller wesentliche Bauteile - Mikroprozessoren, Computerspeicher, Netzwerkkomponenten und Displays. Die Verträge mit Dell Computer, Cisco Systems, EMC Corp. und Acer (Taiwan) kommen zusammen auf ein Volumen von 29 Milliarden Dollar. Die Partnerschaften gehen über bloße Teilelieferung hinaus; sie wirken weit in die Entwicklung der Produkte hinein. Der technologische Einfluß von IBM ist offenkundig. Das Geschäft mit der Kommunikationsindustrie und der Konsumelektronik nimmt ebenfalls schnell zu. So hat IBM eine breitangelegte stabile Marktposition.

POTENTIAL BIS ZUM BISHERIGEN HÖCHSTKURS

Seit der Restrukturierung Anfang der neunziger Jahre ist der Konzern zum größten Allrounder der Branche geworden. Das wachstumsstarke und lukrative Segment Software & Service kommt inzwischen auf über 25 Prozent Umsatzanteil. Bei Internet-bezogenen E-Business-Lösungen und dem Management großer Netzwerke ist IBM vorn dabei. Der Aktienkurs ist substantiell also durchaus gut unterlegt. Daß das Großrechner- und das PC-Geschäft nicht den Erwartungen entsprechen, kommt gar nicht so überraschend. Daran ist man bei IBM praktisch schon gewöhnt. Dieses Defizit schmälert die börsenmäßig "fundamentale" IBM-Position nicht wesentlich. Das Problem war eher die höhere Bewertung der Aktien. Früher durfte IBM an der Börse jahrelang nur etwa das 15fache KGV kosten (KGV = Kurs-Gewinn-Verhältnis = aktuelle Börsenkurs dividiert durch Gewinn oder Ergebnis pro Aktie). Bei Höchstkursen im Juli errechnete sich eine Bewertung von KGV 38,3. Dies war das Resultat der "Umwandlung" vom Hardware- zum gemischten Computerkonzern mit größeren Umsatzanteilen in wachstumsstarken Bereichen. Die werden an der Börse seit jeher teurer bezahlt. So gehörte IBM besonders ab Mitte 1996 bei Kursen um 25 Dollar bis zu diesem Jahr zu den von institutionellen wie privaten Anlegern meistgekauften Papieren.

Seit Juli macht der Aufwärtstrend nun eine Pause, was weiter nicht dramatisch ist. Eine Korrektur schien überfällig. Bei 80 bis 90 Dollar verläuft eine erste wichtige Unterstützungslinie. Das maximale Risiko reicht bis 70 Dollar hinunter. Dieser "Ernstfall" ist jedoch eher unwahrscheinlich. Längerfristig hat die Aktie Potential bis zum bisherigen Höchstkurs. Besonders bei nochmals schwächeren Notierungen kann der Anleger schon mal mit dem Kaufen anfangen. (kk)

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